Historisches Votum: VW-Beschäftigte in Tennessee stimmen für Gewerkschaftsbeitritt

Historischer Sieg für die Gewerkschaft Union Auto Workers (UAW) im US-Südstaat Tennessee: Die Beschäftigten des Volkswagen-Werks in Chattanooga haben sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, sich von der Gewerkschaft vertreten zu lassen. (Elijah NOUVELAGE)
Historischer Sieg für die Gewerkschaft Union Auto Workers (UAW) im US-Südstaat Tennessee: Die Beschäftigten des Volkswagen-Werks in Chattanooga haben sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, sich von der Gewerkschaft vertreten zu lassen. (Elijah NOUVELAGE)

Historischer Sieg für die Gewerkschaft Union Auto Workers (UAW) im US-Südstaat Tennessee: Die Beschäftigten des Volkswagen-Werks in Chattanooga haben sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, sich von der Gewerkschaft vertreten zu lassen. Die Zustimmung unter den 5500 Beschäftigten lag nach Angaben von Volkswagen vom Freitag bei 73 Prozent. Grüne- und SPD-Abgeordnete kritisierten das Verhalten deutscher Autobauer in den USA gegenüber den Gewerkschaften.

Es ist das erste Mal, dass die größte US-Autogewerkschaft im gewerkschaftlich kaum organisierten Süden des Landes, Beschäftige eines ausländischen Autoherstellers vertritt. "Die Volkswagen-Arbeiter haben gerade Geschichte geschrieben", erklärte die UAW im Onlinedienst X. "Man sieht, welches Gehalt, welche Vorteile, welche Rechte UAW-Mitglieder haben und wie das dein Leben verändern kann. Deswegen haben wir mehrheitlich für die Gewerkschaft gestimmt", wurde ein VW-Mitarbeiter von UAW zitiert.

Präsident Joe Biden bezeichnete die Entscheidung bei VW als Erfolg für die gewerkschaftliche Organisation von Arbeitern in den USA. Sie zeige einmal mehr, "dass die Mittelklasse Amerika aufgebaut hat und die Gewerkschaften die Mittelklasse für aller Arbeiter immer noch auf- und ausbauen".

Bei Politikern in den südlichen US-Bundesstaaten hingegen stößt die UAW auf großen Widerstand. Die Arbeit der Gewerkschaft bedrohe die lokale Wirtschaft und Arbeitsplätze, schrieben sechs Südstaaten-Gouverneure in einer Erklärung, die vor der Abstimmung veröffentlicht worden war. Im Südosten der USA basierten Arbeitsverhältnisse auf den "guten Beziehungen zwischen unseren Arbeitgebern und deren Angestellten", sagte Georgias Gouverneur Brian Kemp dem Sender CNBC. Biden kritisierte diese Äußerungen als Versuche, das Votum zu untergraben.

Mit dem Erfolg in Tennessee befinde sich der Gewerkschaftskampf im Süden der USA an einem "Wendepunkt", sagte der Wirtschaftsprofessor und UAW-Kenner Stephen Silvia. Der Süden habe lange auf ein Wirtschaftsmodell mit niedrigen Gehältern und wenig Arbeiterrechten gesetzt. "Jetzt merken die Arbeiter, dass sie den Kürzeren gezogen haben, und wollen einen Wandel."

Die UAW war im Süden der USA bereits mehrfach damit gescheitert, Beschäftigte in Abstimmungen hinter sich zu vereinen. Auch bei VW in Chattanooga war sie bei zwei vorherigen Anläufen nicht erfolgreich.

Im Herbst hatte die Gewerkschaft mit wochenlangen Streiks bei den großen Autobauern General Motors, Ford und Stellantis einen großen Erfolg verbucht. Sie handelte Lohnerhöhungen von rund 25 Prozent aus, die zur Folge hatten, dass auch andere Autobauer ohne Tarifverträge wie Toyota, Honda, Hyundai und Subaru die Löhne erhöhten. Bei VW in Chattanooga erhielten die rund 5500 Beschäftigten elf Prozent mehr Lohn.

Im November setzte sich die UAW zum Ziel, künftig weitere 13 Unternehmen mit fast 150.000 Beschäftigten zu vertreten. Die meisten Standorte befinden sich in südlichen US-Bundesstaaten. Die nächste wichtige Etappe ist eine Abstimmung bei Mercedes-Benz in Vance im Bundesstaat Alabama Mitte Mai.

Deutsche Hersteller in den USA erschwerten gezielt die Arbeit der Gewerkschaften, kritisierte der Grünen-Bundestagsfraktionsvize Andreas Audretsch. Bei VW in Chattanooga seien vor der Abstimmung Gewerkschafts-Flugblätter und andere Utensilien beschlagnahmt und Mitarbeiter schikaniert worden, sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". Gegen Mercedes gebe es ähnliche Vorwürfe.

"Ich erwarte von VW und Mercedes, dass sie aufhören zu blockieren und Mitbestimmung auch in den USA fördern", sagte Audretsch. "Verstöße gegen die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern sind inakzeptabel, ob in Deutschland oder in den USA."

"Sollte an den Vorwürfen etwas dran sein, wäre das ein schwerwiegender Verstoß gegen grundlegende Rechte der Beschäftigten", sagte der SPD-Abgeordnete Jan Dieren dem "Tagesspiegel". In Deutschland werde die Behinderung von Gewerkschaften zu Recht als Straftat verfolgt.

pe/gt