Benno Fürmann: Deshalb darf man über Neonazis lachen

"Heil": Johnny (Jacob Matschenz), Sebastian Klein (Jerry Hoffmann), Sven Stanislawski (Benno Fürmann) und Kalle Schulze (Daniel Zillmann)

Willkommen in Prittwitz! Während seiner Lesereise durch die ostdeutsche Provinz wird der gefeierte afrodeutsche Autor Sebastian Klein (Jerry Hoffmann) von den ortsansässigen Neonazis standesgemäß begrüßt: mit einem Schlag auf den Kopf. Von da an plappert Sebastian alles nach, was er hört. Auch fühlt er sich plötzlich bei den rechten Kameraden und ihrem Anführer Sven (Benno Fürmann) sehr wohl. Gemeinsam tingeln sie nun durch Talkshows, wo Sebastian die Parolen schwingt, die Sven ihm einflüstert... Soweit der Plot. Die Nachrichtenagentur spot on news hat bei Schauspieler Benno Fürmann (43, "Der blinde Fleck") nachgefragt, ob man über Neonazis, Ausländerfeindlichkeit und dergleichen ernste Themen lachen darf, warum die Geschichte im Osten spielt und was an dem Filmzitat "Nazi-Sein ist im Kern ein sexuelles Frustproblem" dran ist.

Welches Feedback haben Sie bisher zum Film bekommen?

Benno Fürmann: "Heil" hat auf dem Filmfest München Premiere gefeiert und danach waren wir auf dem Internationalen Filmfest Karlovy Vary in Tschechien. Zu meiner großen Freude wurde der Film international genauso bejubelt wie national. In beiden Städten gab es sogar Szenenapplaus. Das war sehr schön.

Wie erklären Sie sich das?

Fürmann: Wir erzählen von einem Phänomen, das kein rein deutsches ist. Dass rechte Gesinnung in sozial schwierigen Zeiten erstarkt, kann man ja auch in anderen Ländern beobachten.

Darf man über Neonazis, Ausländerfeindlichkeit und dergleichen lachen?

Fürmann: Je schwieriger eine Situation ist, desto mehr hilft es, mal von außen draufzugucken und darüber zu lachen. Das befreit ungemein. Das versuchen wir auch mit diesem Film, was aber nicht heißen soll, dass wir das Problem des Neo-Faschismus nicht ernst nehmen. Keiner von uns findet es lustig, wie gegen Migranten gewettert wird. Durch die schrille, satirische und karikierende Überhöhung wollen wir gewisse Gegebenheiten einfach verdeutlichen.

Erreicht man auf dem Vehikel der Komödie eine andere Zielgruppe als mit einer Doku?

Fürmann: Das würde ich mir wünschen. Im rein dokumentarischen Stil hat man es oft mit einer gewissen Geschichtsmüdigkeit zu tun. Nichts desto trotz ist der Umgang mit dieser Zeit gerade in unserem Land wichtig. Das Erinnern darf aber nicht zu einem rein schulischen Alles-war-schlimm-damals verkommen, es muss lebendig bleiben.

Im Westen gibt es ja auch eine große Neonazi-Szene. Warum spielt der Film im Osten?

Fürmann: Das stimmt, die gibt es überall. Diese Neonazi-Szenen haben aber andere Ursprünge. Der Film ist im Osten angesiedelt, zum einen weil wir alle in Berlin leben. Und da, wo man lebt, bekommt man am meisten mit. Und hier ist es definitiv ein Thema. Ich habe ein Kind mit einer Deutsch-Nigerianerin, mein Schwager ist Perser und wir führen regelmäßig Gespräche beispielsweise darüber, wohin man sonntags mal einen Ausflug machen könnte. Es gibt Orte, an denen die Haarfarbe einen Unterschied macht.

Wie erklären Sie sich das?

Fürmann: Die jungen Menschen, die nicht aus dem Osten wegziehen, finden dort den perfekten Nährboden für faschistische Ideen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Frustration ebenso. Vor allem auch, weil sich die Menschen dort eher draußen fühlen als drinnen. Und da kommen dann die Rechten mit ihren markigen Sprüchen, die vermeintlich einfache Antworten auf komplizierte Fragen bieten. Dass dabei etwas nicht stimmen kann, weiß jeder halbwegs intelligente Mensch, und trotzdem haben sie Erfolg. Ein Flüchtling kann aber nichts dafür, dass die soziale Ungerechtigkeit in Deutschland und der Welt so hoch ist. Das wird gerne mal verwechselt.

Was halten Sie von dem Spruch: "Nazi-Sein ist im Kern ein sexuelles Frustproblem"?

Fürmann: Natürlich kann man Neonazis nicht per se sexuelle Probleme unterstellen, das Thema Frust ist aber sehr wohl die Wahrheit, die dahinter steckt. Ein Mensch, der mit sich im Lot ist, ein offenes Herz hat, sich geliebt und als Teil der Gesellschaft fühlt, wird diese Masse an Hass nicht aufbringen können, die nötig ist, um jemanden anzupöbeln oder zu schlagen, nur weil er eine andere Hautfarbe hat.

Wie haben Sie das Film-Projekt beim Dreh vor Neonazi-Anfeindungen geschützt?

Fürmann: Wir haben relativ wenig Aufhebens darum gemacht, was wir drehen und wo. Der Arbeitstitel war nicht "Heil", um eventuelle Fans des Wortes, die das falsch verstehen, nicht anzulocken. Wir haben den Arbeitstitel "Jesus in Brandenburg" gewählt.