Mit „Asylspray“ gegen Flüchtlinge

Dänemark und die Rechten - Mit „Asylspray“ gegen Flüchtlinge

Grenz- und Gepäckkontrollen, Abnehmen von Wertsachen, deutlich erschwerte Bedingungen für Aufenthaltsgenehmigungen und Familienzusammenführungen – immer wieder gerät Dänemark wegen seiner äußerst restriktiven Asylpolitik in die Schlagzeilen. Und obwohl das Land im vergangenen Jahr mit gerade einmal 21.000 Flüchtlingen deutlich weniger Menschen als seine beiden Nachbarn Deutschland und Schweden aufgenommen hat, dominiert das Thema weiterhin die Politik.

Viele Dänen haben Angst vor „den Fremden“, wie Migranten von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei bezeichnet werden. Und diese Angst wird derzeit noch durch zwei neue Parteien geschürt. Die Partei „Nye Borgerlige“ (Neue Bürgerliche) hat gerade 20.000 Unterschriften gesammelt, die nötig sind, um an den nächsten Parlamentswahlen teilnehmen zu können. Die Partei gibt sich zwar wirtschaftsliberal, ist aber politisch am äußeren rechten Rand angesiedelt. Die „Danskernes Parti (Partei der Dänen) entstammt sogar der Neo-Nazi-Szene.

Die Partei versucht gerade, 20.000 Unterschriften zu sammeln, um ebenfalls an den nächsten Wahlen teilnehmen zu können. Sie löste diese Woche Entsetzen und Empörung aus, als sie in Hadersleben in der Nähe eines Asylzentrums Haarspray an Frauen verteilte. „Asylspray“ stand auf dem Etikett. Mit dem Spray, so ein Parteisprecher, sollen sich von Asylbewerbern bedrängte Frauen wehren können. Es sei „eine legale Alternative zu Pfefferspray“, sagte der Sprecher. Pfefferspray ist in Nordeuropa strikt verboten.

Auch wenn es gegen solche Aktionen massive Kritik hagelt und Protestaktionen gestartet werden, sind Ressentiments gegenüber Asylbewerbern keine Seltenheit. Besonders profitiert die rechtspopulistische Dänische Volkspartei davon. Sie ist mittlerweile zweitgrößte politische Kraft in Dänemark. Die etablierten Parteien haben auf den Rechtsrutsch im kleinen Königreich reagiert und ihre Flüchtlingspolitik zuletzt immer weiter verschärft.

Erst am Mittwoch dieser Woche erklärte der rechtsliberale Regierungschef Lars Løkke Rasmussen, dass die im Januar eingeführten Grenzkontrollen wohl auch über den 12. November hinaus gelten werden. „Für mich zeichnet es sich ab, dass wir die internen Grenzkontrollen verlängern müssen“, erklärte der Ministerpräsident in Kopenhagen. „Aber das geschieht in Verhandlungen und im Dialog mit anderen europäischen Ländern“.

In diesem Jahr werden nach Schätzungen der Regierung nur rund 10.000 Asylbewerber nach Dänemark kommen. Dennoch schürt vor allem die rechtspopulistische Dänische Volkspartei die Angst vor einer angeblichen Überfremdung. Da Løkke Rasmussens Regierung gerade einmal auf 34 der insgesamt 179 Sitze im dänischen Parlament kommt, braucht sie die Unterstützung der Ausländer- und Europafeindlichen Partei. Und die nutzt seit Langem ihre Position als Mehrheitsbeschafferin aus. So wurden im Februar die schon vorher restriktiven Asylgesetze auf das Betreiben der Dänischen Volkspartei weiter verschärft.


Regeln zur Familienzusammenführung sollen verschärft werden

Seitdem ist es den zuständigen Behörden erlaubt, das Gepäck der Flüchtlinge bei deren Einreise zu kontrollieren, Wertgegenstände und Bargeld ab 10.000 Kronen, das sind etwa 1.340 Euro, dürfen beschlagnahmt werden. Damit solle der Aufenthalt der Flüchtlinge in Dänemark finanziert werden, begründete die Regierung die Maßnahme und verwies darauf, dass auch dänische Sozialhilfeempfänger in dieser Größenordnung zur Kasse gebeten werden. Das zunächst geplante Konfiszieren von Eheringen und anderen persönlichen Wertgegenständen wie Mobiltelefonen ließ die Regierung nach internationalen Protesten fallen.

