ARTE zeigt Doku über den Helden und Heiligen Nawalny

Alexej Nawalny wird am Rande einer Kundgebung von Sicherheitskräften abgeführt. 
 (Bild:  rbb/arte/Evgeny Feldman)
Alexej Nawalny wird am Rande einer Kundgebung von Sicherheitskräften abgeführt. (Bild: rbb/arte/Evgeny Feldman)

Lange Zeit war er wie vom Erdboden verschwunden, dann meldete sich Alexej Nawalny aus einem fernen sibirischen Straflager. Es gehe ihm gut, so hieß es. Dann kam die schreckliche Nachricht von Nawalnys plötzlichem Tod. ARTE zog aus diesem Anlass die Dokumentation "Becoming Nawalny" von Igor Sadreev nun vor. (Nächste Sendung am 20.02., 035 Uhr, und ARTE-Mediathek.)

Die Nachricht verbreitete sich am Freitagnachmittag (16.02.) schnell: Der russische Regierungskritiker Alexej Nawalny ist nach russischen Angaben tot. ARTE zieht aus diesem Anlass die für März vorgesehene Ausstrahlung des Dokumentarfilms "Becoming Nawalny - Putins Staatsfeind Nr. 1" von Igor Sadreev und Aleksandr Urzhanov vor und nimmt ihn am Samstag, 17. Februar um 15.55 Uhr, sowie am 20.02., 0.35 Uhr, ins Programm. Darüber hinaus ist der Film online in der ARTE-Mediathek arte.tv zu sehen.

War dieser Alexej Nawalny, Herausforderer Putins und Kämpfer für die Menschenrechte, ein Held, ein Fatalist, ein Heiliger? Er wurde vergiftet und wäre im Flugzeug 2020 beinahe diesem Mordanschlag erlegen. Er landete durch Putins getreue Helfer immer wieder im Gefängnis und hielt den Weltrekord an Inhaftierungen. Insgesamt wurde er zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.

Zuletzt saß er in einem sibirischen Gulag ein. Aber unterkriegen ließ er sich nicht, grüßte immer wieder seine Freunde und politischen Weggefährten von der von ihm gegründeten Menschenrechtskommission. "Mir geht es gut. Ich bin heilfroh, dass ich endlich angekommen bin", so ließ er nach seinem Wiederauftauchen zuletzt noch aus dem sibirischen Gefängnis wissen.

Wie wurde Nawalny zum schärfsten Gegner Putins? (Bild:  rbb/arte/Evgeny Feldman)
Wie wurde Nawalny zum schärfsten Gegner Putins? (Bild: rbb/arte/Evgeny Feldman)

"Der treueste Anhänger unserer Arbeit, der mich auch vergiften ließ, ist Wladimir Putin"

Die Geschichte, die der Film von Igor Sadreev (Regie) und Aleksandr Urzhanov erzählt, ist nicht neu. Vieles von dem, was hier gezeigt wird, glaubte man bereits zu wissen. Und wenn der Synchronsprecher gleich zu Beginn sagt: "Wer ist Nawalny? - Diese Frage bleibt offen", dann war das berechtigt. Wie will man begreifen, dass einer, nachdem er nach einem 2020 erfolgten Giftanschlag aus dem Koma erwacht ist und von den Ärzten in Berlin gerettet wurde, zurückkehrt nach Moskau, um sich dort gleich wieder gefangen nehmen zu lassen? Einer, der behauptete: "Der treueste Anhänger unserer Arbeit, der mich auch vergiften ließ, ist Wladimir Putin."

Persönliche Interviews mit Nawalny sucht man in diesem Porträt vergebens, es ist eine Ansammlung von informativen Mitschnitten anderer, von Statements und Videos. Nawalny entdeckte für sich und seine Oppositionspolitik die sozialen Medien, er hatte stets Millionen von Followern, sein Aufstieg als Oppositioneller war unmittelbar damit verbunden. Am eindrucksvollsten ist "Becoming Nawalny" denn auch immer dort, wo der Film mitten hineingeht in die Szenerie der Oppositionellen, in die Clubs des Beginns, als bestellte Hooligans die Versammlungen der Menschenrechtler stören und Nawalny gar mit Schüssen aus einer Schreckschusspistole antworten muss. Auch dann, wenn ihn immer wieder die Polizisten abführen und ihm dabei fast "die Knochen brechen", wie er stöhnt, ist die zumindest die Handykamera hautnah dabei.

