Binge-Eating: Wenn Essattacken zum Alltag werden

Die heiße Jahreszeit ist im Anmarsch und viele Menschen arbeiten eifrig an einem vorzeigbaren Körper. Kontrolliertes Essen ist dabei ein sehr wichtiger Bestandteil. Bei der Essstörung um die es hier geht, ist das jedoch unmöglich: Betroffene vertilgen beim "Binge-Eating" ähnlich wie bei der Bulimie in kürzester Zeit große Nahrungs-mengen - ohne sie danach wieder zu erbrechen. Woher kommen diese Essattacken? Wie kann man das krankhafte Binge-Eating von harmlosen Heißhunger-Attacken unterscheiden? Yahoo! Nachrichten klärt die wichtigsten Fragen zu Binge-Eating-Disorder.

Binge-Eating-Disorder - mehr als nur Heißhunger

Übersetzt man "Binge-Eating" ins Deutsche, so kann man bereits erahnen, worum es sich bei folgender Krankheit handelt: "Binge-Eating" bedeutet soviel wie "Essgelage". Menschen, die an Binge-Eating-Disorder (BED) leiden, stopfen regelmäßig riesige Mengen Nahrungsmittel in sich hinein und können diese Essattacken nicht kontrollieren.

Genau Zahlen über die Verbreitung gibt es nicht. Expertenschätzungen zufolge sollen in Deutschland aber zwischen 800.000 und 2,4 Millionen Menschen an Binge-Eating-Disorder leiden – ein trauriger Rekord für die Krankheit, denn damit ist sie noch vor Bulimie und Magersucht die am weitesten verbreitete Essstörung!

"Bulimie ohne Erbrechen": Auch Männer häufig betroffen

Anders als bei den bekannten Essstörungen Magersucht und Bulimie, die überwiegend Frauen betreffen, machen Männer beim Binge-Eating etwa ein Drittel der Erkrankten aus. Auch die Altersverteilung ist deutlich breiter gestreut - Angehörige aller Altersgruppen können an der Binge-Eating-Störung leiden.

Sowohl bei Binge-Eating also auch Bulimie stehen unkontrollierte Essattacken mit Aufnahme hoher Nahrungs- und Kalorienmengen im Vordergrund. Der große Unterschied zur Bulimie ist beim Binge-Eating jedoch das Fehlen von "Gegenmaßnahmen". Da Binge-Eater nach den Essattacken weder erbrechen noch Abführmitteln verwenden, sind an BED erkrankte Menschen deshalb meist sehr übergewichtig.

Ursachen der Krankheit noch nicht vollständig geklärt

Da die Binge-Eating-Essstörung nur wenig erforscht ist, weiß man wenig über die Ursachen der Erkrankung. Veranlagungen sowohl zu psychischen Störungen als auch zu Übergewicht stehen aber im Verdacht, die Essstörung zu begünstigen.

Psychologen deuten beim Binge-Eating die Nahrungsaufnahme als Ersatzbefriedigung für andere, unerfüllte Bedürfnisse. Auch interessant in diesem Zusammenhang: Etwa die Hälfte der Binge-Eater leidet unter Depressionen. Ob die Depressionen die Esssucht hervorrufen oder umgekehrt, muss aber noch genauer untersucht werden.

Auch Übergewichtige haben ein höheres Erkrankungsrisiko. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) leiden von 100 Menschen mit Übergewicht 15 bis 30 an einer Binge-Eating-Störung.

Diäten als Auslöser für Binge-Eating?

Laut BZgA können außerdem Diäten die Entstehung von Essstörungen fördern.

Viele Menschen haben nach Diät-Phasen sogar Essanfälle mit anschließendem Jo-Jo-Effekt. Ist die Diät zu streng, besteht zudem die Gefahr, dass der strikte Verzicht die "verbotenen" Lebensmittel attraktiv macht. Die Folge: Die Diät wird abgebrochen und das Gefühl, versagt zu haben, nagt am Selbstwertgefühl. Passiert dies zu häufig, können sich Essanfälle summieren. Häufige Diäten und deren Abbruch sind daher typisch für Binge-Eating-Störung.

Folgen für Körper und Seele

Beim Binge-Eating werden während einer Essattacke in kürzester Zeit Unmengen an Kalorien verzehrt – natürlich nicht ohne Folgen für den Körper. Oft sind die Betroffenen stark übergewichtig und leiden an den Folgen der Fettsucht: Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nur einige Beispiele.

Doch auch die seelischen Folgen sind häufig gravierend: Die Scham nach den Essanfällen kann das Selbstwertgefühl noch weiter herabsetzen und im schlimmsten Fall zu Depressionen führen.

Und wie kann man eine harmlose Heißhungerattacke von der Binge-Eating-Essstörung unterscheiden?

Treten folgende Symptomen auf, sollte man das eigene Essverhalten zumindest kritisch hinterfragen:

  • Wiederholte Essattacken, mindestens zweimal pro Woche über sechs Monate, bei denen große Mengen von Lebensmitteln verzehrt werden.

  • Bei den Essattacken wird viel schneller und ohne körperliches Hungergefühl gegessen. Häufig erfolgt die Nahrungsaufnahme alleine.

  • Die Anfälle werden als zwanghaft erlebt und man hat das Gefühl, die Kontrolle über das Essen zu verlieren.

  • Nach dem Essanfall kommen Schuldgefühle und Selbstvorwürfe auf.

  • Auch zwischen den Essanfällen gibt es gestörtes Essverhalten: Sehr kontrolliertes und dann wieder unkontrolliert Essen wechseln sich ab.

  • Kein Erbrechen nach der Essattacke wie bei Bulimie.

Therapie wie bei anderen Esstörungen

Ähnlich wie bei der Behandlung der Bulimie beruht die Therapie bei Binge-Eating auf zwei Säulen: Erstens die Normalisierung des Essverhaltens und zweitens die Behandlung der zugrunde liegenden seelischen Konflikte.

Neben Anleitungen zu bewusstem Essen lernen die Betroffenen in den psychotherapeutischen Sitzungen die Auslöser ihrer Essattacken kennen. Hier werden dann Strategien entwickelt, um mit den kritischen Auslöser-Situationen besser umgehen zu können.