Binninger: Bundesregierung weist US-Geheimdienstler aus

Clemens Binninger teilte die Entscheidung mit. (Bild: dpa)
Clemens Binninger teilte die Entscheidung mit. (Bild: dpa)


Die Bundesregierung reagiert mit einem drastischen Schritt auf die US-Spionageaffäre: Der oberste Geheimdienstler der amerikanischen Botschaft in Berlin muss Deutschland verlassen. Regierungssprecher Steffen Seibert begründete die ungewöhnlich harte Maßnahme am Donnerstag mit den Ermittlungen gegen zwei mutmaßliche Spione der USA beim Bundesnachrichtendienst (BND) und im Verteidigungsministerium sowie mit der seit Monaten laufenden Affäre um die Spähaktionen des US-Geheimdienstes NSA.



Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte die USA äußerst scharf. Wenn man den gesunden Menschenverstand einschalte, sei «das Ausspionieren von Verbündeten, von Alliierten letztlich Vergeudung von Kraft», sagte sie. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warf den Amerikanern «Dummheit» vor.

Der US-Repräsentant für die Geheimdienste soll die beiden mutmaßlichen Spione geführt haben. Sollte er der Aufforderung zur Ausreise nicht nachkommen, würde er von der Regierung zur unerwünschten Person («persona non grata») erklärt. Dann müsste er innerhalb einer Frist - normalerweise 72 Stunden - zwingend das Land verlassen. Das wäre dann eine auch formelle Ausweisung.

Innenminister Thomas de Maizière kündigte als weitere Konsequenz die Ausweitung der deutschen Spionageabwehr an. Die von den mutmaßlichen Spionen abgeschöpften Informationen bewertete der CDU-Politiker nach vorläufigen Erkenntnissen zwar als «lächerlich», fügte aber hinzu: «Der politische Schaden ist dagegen jetzt schon unverhältnismäßig schwerwiegend.»

Merkel betonte, in der Geheimdienstarbeit des 21. Jahrhunderts müsse es eine Konzentration auf das Wesentliche geben und nicht das technisch Mögliche gemacht werden, «so dass man vielleicht zum Schluss den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht». Die aktuellen Probleme in Syrien oder bei der Terrorabwehr seien für sie «absolut prioritär gegenüber der Frage, dass man sich jetzt als Verbündete gegenseitig ausspioniert».

Schäuble (CDU) ging in seiner Bewertung des Agierens der USA noch weiter. «Das ist so was von blöd, und über so viel Dummheit kann man auch nur weinen. Deswegen ist die Kanzlerin da auch "not amused"», sagte er dem Sender Phoenix.

In der Bundesregierung hat sich seit einem Jahr massive Verärgerung über das Agieren von US-Geheimdiensten in Deutschland angestaut. Sogar Merkels Handy wurde abgehört. In den vergangenen Tagen waren dann zwei mutmaßliche Spionagefälle beim BND und im Verteidigungsministerium bekanntgeworden. Beide Informanten sollen für US-Geheimdienste gearbeitet haben. Die Hilfskraft des BND, die für 25 000 Euro Geheimdokumente an den CIA verkauft haben soll, sitzt in Untersuchungshaft. Ein Referent aus der politischen Abteilung des Verteidigungsministeriums ist dagegen auf freiem Fuß, weil kein dringender Tatverdacht besteht.

Wegen der Spionageaffäre telefonierte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auch mit seinem US-Kollegen John Kerry. Zum Verlauf des Gesprächs wurden keine Angaben gemacht. Möglicherweise wird es aber bereits am Wochenende ein persönliches Treffen der beiden Außenminister geben: Kerry und Steinmeier wollen beide zu den Atom-Verhandlungen mit dem Iran nach Wien reisen.

De Maizière betonte, dass die Vorwürfe noch nicht aufgeklärt seien. «Vor allem Umfang und mögliche Tatbeteiligung sind noch nicht klar.» Mit den USA gebe es Gespräche auf verschiedenen Ebenen. Parallel zu der Erklärung de Maizières tagte das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags. Die Bewertung der abgeschöpften Informationen durch de Maizière als «lächerlich» teilte das Gremium nicht. Die Abgeordneten wollen alle 218 Dokumente prüfen, die von dem BND-Mitarbeiter weitergegeben wurden.

Die Opposition begrüßte das Vorgehen gegen den US-Geheimdienstler, forderte aber weitere Schritte - wie eine Aussetzung der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen.

(dpa)