Auf dem Weg zur Wahlkommission - Alexej Nawalny (Bildmitte) mit seinem Team in Moskau. Er kandidierte als Moskauer Bürgermeister und bekam 30 Prozent der Wählerstimmen. Die Kandidatur zum russischen Präsidenten wurde ihm vom Gericht untersagt. (Bild:  rbb/arte/Evgeny Feldman)
Auf dem Weg zur Wahlkommission - Alexej Nawalny (Bildmitte) mit seinem Team in Moskau. Er kandidierte als Moskauer Bürgermeister und bekam 30 Prozent der Wählerstimmen. Die Kandidatur zum russischen Präsidenten wurde ihm vom Gericht untersagt. (Bild: rbb/arte/Evgeny Feldman)

Kann man Krokodilen vorwerfen, dass sie fressen?

Es gibt im Film allerdings auch einen anderen Nawalny, dessen Familie ursprünglich aus der Ukraine stammt und der sich in seiner Anfangszeit als russischer Nationalist gerierte, dem offenbar jedes Mittel recht war, um mithilfe einer nationalistischen Partei an die Macht zu gelangen. Andererseits nannte er, heimlich getauft, Christus den "größten Politiker der Geschichte".

Er verkeilte sich im Verlauf seines 47-jährigen Lebens immer wieder in Putin, seinen größten Feind. Ohne ihn wäre er womöglich nie Menschenrechtler und Politiker geworden. "Putin ist seine einzige Agenda", sagt ein Zeitzeuge, Europaabgeordneter der Grünen, etwas vorwurfsvoll im Film, und es ist nicht ganz klar, ob er damit die oppositionelle Haltung oder den Kampf um die Menschenwürde meint.

Bei all der Ansammlung historischer Fakten seit Beginn der Schul- und Studienzeit, der Abdankung Jelzins, der anno 2000 Putin die politische Bühne überließ und damit bis zuletzt Nawalnys Zorn über die vertane Freiheitschance Russlands schürte, ist es schmerzlich, dass es kein Gespräch mit dem Menschenrechtler selbst geben kann. Der Autor Sadreev musste, wie er sagt, seine Interviews und Videos in Moskau im Blumenladen einer Freundin verstecken. Er schmuggelte sie in einer Kiste mit sich auf der Flucht nach Berlin, kurz nachdem Russland die Ukraine überfallen hatte, um "endlich Nawalnys Geschichte zu erzählen".

Ist er der demokratische Hoffnungsträger, als den ihn sein engster Kreis präsentiert? - Alexej Nawalny während einer Urteilsverkündung im Sicherungskäfig im Februar 2014. (Bild:  rbb/arte/Evgeny Feldman)
Ist er der demokratische Hoffnungsträger, als den ihn sein engster Kreis präsentiert? - Alexej Nawalny während einer Urteilsverkündung im Sicherungskäfig im Februar 2014. (Bild: rbb/arte/Evgeny Feldman)

Kann man Krokodilen vorwerfen, dass sie fressen?

Schrecklich, dass diese Geschichte auch immer die des Wladimir Putin ist. Fast erdrückend wirken die Bilder, in denen Putin nach gewonnener Wahl mal wieder mit wiegendem Schritt seinen Thronsaal im Kreml betritt, um die Gesetze nach seiner Facon zu verbiegen. Stets schlägt die Glocke vom Turm des Kreml dazu, und die Uhr zeigt auf zwölf.

"Solange Putin im Kreml regiert, kommt er nicht frei", heißt es über Nawalny im Kommentar. - "Wie kann man Krokodilen vorwerfen, dass sie fressen? So sind sie eben", sagt Nawalnys Stiftungssponsor Boris Zimin. Vor dem Hintergrund der aktuellen Nachrichten wirkt vieles, was in diesem Fim zu hören und sehe ist, dann doch in einem ganz anderen Licht. Eine weitere Ausstrahlung der Dokumentation folgt am Dienstag, 12. März, 20.15 Uhr, bei ARTE im Rahmen des Schwerpunkts "Russland wählt - Putin forever?"

Alexej Nawalny wurde von Putin mit immer neuen Gefängnisstrafen überzogen. Nawalny im Warteraum zu einer Gerichtsverhandlung.
 (Bild:  rbb/arte/Evgeny Feldman)
Alexej Nawalny wurde von Putin mit immer neuen Gefängnisstrafen überzogen. Nawalny im Warteraum zu einer Gerichtsverhandlung. (Bild: rbb/arte/Evgeny Feldman)