Werbung

Bidens Kontrastprogramm - alles neu im Weißen Haus

Joe Biden, Präsident der USA, spricht über das neuartige Coronavirus im State Dinning Room des Weißen Hauses.
Joe Biden, Präsident der USA, spricht über das neuartige Coronavirus im State Dinning Room des Weißen Hauses.

Der Beginn der Präsidentschaft Bidens hat bei vielen Amerikanern Enthusiasmus ausgelöst. In den ersten Tagen begeistert Biden vor allem dadurch, dass er nicht Trump ist. Ob das auf Dauer reicht?

Washington (dpa) - Für viele Millionen Amerikaner, aber auch für etliche Europäer symbolisieren diese Bilder das Ende eines Alptraums:Der scheidende US-Präsident Trump steigt ein letztes Mal in die Air Force One und hebt Richtung Florida ab, drei Stunden später wird Joe Biden am Kapitol vereidigt.

Mehr Vorschusslorbeeren als Biden bekam in der jüngeren Vergangenheit nur sein ehemaliger Chef, US-Präsident Barack Obama, als er 2009 George W. Bush im Weißen Haus ablöste. Biden wird schon alleine dafür gefeiert, dass er Selbstverständlichkeiten wie Ehrlichkeit und Transparenz verspricht - weil unter Trump nichts mehr selbstverständlich war.

NACHRICHTEN AUS DEM CHAOS

In den vergangenen Monaten hat die Weltmacht USA Schlagzeilen produziert, die man sonst eher aus Entwicklungsländern kennt: Ein Präsident, der sich an die Macht klammert (während sein Außenminister andere Staaten ermahnt, die Spielregeln der Demokratie zu achten); Hofierer in Regierung und Parlament, die fernab jeder Logik krudeste Verschwörungstheorien weiterverbreiten; fanatische Anhänger des Amtsinhabers, die zur Gewalt greifen, weil ihr Idol eine demokratische Wahl verloren hat; und als Tiefpunkt dann die Erstürmung des Parlaments, die einem Umsturzversuch gleichkommt.

BIDEN STARTET DURCH

Vor diesem Hintergrund erscheint nicht übertrieben, was Biden bei seiner Vereidigung am Mittwoch gesagt hat: «Die Demokratie hat sich durchgesetzt.» Schon in den ersten Stunden nach Amtsantritt macht Biden nicht nur etliche kontroverse Beschlüsse Trumps rückgängig. Auch sonst bietet er zum Start ein radikales Kontrastprogramm. Während Trump sich in den vergangenen Wochen kaum noch mit Regierungsgeschäften aufgehalten hat, legt Biden mit Vollgas los. Nur Stunden nach dem Einzug ins Weiße Haus am Mittwoch unterzeichnet er weit mehr als ein Dutzend Anordnungen, am Donnerstag geht es in ähnlichem Tempo weiter.

FAUCI IST ZURÜCK AUF DER BÜHNE

Viele der Maßnahmen gelten dem Kampf gegen das Coronavirus, an dem Trump zuletzt jegliches Interesse verloren zu haben schien. Für Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris ist die Bewältigung der Pandemie die drängendste Aufgabe. Ihre nationale Strategie dazu «basiert auf Wissenschaft, nicht Politik, sie basiert auf Wahrheit, nicht Verleugnung», sagt Biden am Donnerstag. «Unser Plan ist vor allem, das Vertrauen der Öffentlichkeit wieder herzustellen.» In der Corona-Krise würden daher künftig wieder verstärkt Experten wie der prominente Immunologe Anthony Fauci die Bevölkerung informieren.

TRUMP UND DIE WISSENSCHAFT

Trump hatte Fauci in die Task Force des Weißen Hauses berufen, ihn dann aber an die Seitenlinie gedrängt, weil ihm die schonungslosen Analysen und Warnungen des Experten missfielen. «Die Leute haben es satt, Fauci und diese Idioten zu hören», wetterte der damalige Präsident im Oktober. Trump ist berüchtigt dafür, mehr auf sein Bauchgefühl zu vertrauen als auf wissenschaftliche Expertise. Unvergessen ist seine öffentlich angestellte Überlegung, ob sich Menschen Desinfektionsmittel gegen das Coronavirus spritzen sollten.