Die schon im Frühjahr verabschiedeten Regelungen zur Familienzusammenführung sollen jetzt nach dem Willen der Regierung noch einmal verschärft werden: Erst nach elf Jahren sieht der von Løkke Rasmussen vorgestellte „Plan für ein stärkeres Dänemark“ eine Familienzusammenführung vor.

Außerdem soll es eine permanente Aufenthaltsgenehmigung statt nach sechs erst nach acht Jahren geben. Und das auch nur, wenn der Antragsteller in den vergangenen vier Jahren keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen hat. Wer zu einer mindestens einjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, verliert endgültig das Recht auf eine permanente Aufenthaltsgenehmigung. In Krisensituationen sollen Asylbewerber bereits an der Grenze abgewiesen werden können. Außerdem lehnt die Mitte-Rechts-Regierung von Løkke Rasmussen die Aufnahme von 1.500 Quotenflüchtlingen ab.

Schon nach Einführung der schärferen Asylregeln im Frühjahr hagelte es Kritik. Uno-Generalssekretär Ban Ki Moon forderte damals Dänemark auf, Flüchtlinge „mit Mitgefühl, Respekt und mit all ihren Rechten“ zu behandeln. Amnesty International sprach von einem „unmenschlichen Gesetz“.

An der für für Ausländer- und Integrationsfragen zuständigen Ministerin Inger Støjberg prallt die Kritik damals wie heute ab. Sie spricht weiterhin Klartext: „Es soll unattraktiver werden, überhaupt nach Dänemark zu kommen.“ Die Rechtspopulisten treiben die Regierung vor sich hin.

KONTEXT

Rechtspopulistische Parteien in Europa

Ungarn

Die nationalkonservative und rechtspopulistische Fidesz regiert das Land seit 2010 mit absoluter Mehrheit. Ministerpräsident Viktor Orban schränkte trotz Protesten der "Brüsseler Bürokraten" Pressefreiheit und Datenschutz ein. Gegen ankommende Flüchtlinge ließ er die Grenzen mit Zäunen abriegeln.

Polen

Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) regiert seit 2015 in Warschau mit absoluter Mehrheit. Muslime sind ihr und weiten Teilen der Bevölkerung nicht willkommen.

Österreich

Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist nicht erst seit Beginn der Flüchtlingskrise im Aufschwung. "Österreich zuerst" ist ihre Devise. Bei den Landtagswahlen 2015 verzeichnete sie massive Zugewinne. Sie ist an zwei Regierungsbündnissen beteiligt. In Umfragen liegt sie derzeit deutlich vor der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP.

Frankreich

Die rechtsextreme Front National (FN) ist seit Jahrzehnten eine politische Größe. Die Partei um Marine Le Pen bemüht sich um ein bürgerliches Image. Inhaltlich haben sich die Positionen im Vergleich zur Zeit des Parteigründers Jean-Marie Le Pen aber kaum verändert. Bei der Wahl zum Europaparlament 2014 wurde die FN stärkste Kraft im Land. Sozialisten und Republikaner lehnen eine Zusammenarbeit bisher ab.

Italien

Schon seit Ende der 80er Jahre gibt es die rechtspopulistische Lega Nord. Bei den Wahlen 2013 knackte die europafeindliche Partei nur ganz knapp die Vier-Prozent-Hürde. Seit ihr Chef Matteo Salvini in der Flüchtlingskrise eine immer fremdenfeindlichere Ausrichtung vorangetrieben hat, steigen die Umfragewerte der Partei wieder.

Niederlande

Die Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders sitzt seit zehn Jahren im Parlament. Hauptthema ist eine scharfe Islam-Kritik. Seit 2012 ein Tolerierungsabkommen zwischen Christdemokraten, Rechtsliberalen und PVV zerbrach, schließen fast alle Parteien eine Zusammenarbeit mit Wilders aus.

Großbritannien

Die UK Independence Party (UKIP) hat mit dem Brexit-Votum beim britischen EU-Referendum ihr Ziel erreicht. Seit Parteichef Nigel Farage zurückgetreten ist, herrscht in der Partei allerdings Chaos.

Schweden

Die Schwedendemokraten (SD) geben sich national-gesinnt und eurokritisch. Bei der Reichstagswahl 2014 kamen sie auf fast 13 Prozent der Stimmen. Die anderen Parteien lehnen eine Zusammenarbeit mit der rechten Partei ab.

