So war das Jahr 2012 in der Politik

Statt um Politik ging es oftmals eher um Plagiate und Nebeneinkünfte, die Piratenpartei katapultiert sich beinahe selbst ins Abseits, der Verfassungsschutz schlampt bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie der Neonazi-Zelle von Zwickau. Und Deutschland muss Kritik einstecken ob seiner Rolle in der Euro-Krise. Die Politiker stehen unter Dauerbeschuss.

In der Kritik: Griechenlands Ministerpräsident Samaras (r.) ist bei vielen Landsleuten wegen des Sparkurses nicht sehr beliebt (Bild: dpa)
In der Kritik: Griechenlands Ministerpräsident Samaras (r.) ist bei vielen Landsleuten wegen des Sparkurses nicht sehr beliebt (Bild: dpa)

Euro-Krise: Kritik an deutscher Führungsrolle

Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker kritisierte die Spekulationen über einen Austritt Griechenlands aus der Europäischen Union als nicht besonders hilfreich. Andere Länder verlangen von Merkel & Co mehr Verantwortung in der Krise. Immerhin erreichte die Kanzlerin eine Zustimmung der deutschen Politiker zum Euro-Rettungsschirm ESM. Die Einführung von Euro-Bonds aber, also eine Vergemeinschaftung der Schulden in der Euro-Zone, lehnt die Kanzlerin weiterhin strikt ab.

Piraten streiten lieber mit sich selbst

Die Piraten drohen, sich im Streit um Bundesgeschäftsführer Johannes Ponader zu zerfleischen. Der wird aus vielen Ecken der Partei attackiert, glaubt aber die Basis hinter sich. Stattdessen gaben die Vorstandsmitglieder Matthias Schrade und Kollegin Julia Schramm im Oktober ihre Posten ab. Schramm hatte nach der Veröffentlichung ihres Internetromans „Klick mich" sowieso keinen einfachen Stand in der Partei. Denn während sich die Piraten für freien Datentausch im Netz einsetzen, ließ Schramms Verlag die Gratiskopie ihres Werks sperren. Alles in allem lief das Jahr sonst gar nicht schlecht für die Piraten. Bei der Landtagswahl im Saarland bekamen sie 7,4 Prozent der Wählerstimmen, mehr als die Grünen und die FDP zusammen (Grüne 5,0 Prozent, FDP nur 1,2 Prozent). In Nordrhein-Westfalen waren sie den „kleinen Parteien" dicht auf den Fersen mit 7,8 Prozent (Grüne 11,3 Prozent, FDP 8,6 Prozent) und in Schleswig-Holstein mit 8,2 Prozent gleichauf mit der FDP (Grüne 13,2 Prozent).

Christian Wulff (r.) ist wie sein Vorgänger Horst Köhler (l.) nur noch als Gemälde im Schloss Bellevue vertreten (Bild: dpa)
Christian Wulff (r.) ist wie sein Vorgänger Horst Köhler (l.) nur noch als Gemälde im Schloss Bellevue vertreten (Bild: dpa)

Rücktritte, Plagiate und Nebeneinkünfte

2012 mussten eine ganze Reihe hochrangiger Politiker das Handtuch werfen. Im Mai ging Umweltminister Norbert Röttgen (CDU); offenbar zog er damit Konsequenzen aus dem Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen. In Rheinland-Pfalz zog sich Kurt Beck aus gesundheitlichen Gründen als Landesvorsitzender der SPD zurück und gab Anfang 2013 auch sein Amt als Ministerpräsident auf. Schon im Februar schmiss Bundespräsident Christian Wulff (CDU) hin - nach nicht einmal zwei Jahren im Amt. Auf seine Kreditaffäre folgte eine Medienaffäre und somit war Christian Wulff in seinem Amt als repräsentative und moralische Instanz nicht mehr tragbar. Danach schoss sich die Opposition auf den Ehrensold des einstigen Staatsoberhauptes ein. Sie kritisierte den stattlichen lebenslangen Anspruch auf Sach- und Personalleistungen für ehemalige Bundespräsidenten, denn der sei nicht angemessen, wenn ein Rücktritt noch vor Ende der ersten Amtsperiode stattfände. Der Bundestag benannte daraufhin den „Ehrensold" in „Altersbezüge" um. Ohne Rücktritt und entzogenen Titel blieb die Affäre um Bildungsministerin Annette Schavan (CDU), deren Doktorarbeit in den Fokus von Plagiatsjägern gerückt war.
Wenig Freunde im Volk machte sich auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, als bekannt wurde, dass er die höchsten Nebeneinkünfte von allen Bundestagsabgeordneten eingeheimst hat. Allein in der laufenden Legislaturperiode verdiente er sich zwei Millionen Euro mit Vorträgen und anderen repräsentativen Auftritten hinzu.

Bei den Ermittlungen zu den Morden der Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe (v.l.n.r.) schlampte der Verfassungsschutz offenbar (Bild: dpa)
Bei den Ermittlungen zu den Morden der Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe (v.l.n.r.) schlampte der Verfassungsschutz offenbar (Bild: dpa)

Pannen bei Ermittlungen um Neonazi-Morde

Für den Polit-Skandal des Jahres sorgten die Ermittlungen um die Morde des Neonazi-Trios der rechtsextremen Terrorvereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). Im Juli warf Bundesverfassungsschutzpräsident Heinz Fromm hin und zog damit die Konsequenz aus den Ermittlungspannen. Nachdem die Hintergründe der Verbrechen bekannt geworden waren, hatte ein Mitarbeiter Akten vernichtet, die Informationen über V-Leute beim „Thüringer Heimatschutz" enthielten. Der Organisation gehörten auch Mitglieder der Zwickauer Terrorzelle an. Im November trat die Berliner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid zurück. Ihre Behörde hatte im Juni Akten zum Rechtsextremismus rechtswidrig geschreddert — darunter womöglich auch solche, die in Bezug zur NSU-Affäre standen.

Deutschland unterstützt weißrussische Polizei

Aufregung gab es auch um die Unterstützung der Polizei im autoritär regierten Weißrussland. Deutschland zahlte zwischen 2009 und 2010 etwa 41.200 Euro für Computer- und Videotechnik und rüstete zwischen 2008 und 2011 mindestens eine Hundertschaft mit Körperschutz aus, darunter auch Schlagstöcke. Zudem schulten Bundespolizei und Bundeskriminalamt seit 2008 rund 500 weißrussische Sicherheitskräfte. Aus dem Innenministerium hieß es lediglich, die Kooperation sei im Rahmen der EU abgestimmt gewesen, nachdem eine Öffnung des autoritären Systems angedeutet worden sei. Ende 2010 habe man die Zusammenarbeit nach der mutmaßlich gefälschten Präsidentenwahl und der Gewalt gegen Oppositionspolitiker beendet.