Bären-Rennen: „The Roads Not Taken“

Kaum lässt die gerade mal 20-jährige Molly (Elle Fanning) ihren Leo aus den Augen, schon ist er verschwunden. Panisch eilt sie durch das Outlet-Center. Dann entdeckt sie den Ausreißer. Er wiegt einen Hund im Arm, der ihn an seinen eigenen erinnert. Das klingt wie eine alltägliche Geschichte zwischen Mutter und Sohn. Leo wird allerdings von Javier Bardem gespielt, es handelt sich also um eine Tochter und einen Vater, dem es „gerade nicht so gut geht.“

Dass der etwa 50-Jährige Anzeichen einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung aufweist, wird nicht ausgesprochen. Das Unausgesprochene, mehr noch das Ungelebte, also jene Abzweigungen, die man ihm Leben nicht genommen hat, sind zentrale Themen von Sally Potters neuem Film „The Roads Not Taken“.

Leos Schlafzimmer geht direkt zur Hochbahn raus. Manchmal wird das einzige Fester komplett von dem vorbeifahrenden Zug ausgefüllt. Je nach Perspektive scheint sich dann das Zimmer an der Bahn vorbei zu bewegen, ein schönes Bild für eine Welt, in der nichts mehr so läuft, wie gewohnt.

Wenn Leo einen Stift zur Hand nimmt, bleibt das Blatt leer. Vor sich hindämmernd formuliert er nur noch Stichworte, Namen und Orte, Erinnerungsfetzen aus der Vergangenheit, die dann als Flashbacks auch mit dem Publikum geteilt werden. „Dolores“ (Salma Hayek) entpuppt sich als Schmerzensfrau und große Liebe. „Griechenland“ steht für dem Ort, wo das Raubtier Leo sich in Rita (Laura Linney) verbiss.

Lauter mythologische Anspielungen

Leos Hund hieß übrigens Nestor, wie d...

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