Schweiz

Die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die von der AfD als ein Vorbild angesehen wird, ist seit Jahren die wählerstärkste Partei. Mit einem Programm zur Verschärfung des Asylrechts und zur Abgrenzung von der EU kam sie 2015 mit 29,4 Prozent auf ihr bislang bestes Ergebnis. Die SVP ist seit langem in der Regierung vertreten. In der Schweiz ist es üblich, dass die vier wählerstärksten Parteien die siebenköpfige Regierung bilden.

Dänemark

Die Dansk Folkeparti (DF) ist ein akzeptierter Teil des Parteienspektrums. Die strenge Asylpolitik Dänemarks trägt die Handschrift der Rechtspopulisten. Obwohl die DF bei der Wahl im Juni 2015 stärkste bürgerliche Kraft wurde, lehnte sie eine Regierungsbeteiligung ab. In Norwegen dagegen regiert die einwanderungskritische Fortschrittspartei mit, in Finnland die rechtspopulistische Partei Die Finnen.

KONTEXT

Positionen der Länder in der Flüchtlingskrise

Österreich

Die Zeit der Willkommenskultur ist vorbei. Verschärfungen der Asylgesetze sind geplant. Eine Verordnung zur Zurückweisung von Asylbewerbern direkt an der Grenze könnte kommen, sollte eine Obergrenze von 37 500 Flüchtlingen in diesem Jahr überschritten werden. Bis Ende August waren über 26 400 Menschen zum Asylverfahren zugelassen.

Deutschland

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach den Wochen der Öffnung vor einem Jahr längst einen Kurswechsel vollzogen. Verschärfte Asylgesetze, leichtere Abschiebungen, vor allem aber das Abkommen der EU mit der Türkei sollen den Flüchtlingszuzug bremsen. Nur das Wort "Obergrenze", das die CSU von ihr fordert, wird sie nicht formulieren. Auf europäischer Ebene weiß Merkel, dass die feste Quote zur Verteilung von Flüchtlingen gescheitert ist. Schwerpunkt ist jetzt die Sicherung der Außengrenzen.

Griechenland

Seit Inkrafttreten des Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei kommen nur noch wenige Flüchtlinge illegal von der Türkei nach Griechenland. Doch die Angst, dass der Pakt nicht standhält und der Zustrom wieder anschwillt, ist groß. Außerdem kritisiert die linke Regierung in Athen, dass die anderen EU-Länder trotz der vereinbarten Umsiedlung von rund 30 000 Flüchtlingen bisher nur wenige Tausend Menschen übernommen haben.

Ungarn

Der rechts-konservative Ministerpräsident Viktor Orban praktiziert schon seit dem Herbst 2015 eine Politik der Abschottung. An Ungarns Grenzen zu Serbien und Kroatien stehen stacheldrahtbewehrte Zäune. Budapest lehnt auch EU-Quoten zur faireren Verteilung von Asylbewerbern ab. Am 2. Oktober will Orban diese Ablehnungshaltung durch eine Volksabstimmung bestätigen lassen.

Rumänien

Das Land vertritt eine ähnliche Position wie Ungarn, nur in gemäßigterem Ton. Eine Verteilung der Flüchtlinge per Quote lehnt es ab, obwohl es bisher kaum betroffen war.

Slowenien

Die Regierung hat wiederholt vor einem neuen Ansturm gewarnt und will auf keinen Fall erneut Migranten nach Österreich durchschleusen. Das Land hat bereits einen Zaun zu Kroatien.

Serbien

Kritischer wird die Lage in Serbien, wo geschätzte 5000 Migranten festsitzen. Trotz gemeinsamer Militär- und Polizeipatrouillen kommen immer neue Flüchtlinge.

Mazedonien

In Mazedonien spielt nach fast zweijähriger tiefer politischer Krise und den bevorstehenden vorzeitigen Parlamentswahlen im Dezember das Flüchtlingsthema keine große Rolle. Der Grenzzaun zu Griechenland hält größere Menschenmengen ab.

Kroatien

Bisher hat sich Kroatien ausschließlich als Transitland verstanden, deshalb steht die Problematik nicht auf der Tagesordnung.

Albanien

Sehr wenig von der Krise betroffen ist auch Albanien. Deshalb ist die Situation der Flüchtlinge kaum ein Thema.

Bulgarien

Die Aufnahmezentren sind laut Regierungsangaben voll. Bulgarien versteht sich als Transitland und will es auch bleiben. Seit Jahresbeginn wurden gut 13.000 Flüchtlinge registriert, über die Hälfte ist weiter gezogen.