Bei der Sendung "Markus Lanz" offenbart sich die Doppelmoral zu Alkohol

Oktoberfest, Bier, Politik: Was soll man von der Lanz-Diskussion mit CSU-Generalsekretär Martin Huber halten?

Was ist da drin? Eine Szene aus dem Aschermittwoch der CSU im Februar in Passau (Bild: REUTERS/Leonhard Simon)
Was ist da drin? Eine Szene aus dem Aschermittwoch der CSU im Februar in Passau (Bild: REUTERS/Leonhard Simon)

Gegen die Legalisierung von Cannabis laufen die Unionsparteien Sturm. Wie aber halten wir es mit erlaubten Drogen – wie etwa mit dem Alkohol? In der Talksendung „Markus Lanz“ eierte sich da ein wichtiger CSU-Politiker ins Abseits.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ohne Widersprüche ist das Leben kein Leben. Wer es nicht schafft, Fünfe auch mal gerade sein zu lassen, übersieht die Grautöne im Alltag. Es gibt eben nicht nur Schwarz und Weiß. Und spätestens da sind wir bei den Drogen.

Klar, auf der einen Seite versüßen sie uns den Trott von 24/7, sorgen für Entspannung und Geselligkeit. Sie schweißen zusammen, lassen einen Sorgen für einen Moment vergessen und bieten selten, sehr selten, einen kreativen Blick auf bisher Unerkanntes.

Doch. Da sind die Nebenwirkungen. Drogen schaffen Abhängigkeiten, Körper und Geist ketten sich an einen Stoff. Und gesundheitsschädlich ist das Zeug auch, es handelt sich ja nicht um zuckerfreie Drops.

Zwischen diesen beiden Extremen ist ein Weg zu finden, und den versuchte die jüngste Sendung „Markus Lanz“ auszuloten. Der Hintergrund: Die beschlossene Legalisierung von Cannabis, gegen die es weite Proteste und Zustimmung zugleich gibt. Die Show nahm dies zum Anlass, auch über unseren Umgang mit anderen Drogen zu sprechen – und da wurde es hektisch.

Geladen war nämlich unter anderem CSU-Generalsekretär Martin Huber. Seine Partei lebt stark von Symbolen. Eines ist der Bierkrug. Der gehört zum Freistaat Bayern bei der Bildsprache dazu. Da fragte Moderator Markus Lanz den Bayern gleich nach dem Oktoberfest. „Das Oktoberfest ist, wie viele andere Volksfeste auch, in Bayern gelebte Tradition und Ausdruck einer gewissen Lebensfreude“, orakelte Huber. Und fügte noch hinzu: „Natürlich ist Alkohol auch eine Herausforderung.“

Damit hat Huber ja recht. Aber er erzählt nicht die ganze Geschichte. Und die des Oktoberfestes als Symbol für Alkoholkonsum ist neben der Gaudi eine des Besaufens, des Übergriffs, der Gewalt, der Leberschäden und vielem Ekligen mehr.

Wir können auch anders

Geladen war auch eine Journalistin, die von ihrer Alkoholsucht erzählte, die sie erfolgreich niedergekämpft hatte. Huber lasse sich in Bierzelten mit einer ganz anderen Botschaft fotografieren, sagte Nathalie Stüben. „Sie sagen, Sie wollen es nicht verharmlosen und sitzen da mit einem Bier und halten das in die Kamera“. Und: „Das ist doch Verharmlosung pur. Sie sind da Testimonial für Brauer.“

Huber blieb die Entgegnung, er trinke „bei solchen Anlässen“ alkoholfreies Bier. Was man natürlich nicht sieht. Huber transportiert im BIER-Zelt eine klare Botschaft. Er trinkt ja nicht demonstrativ eine Cola oder einen Tee. Nein, er betrügt in der Bildsprache, weil er sie bedienen will. Hubers Wanderung über heiße Kohlen führte ihn dann zu einer Äußerung, die wohl kräftig klingen soll, aber als Binse nur noch cringe rüberkam: „Ich lasse mir jetzt auch nicht als Bayer bayerische Volksfeste, bayerische Tradition und bayerische Lebensfreude hier kaputt- und schlechtreden.“

Ach nee. Darum ging es nämlich nicht. Was die Journalisten forderte, war ein Bewusstseinswandel bei einer Droge. Ihr ging es nicht ums Verbot, nicht um ein Ende bayerischer, brandenburgischer oder badischer Volksfeste. Es ging darum, sich klar zu machen, was man macht.

Hier die Fakten: Das Deutsche Krebsforschungszentrum beziffert in seiner Schätzung, dass in Deutschland jedes Jahr mehr als 40.000 Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum sterben. Und das Bundesgesundheitsministerium errechnet den volkswirtschaftlichen Schaden durch Alkohol auf jährliche 57 Milliarden Euro. Das muss man erstmal schaffen und weghauen.

Hinschauen statt wegschauen

Geht aber ganz schnell. Ja, Alkohol ist eine anerkannte Droge. Das Fiese an ihr ist, dass sie sich unbemerkt festsetzen kann, ihren Konsum langsam steigern lässt und so zum Alltag wird. Man verliert stückweise Kontrolle über das eigene Leben und schädigt den Körper krasser, als man denkt. Und dann ist die Diagnose plötzlich da.

Alkohol wird nie verschwinden. Und nur, weil wir seinen Konsum erlauben, müssen andere Drogen wie Cannabis nicht auch gleich legalisiert werden. Jedes Rauschmittel ist differenziert zu betrachten. Aber bei Alkohol, und das demonstrierte der CSU-Huber eindrücklich, schauen wir eher weg.

Das ist kein guter Weg. Mehr Ächtung sollte her. Mehr Plädoyer für maßvolles Trinken – wenn schon. Und auch über die Preise ließe sich nachdenken. Eine Flasche Bier, die im Supermarkt fünf Euro kostet, leert man langsamer. Wir müssen insgesamt anders und mehr über Alkohol nachdenken. Da wird es immer Platz für ihn geben. Aber plakative Sorglosigkeit ist fehl am Platz.