FAUCIS «BEFREIENDES GEFÜHL»

Erstmals unter der Biden-Regierung tritt Fauci am Donnerstag vor die Presse. Als ihn die Journalisten immer wieder nach dem Unterschied zur alten Regierung fragen, sagt er schließlich: «Die Idee, dass man hier oben stehen und darüber sprechen kann, was man weiß, was die Beweise sind, was die Wissenschaft ist (...), ist irgendwie ein befreiendes Gefühl.» Noch etwas sei anders: «Eine der Neuerungen mit dieser Regierung ist es, nicht zu raten, wenn man keine Antwort hat.» Er habe mit Biden vereinbart, «völlig transparent, offen und ehrlich zu sein, wenn Dinge schief laufen». Statt die Schuld dann jemand anderem zuzuschieben, würden Fehler korrigiert werden.

Fauci ist weit über die Grenzen der USA hinaus respektiert. Schon vor Sonnenaufgang in Washington nimmt er am Donnerstag an einer Video-Schalte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf teil. Der 80-Jährige kündigt dabei den Beitritt seines Landes zur internationalen Corona-Impfinitiative Covax an. Den von Trump eingeleiteten Rückzug der USA aus der WHO hat Biden am Tag davor bereits mit einer seiner ersten Entscheidungen gestoppt.

TRUMP UND DER KLIMAWANDEL

Auch den von Trump veranlassten Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen hat Biden revidiert. Trump behauptete 2012, der Klimawandel wäre eine Erfindung der Chinesen, um der US-Wirtschaft zu schaden. Immer wieder meldete Trump sich bei Kälteeinbrüchen zu Wort, um zu spotten, wo denn bitte die Erderwärmung geblieben sei. Dass die Meinungen unter seinen Verbündeten nicht unbedingt fundierter sind, beweist nun Senator Ted Cruz. Er wirft Biden vor, mehr an der Meinung der Pariser interessiert zu sein als an den Jobs der Amerikaner in Pittsburgh - als trüge das Klimaabkommen die französische Hauptstadt nicht nur deswegen im Namen, weil es Ende 2015 dort verabschiedet wurde.

EINE FRAGE DES RESPEKTS

Biden fordert von seinen Mitarbeitern einen respektvollen Umgang miteinander - auch das war bei Trump nicht Usus, im Gegenteil: Der Republikaner entließ Mitarbeiter per Tweet und war sich selbst für Beleidigungen nie zu schade. Seinen früheren Außenminister Rex Tillerson nannte er «strohdumm», seinen früheren Justizminister Jeff Sessions «eine Katastrophe», seinen früheren Verteidigungsminister James Mattis «den überbewertetsten General unseres Landes». Biden warnt, wer Kollegen respektlos behandele, werde sofort entlassen. «Jeder, wirklich jeder hat ein Recht darauf, mit Anstand und Würde behandelt zu werden.»

ENDE DER ANGRIFFE AUF DIE MEDIEN

Eine neue Tonlage herrscht auch gegenüber Journalisten. Bei ihrer ersten Pressekonferenz kündigt die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, an, «Wahrheit und Transparenz zurück in den Briefing-Raum zu bringen». Es werde Zeiten geben, in denen sie und die Reporter anderer Meinung seien, sagt Psaki. «Das ist in Ordnung. Das ist Teil unserer Demokratie.» Trump empfand es als Affront, wenn Journalisten seine Meinung nicht teilten oder ihm eine seiner zahllosen Lügen nachwiesen. Ausgerechnet er sprach dann von «Fake News» und verunglimpfte kritische Medien als «Feinde des Volkes».

BIDENS DÜNNHÄUTIGKEIT IM WAHLKAMPF

Als Mensch ist der Demokrat und langjährige Senator Biden auch von Republikanern gewürdigt worden. Senator Lindsey Graham - der später zu einem der engsten Vertrauten Trumps wurde und sich mit Biden überwarf - sagte der «Huffington Post» 2015: «Wenn Sie Joe Biden als Person nicht bewundern können, dann haben Sie ein Problem.» Biden sei der netteste Mensch, «den ich je in der Politik getroffen habe». Der neue Präsident kann aber dünnhäutig sein, wie sich im Wahlkampf zeigte. Als ihn ein Wähler auf die fragwürdigen - und bis heute nicht restlos aufgeklärten - Auslandsgeschäfte seines Sohnes Hunter ansprach, schimpfte Joe Biden: «Sie sind ein verdammter Lügner, Mann.»

HOHE ERWARTUNGEN AN BIDEN

Angesichts von Trumps Verhalten wird es für Biden keine Kunst sein, sich weiterhin positiv von seinem Vorgänger abzuheben. Gemessen werden wird er aber nicht daran, ob er sympathisch, umgänglich und warmherzig ist, sondern ob er seine Versprechen umsetzen kann: die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, die Wirtschaft wiederzubeleben, die Nation zusammenzubringen und die Beziehungen zu Verbündeten wie Deutschland zu kitten - um nur einige der wichtigsten Ziele zu nennen.