"Wenn ich meine Augen zumache, sehe ich immer die Explosionen"

Viktoria hatte sich mit ihrem Sohn ins Theater geflüchtet, als die Bomben auch dort einschlugen. Ihren Jungen quälen die Bilder von Leichen und Zerstörung noch immer. (Bild: ARD/SWR/Robin Barnwell)
Viktoria hatte sich mit ihrem Sohn ins Theater geflüchtet, als die Bomben auch dort einschlugen. Ihren Jungen quälen die Bilder von Leichen und Zerstörung noch immer. (Bild: ARD/SWR/Robin Barnwell)

Der Dokumentarfilm, den das Erste jetzt kurz nach der ARTE-Erstausstrahlung zeigt, erzählt von den Einwohnern der einst blühenden Metropole, die nun eine Ruinenstadt ist. Es geht um schockierende Schicksale und Geschichten von Tapferkeit, Entschlossenheit und Widerstandskraft.

Es ist die Geschichte einer Stadt, die zum Symbol für die Verheerungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde: Robin Barnwells Dokumentarfilm "Die Überlebenden von Mariupol", der am Montag, 27. Februar, 23.35 Uhr, wenige Tage nach der deutschen Erstausstrahlung auf ARTE in voller Länge auch im Ersten zu sehen ist, erzählt von den tapferen Bewohnern einer Metropole von einst mehr als 400.000 Einwohnern, die als besonders modern und europäisch galt.

Es sind Bilder, die ein kleiner Junge nie gesehen haben sollte. Und dennoch ist es die Realität des schockierenden Kriegs: Mit einer Erzählung von Viktoria und ihren kleinen Kindern setzt der beklemmende Film ein und gibt damit gleich den Generalbass vor. Sie hatte sich während des Bombenhagels in das später schwer getroffene Theater geflüchtet. Wie durch ein Wunder überlebte die kleine Familie, die Oma aber starb. Viktorias Sohn wirkt schwer traumatisiert, als er beim Spielen mit seiner kleinen Schwester gefilmt wird. "Plötzlich habe ich so einen Krach gehört", erzählt das Kind. "Dann mussten wir über tote Leute drüberrennen", sagt er. "Das kann ich nicht mehr vergessen. Wenn ich meine Augen zumache, sehe ich immer die Explosionen." Worte, die sich tief einbrennen - und ein leerer, trauriger Blick, den man nicht vergisst.

Seit dem Bombenhagel auf Mariupol, der im Februar 2022 einsetzte und der auch Wohngebäude, Krankenhäuser und das zu trauriger Weltberühmtheit gelangte Theater der Stadt traf, ist Mariupol eine trostlose Ruinenregion. Nach Schätzungen ukrainischer Stellen wurden bei den Angriffen dort bislang rund 25.000 Menschen getötet.

TV-Moderatorin Alevtina konnte sich und ihre Kinder nur knapp vor einem Bombeneinschlag retten. (Bild: ARTE/SWR/Robin Barnwell)
TV-Moderatorin Alevtina konnte sich und ihre Kinder nur knapp vor einem Bombeneinschlag retten. (Bild: ARTE/SWR/Robin Barnwell)

Mit Handy-Kameras in Bunker und Tunnel geleuchtet

Flucht ins Stadttheater und ins umkämpfte Stahlwerk: Die britische Produktion von Regisseur Barnwell dreht die Zeit, die mittlerweile wie eine bleierne Ewigkeit wirkt, noch einmal um zwölf Monate zurück und rollt die dramatischen Kämpfe um Mariupol von Kriegsbeginn bis zur Übernahme durch russische Truppen auf. Dabei nimmt der Beitrag die Perspektive von verängstigten, aber auch mutig entschlossenen Menschen ein, die in Bunkern und Kellern um ihr Überleben kämpfen. Viele Bilder des Beitrags basieren auf Smartphone-Aufnahmen.

So lernt man unter anderem den Schauspieler Sergey kennen, der selbst den Bombenhagel auf das Theater miterlebte. Dort hatten rund 1.200 Menschen Schutz gesucht. Oder die Lehrerin Hanna, die zusammen mit ihrem kleinen Sohn aus dem Bunker des belagerten Asow-Stahlwerks befreit wurde. Ihr Mann blieb dort zurück und hielt lange eine umkämpfte Stellung, bis er schließlich in russische Gefangenschaft geriet.

Die einst blühende Stadt besteht nun aus vielen Ruinen. (Bild: ARD/SWR/Evginy Sosnovsky)
Die einst blühende Stadt besteht nun aus vielen Ruinen. (Bild: ARD/SWR/Evginy Sosnovsky)