Beruf: Hexe - Verkleidet gibt man sich anders

Martina Spier gibt eine Hexe. Foto: Jens Wolf

Martina Spier ist Hexe. Die Mitarbeiterin der Tourist-Information des kleinen Städtchens Thale im Harz verwandelt sich seit den 90er-Jahren immer wieder in eine frivole Alte mit Hakennase und Besen.

Das Jahr über führt sie Reisegruppen durch das Bodetal, gibt ihnen auf dem Weg durch die Berge Hexengesöff, Besenhiebe und einen Einblick in alte Mythen. Wie ihr Berufsalltag aussieht, sagt Martina Spier im Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Frage: Beruf Hexe - eher ungewöhnlich, oder? Gibt es da eigentlich einen vorgeschriebenen Dresscode?

Antwort: Ich ziehe mich wie eine typische Hexe an. Ich habe ein Kleid mit Flammen, eine Perücke, eine Hexennase und Handschuhe. Vor den Touren durch das Bodetal schminke ich mich, hol meinen Besen und meinen Hut. Dann kann es losgehen.

Frage: Sie bestätigen also jedes Klischee?

Antwort: Nein, ich bin nicht so erotisch wie eine typische Hexe (lacht). Die Männer denken ja oft, dass eine Hexe erotisch sein muss. Ich denke mir aber, dass eine Hexe vor allem etwas Mystisches an sich haben muss, etwas Ausgefallenes. Ich bin auch immer ein ganz kleines bisschen frech-frivol. Die Leute erwarten das von einer Hexe - und ich lebe das in dem Moment auch. Denn wenn man verkleidet ist, dann gibt man sich auch anders. Dann hat man andere Sprüche. Zum Beispiel sag ich, gewürzt mit Goethes Sprache: «Ach, ein schicker Hexenbesen, du musst drauf - es folgt der ganze Hexenhauf'». Und wenn ein Mann darauf sitzt, sag ich: «Hach, so einen Steifen wie dich hatte ich ja schon lange nicht». Das wollen die hören - und natürlich etwas über das Bodetal, aber nur keine Jahreszahlen!

Frage: Wie sind Sie denn zu dem Beruf gekommen?

Antwort: Das kam aus den touristischen Entwicklungen in der Region heraus. Ich hatte bereits hier gearbeitet. Als das Label vom Mythenharz aufkam, mussten wir das Klischee auch bedienen. Wir überlegten uns Führungen - zuerst mit dem Teufel, später mit den Hexen. Ich hatte nur eine kurze Zeit, um mich damit zu beschäftigen. Ich holte damals eine Apothekerzeitung, um etwas über Kräuter zu lernen. Danach fing ich mit öffentlichen Führungen an, dann betreute ich Reisegruppen. Irgendwann konnte ich den riesigen Andrang nicht mehr bewältigen. Mittlerweile gibt es vier Hexen. Aber die zu finden, ist nicht einfach.

Frage: Wieso? Das klingt doch nach viel Spaß.

Antwort: Das stimmt. Die Leute finden das alle gut, aber sich selbst zu verkleiden und das Naturell zu haben, um auf die Menschen zuzugehen, hat nicht jeder. Wir sprechen sogar manchmal Frauen an, ob sie nicht Hexe sein wollen. Aber entweder haben sie keine Zeit oder nicht den Schneid.

ZUR PERSON: Martina Spier ist Mitarbeiterin in der Tourist-Information Thale im Harz. Seit den 1990er Jahren verkleidet sie sich als Hexe, um Touristen durch das Bodetal zu führen. An den Tagen vor der Walpurgisnacht am 30. April ist Hochsaison für sie und ihre drei Hexen-Kolleginnen.

Führungen im Bodetal