Bestseller-Autorin Deborah Feldman bei Markus Lanz: Als Jüdin von einer Parallelgesellschaft in die nächste

In der Runde ging es unter anderem um die letzten antisemitischen Ausschreitungen in Berlin. (Bild: ZDF/Screenshot)
In der Runde ging es unter anderem um die letzten antisemitischen Ausschreitungen in Berlin. (Bild: ZDF/Screenshot)

Die Bilder aus Berlin spuken vielen noch immer im Kopf herum: Tausende Bürger haben am zweiten Adventswochenende am Brandenburger Tor und im Stadtteil Neukölln gegen die Entscheidung der USA, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, demonstriert.

Dabei kam es zu erschreckenden Szenen: Etliche der mehrheitlich muslimischen Teilnehmer skandierten antisemitische Parolen und verbrannten Flaggen mit dem Davidstern. In seiner Sendung sprach Markus Lanz mit der jüdischen Bestseller-Autorin Deborah Feldman, wie sie dieses Wochenende erlebt hat.

Neben ihr waren außerdem zu Gast der Journalist Elmar Theveßen, Moderatorin Christine Westermann, Schauspieler Eric Stehfest sowie der Psychiater Darius Tabatabai.

Mit 20 war sie isloiert

Doch zunächst berichtete Feldman aus ihrer Biographie: Die heute 31-Jährige wuchs in einer jüdisch-orthodoxen Familie im New Yorker Stadtteil Brooklyn auf. Sie erhielt keine weltliche Ausbildung, wurde mit 17 Jahren zwangsverheiratet und bekam zwei Jahre später einen Sohn. Ihr ganzes Leben war bis zu diesem Zeitpunkt isoliert, zur Außenwelt hatte sie praktisch keinen Kontakt. Im Jahr 2006, mit 20 Jahren, machte sie Schluss mit dem einengenden Leben und brach mit der chassidischen Satmar-Gemeinde, der sie bis dahin angehört hatte.

Deborah Feldmans Buch „Unorthodox“ stürmte die Bestsellerlisten in den USA und Deutschland. (Bild: ZDF/Screenshot)
Deborah Feldmans Buch „Unorthodox“ stürmte die Bestsellerlisten in den USA und Deutschland. (Bild: ZDF/Screenshot)

Feldman schrieb daraufhin ein Buch über ihr Leben, das unter dem Titel „Unorthodox“ erschien, und zog 2014 nach Neukölln, wo sie ihr erstes Jahr in Berlin wohnte. Nur um festzustellen, dass sie von einer Parallelgesellschaft in die nächste gerutscht war. Als sie die unzähligen arabischen Auslagen und Schriftzüge in der Sonnenallee sah, sagte sie ihrem Sohn: „Wir sagen niemandem, dass wir jüdisch sind. Nur wenn wir die Leute schon kennen und ihnen vertrauen.“

Neukölln als Parallelgesellschaft

Über ihre muslimischen Nachbarn in Neukölln sagt Feldman, sie seien nette Menschen gewesen. „Aber sie waren eben auch Antisemiten.“ Man habe ihr beim Einzug sofort beim Tragen der Umzugskartons geholfen. „Aber die haben auch ganz krasse Dinge über Juden gesagt“, erinnerte sich die gebürtige US-Amerikanerin. Inzwischen lebt die Schriftstellerin im bürgerlichen Teil Kreuzbergs, weil sie sich als Jüdin in Neukölln zunehmend unwohl fühlte. „Ich habe Neukölln sofort als Parallelgesellschaft erkennen können, weil ich ja aus einer stamme.“

Obwohl in New York aufgewachsen, ist Feldmans Muttersprache Jiddisch. Freundschaften zu Menschen außerhalb ihrer ultraorthodoxen Gemeinde hatte sie in ihrer Kindheit und Jugend so gut wie keine. Parallelgesellschaften benötigen immer ein „Konzept von den anderen“, sagte die Autorin, „und diese anderen müssen immer sehr böse sein.“ In ihrem Fall sei das einst die verweltlichte Gesellschaft gewesen, bei vielen Muslimen müssen Juden als Feindbild herhalten.

Der Austausch mit Menschen ist wichtig

„Man muss auf die Straße gehen, man muss wüten, man muss hassen, weil wenn wir aufhören, zu hassen, unterscheiden wir uns nicht mehr von der Außenwelt“, rekapitulierte Feldman ihre Erfahrungen und sah große Ähnlichkeiten zu den muslimischen Ausschreitungen vom vergangenen Wochenende.

Ob sie eine Lösung für dieses Problem habe, fragte Lanz. „Also wenn ich Politikerin wäre, dann wäre ich auch sehr überfordert“, gestand die Neu-Berlinerin. „Weil Parallelgesellschaften in Deutschland sind schon ziemlich eingebettet. Die Mauern zwischen uns sind schon sehr hoch. Da bräuchte man richtiges Engagement, nicht nur von Politikern, sondern von der Gesellschaft.“ Sie selbst musste sich von ihren Überzeugungen und ihrem Weltbild nach dem Ausstieg aus der orthodoxen Gemeinde „entprogrammieren“. Ungefähr sieben Jahre habe das gedauert.

„Und wie habe ich das geschafft? Indem ich viel Austausch mit Menschen hatte“, so Feldman.

ZDF-Journalist Elmar Theveßen vermutet, dass auch viele Familien von Gefährdern radikalisiert wurden. (Bild: ZDF/Screenshot)
ZDF-Journalist Elmar Theveßen vermutet, dass auch viele Familien von Gefährdern radikalisiert wurden. (Bild: ZDF/Screenshot)

Im weiteren Verlauf der Sendung sprach der Journalist und Terrorexperte Elmar Theveßen noch über Gefährder in Deutschland: Jene Islamisten, die sehr wahrscheinlich bereit wären, für ihre Überzeugungen einen Anschlag zu begehen. Diese Gruppe würde stetig wachsen. Die offizielle Zahl der in Deutschland lebenden Salafisten, die auf 10.300 Individuen geschätzt wird, hält der Fachmann außerdem für zu niedrig. Meistens seien auch deren Familien extrem radikalisiert.

Die Moderatorin Christine Westermann berichtete im Anschluss von ihrem neuen Buch, in dem sie vom Abschiednehmen geliebter Menschen erzählt. Schauspieler Eric Stehfest verriet, wie er seine Drogensucht überwand. Seine Lehre: „Heilen ist ein bisschen wie Sterben.“ Suchtmediziner Tabatabai klärte bei dieser Gelegenheit über die Gefahren und Langzeitfolgen von regelmäßigem Drogenkonsum auf.

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