Bayerischer Verfassungsschutzbericht: Innenminister Herrmann warnt vor Extremismus

Die extremistischen Szenen bleiben in Bayern gefährlich. "Es gibt keine Entwarnung, im Gegenteil", erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2023. (Christof STACHE)
Die extremistischen Szenen bleiben in Bayern gefährlich. "Es gibt keine Entwarnung, im Gegenteil", erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2023. (Christof STACHE)

Die extremistischen Szenen bleiben in Bayern gefährlich. "Es gibt keine Entwarnung, im Gegenteil", erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Montag in München bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2023. Das rechtsextremistische Personenpotenzial stieg dem Bericht zufolge an. Auch seien mehr Reichsbürger identifiziert worden. Die Zahl linksextremistischer Straftaten nahm zu.

"Extremisten jeglicher Couleur haben ihre Bemühungen verstärkt, die Gesellschaft zu spalten und den politischen Diskurs mit ihren Positionen zu unterwandern", erklärte Herrmann weiter. Gerade bei "Demonstrationen der bürgerlichen Mitte" zum Klimawandel, zur Zukunft der Landwirtschaft oder zum Nahostkonflikt mischten sie sich "als Trittbrettfahrer unter die Menschen, um ihre eigene extremistische Agenda voranzubringen".

Außerdem werde der Antisemitismus stärker. In fast allen extremistischen Szenen werde durch "Scharfmacher" gegen Israel gehetzt, so Herrmann. Der Hass auf Israel und jüdische Mitmenschen vereine ideologisch extremistische Akteure aus unterschiedlichen, größtenteils verfeindeten Spektren. Als Beispiele nannte Herrmann "säkulare palästinensische Extremisten und türkische Links- und Rechtsextremisten".

In der islamistischen Szene wirke der Nahostkonflikt "wie ein Brandbeschleuniger"; islamistische Gruppen instrumentalisierten ihn und stellten Muslime weltweit als Opfer dar. Der IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Chorasan rufe verstärkt zu Anschlägen auch in Europa auf. Herrmann kündigte an, auch mit Blick auf die anstehende Fußballeuropameisterschaft "sehr wachsam" zu sein.

Das rechtsextremistische Personenpotenzial in Bayern stieg den Angaben nach von 2590 im Jahr 2022 auf 2725 im Jahr 2023. Das sei vor allem eine Folge der deutlichen Steigerung der Mitgliederzahlen der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative, erklärte Herrmann.

Dem Bundesamt für Verfassungsschutz zufolge setzt sich das rechtsextremistische Potenzial zusammen aus Parteien, parteiunabhängigen beziehungsweise parteiungebundenen Strukturen und einer weitgehend unstrukturierten Gruppe von Rechtsextremisten, die keiner Organisation angehören.

In Bayern sank die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten laut Bericht im Jahr 2023 auf 476, was einen Rückgang von fast 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. 2022 wurden im Freistaat noch 787 rechtsextreme Straftaten registriert. Die Gewalttaten hätten sich allerdings im Vergleich zu 2022 fast verdoppelt auf nunmehr 52, teilte Herrmann mit.

Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes bestätigten, dass sich verfassungsfeindliche Tendenzen innerhalb der AfD weiter ausbreiteten. Auch habe die Vernetzung der Partei in das extremistische "Vorfeld" im vergangenen Jahr qualitativ und quantitativ zugenommen.

Einen neuen Höchststand gab es bei der Zahl der Reichsbürger. 5406 Menschen seien in Bayern 2023 als Reichsbürger identifiziert worden, hieß es. Auch das gewaltorientierte Personenpotenzial sei hier auf 500 angestiegen.

Das Personenpotenzial der linksextremistischen Szene sei in Bayern mit 3260 relativ stabil geblieben. Bei den gewaltorientierten Linksextremisten sei ein leichter Rückgang von 880 auf 840 zu verzeichnen. Die linksextremistischen Straftaten stiegen den Angaben zufolge aber auf 378, im Vorjahr seien es noch 364 gewesen. Die Gewaltdelikte hätten dabei um rund 17 Prozent auf 49 Taten zugenommen, erklärte Herrmann.

Die deutsche linksextremistische Szene vertrete überwiegend propalästinensische Positionen. Dies gehe bis zur Verharmlosung oder Leugnung der Hamas-Gewalt. Als "besorgniserregend" bezeichnete Herrmann Versuche von Beeinflussung an Universitäten, mit denen durch Anfeindungen proisraelische Meinungen unterdrückt werden sollten.

"Extremisten haben an einem Auseinanderdriften der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen und einer schwindenden Akzeptanz der Demokratie ein großes Interesse", erklärte Herrmann. Es bringe sie "ihrem Ziel näher, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat zu zerstören".

smb/cfm