Augstein bei Lanz: “Wir schaffen die Flüchtlinge, über die wir uns ärgern“

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Wie bringt man(n), besser gesagt Lanz und Redaktion, Themen wie Globalisierungskritik, Politik zwischen linkem und rechtem Lager, gewissenhafte Ernährung und Aussteigerträume in nur einer Sendung unter? Man lädt einen Philosophen, eine Autorin, zwei Journalisten und ein Abenteurer-Paar zu sich ein und hofft, in 75 Minuten aus deren Potpourri an Erzählungen und Meinungen eine aufschlussreiche – oder zumindest halbwegs unterhaltsame – Diskussion zaubern zu können.

Mit Nikolaus Blome, stellvertretendem Chefredakteur der BILD, und Jakob Augstein, Verleger und Chefredakteur der Wochenzeitung Der Freitag, treffen zwei Journalisten aufeinander, die sich Lanz zufolge nicht zuletzt aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Gesinnung “so lustvoll ineinander verbeißen“, wie ein Ehepaar kurz vor der Scheidung. Die Tatsache, dass sich die beiden Herren gerne gegenseitig beschimpfen und schon mal ein „Sie Idiot“ fallen lassen, hielt sie offenbar nicht davon ab, gemeinsam ein Buch zu schreiben. Vielmehr waren es genau ihre oft gänzlich verschiedenen Positionen, die sie dazu veranlassten. Denn “eine Gesellschaft braucht Streit” und die Auseinandersetzung, ist Augstein überzeugt. Vor allem in einer Zeit, in der die Volksparteien sich ihmzufolge mehr und mehr gleichen.

Passenderweise trägt dann das gemeinsame Werk schlicht den Titel „Links oder Rechts?“. Einen Vorgeschmack darauf geben Blome und Augstein bei Lanz: Blome hält die Mitte in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern für stabil. Er negiert einen Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Globalisierung und dem Flüchtlingsstrom. Ganz im Gegensatz zu Augstein: “Globalisierung ist menschengemacht. Aber offensichtlich ist sie falsch gesteuert”, betont Augstein. “Es ist eine Globalisierung von Ungerechtigkeit und Ausbeutung.” Der Westen müsse damit aufhören, Kriege anzuzetteln, die Länder wie Afghanistan und den Irak für viele unbewohnbar machen. Blome wehrt ab. Die Schuld immer wieder bei den USA zu suchen, das greife zu kurz. Die Amerikaner seien von ihren Kriegen “geheilt”, lautet seine wenig überzeugende Aussage.

“Wir schaffen Krieg”

Der Schlagabtausch von Blome und Augstein wirkt letztendlich seltsam einstudiert. Vor allem Blome inszeniert sich dabei selbst, was jedoch nicht besonders gut bei dem Publikum ankommt. Sein Partner Augstein hat die Lacher auf seiner Seite. Und den Applaus, etwa wenn er erklärt: “Wir gehören zu den größten Rüstungsexporteuren. Wir schaffen Krieg. Wir schaffen die Flüchtlinge, über die wir uns dann ärgern.“

Auch dem sehr medienaffinen Philosophen und Schriftsteller Richard David Precht dürfte das Wort Selbstinszenierung nicht gerade fremd sein. Er versucht sich etwas verzweifelt an der Aufgabe des Moderators, eine Verbindungen zwischen den in die Runde geworfenen Themen zu schaffen und illustriert die Verbindung zwischen dem westlichen Konsumverhalten und dem “Elend der Dritten Welt“. Das Freihandelsabkommen und die Abschaffung der Massentierhaltung, so Precht, würden weitere globale Katastrophen verhindern. Doch interessierter ist Lanz an der Frage, ob Hunde oder Schweine uns genetisch näher sind, – was dann allerdings schnell in eine absurde Richtung abschweift, wenn es um die Abstammung des Menschen von Kohlrabi und die 50-prozentige genetische Übereinstimmung mit der Banane geht.

Angenehm bescheiden und am wenigsten auf Selbstinszenierung bedacht wirken die beiden Aussteiger, Doreen Kröber und Andreas Zmuda. Bilder ihrer Weltreise mit einem Ultraleichtflugzeug schaffen einen ruhigen, wenn auch etwas in die Länge gezogenen Einstieg in die Sendung. Aus der politischen Diskussion klinken sie sich lieber aus. Verständlich. Prechts Zukunftsprognose von gengezüchteten Buletten aus Nackenzellen vom Rind und die nüchterne Aussicht auf Clinton oder Trump können in der Tat einen Fluchtreflex auslösen. Am Ende bleibt darum die Frage, ob wir statt politischen Einheitsbrei zu ertragen, nicht einfach unseren Job kündigen sollten, um mit einem Ultraleichtflugzeug die Welt zu bereisen. (mb)

Foto: Screenshot/ZDF