Selbst Hand anlegen: Tabuthema Samenspende

Bei minus 195 Grad werden die Spermaproben gelagert (Bild: ddp images)
Bei minus 195 Grad werden die Spermaproben gelagert (Bild: ddp images)

Pornohefte und Filme, in denen sich Nackte lautstark vergnügen, klar, aber ein Magazin des Fußballclubs Schalke 04? Nee, so etwas erwartet Mann eigentlich nicht als erregende Hilfe beim Samenspenden. Solch ein Fußballheftchen lag auch in einem der Masturbationsräume des Kinderwunschzentrums Novum in Essen. Jeder steht halt auf etwas anderes - und Hauptsache, das Ergebnis stimmt. Denn gute Spendersamen sind für unfruchtbare Männer und ihre Partnerin die einzige Möglichkeit auf Nachwuchs. Doch es fehlt an Spendern und an der gesellschaftlichen Anerkennung, sagt Novum-Klinikchef Professor Thomas Katzorke. Unfruchtbarkeit gilt als Makel. Und wer gibt schon gerne zu, für einige Euro und mit Pornoheft selbst Hand anzulegen. Yahoo! klärt auf über ein Thema, das oft verschwiegen wird: die Samenspende.„Ungewollte Kinderlosigkeit ist beinahe so etwas wie eine Volkskrankheit“, sagt Katzorke. Seine Klinik gibt es seit 1981 und ist damit eines der ältesten Zentren weltweit. Deutschlandweit gibt es über 100 Schwerpunktpraxen, jährlich werden etwa 1.000 Kinder durch eine Samenspende geboren. Doch es könnten mehr sein. Es gibt aber nicht genügend Männer, die Hand anlegen wollen. Dabei bekommen diese 50 bis 150 Euro pro Spende, je nach Blutgruppe, Aussehen und anderen Faktoren. Jeder Spender darf maximal zehn bis 15 Kinder in die Welt setzen, sagt Katzorke. Er sucht immer junge, erwachsene Männer. „Das ist nicht so einfach“, sagt er. Ein Drittel scheitere bereits an der Qualität des Samens. Spenden darf nur, wer jünger als 40 Jahre alt ist und die Voruntersuchungen übersteht. Da werden die Männer auf Krankheiten, körperliche Merkmale und Spermaqualität getestet.

Die etwa 50-100 professionellen Spender, die regelmäßig kommen, erfüllen all diese Vorgaben. In den Kabinen verzichten sie sogar auf die Pornohefte. „Die brauchen das nicht, die sind nach zwei bis drei Minuten fertig“, erzählt Katzorke. Das Sperma wird bei minus 195 Grad in silbernen Depots gelagert – die Samenbank. Erst nach einem zweiten HIV-Test nach sechs Monaten darf es verwendet werden. Etwa 30 Jahre bleibe das Sperma in dieser Supertiefkühltruhe fruchtbar, erklärt der Professor. 5.000 Samenproben warten im Essener Zentrum für Reproduktionsmedizin auf Paare, die ohne Samenspende keine Kinder bekommen können.

Mit Typangleichung zum Wunschkind

Wie im Katalog können sich die Patienten ihr Wunschkind aber nicht zusammenbasteln, auch genetische Eingriffe und eine Auswahl nach seelisch-geistigen Kriterien sind tabu. „Bei der Auswahl der Samenspender für das Ehepaar wird eine Typangleichung durchgeführt“, erklärt Katzorke. Das ist ein Abgleich auf ethnische Herkunft, Augenfarbe, Haarfarbe, Körpergröße und Statur. Wünsche nach bestimmten Fähigkeiten, beispielsweise ob das Kind sportlich oder handwerklich begabt sein soll, können geäußert werden. Das Paar wird ärztlich und psychosozial beraten und auf mögliche Probleme aufmerksam gemacht.

Nicht jeder Befruchtungsversuch klappt. Die Erfolgsquote liegt bei etwa 15 Prozent pro Inseminationszyklus, wie beim normalen Geschlechtsverkehr. „Nach einem Jahr sind 85 Prozent der weiblichen Patientinnen schwanger“, sagt der Mediziner. Ein Happy End nach langem Warten. Bei Nachuntersuchungen gaben Paare an, glücklich zu sein und die Entscheidung nicht bereut zu haben, meint Katzorke. Die Kosten der Spendersamenbehandlung werden von den Kassen nicht übernommen. Die Zahlen der mit Samenspende gezeugten Kinder sind seit 1993 allerdings um etwa die Hälfte zurückgegangen. Seither gibt es die intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), mit Hilfe derer früher als unfruchtbar beurteilte Männer doch noch genetisch eigene Kinder bekommen können.

Recht auf Anonymität für den Spender

Paare sollten sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. „Die Behandlung mit Spendersamen bedeutet eine besondere psychische Herausforderung und Belastung“ so der Arzt. Sagt man es den Freunden und Bekannten? Klärt man das Kind auf? Wie viel Informationen über die Behandlung erzählt man ihm? Unfruchtbarkeit ist für viele Männer schließlich ein Makel. Im Vorfeld müssen mit den Spendern und den zukünftigen Eltern die rechtlichen Fragen vertraglich geklärt werden. Das Kind hat grundsätzlich ein Recht auf Kenntnis seiner biologischen Herkunft, andererseits hat der Spender das Recht auf Anonymität, das gilt es zu regeln.

Neben der Spendersamenbehandlung, die nur bei völliger Unfruchtbarkeit des Mannes notwendig wird, gibt es viele Behandlungsformen, die Ehepaaren mit unerwünschtem Kinderwunsch helfen können.

Verloren geglaubtes Glück

Paare, die nach einem Jahr nicht schwanger sind, sollten einen Reproduktionsmediziner aufsuchen. Behandlungsmöglichkeiten sind beispielsweise die intrauterine Insemination (Samenzellen werden in die Gebärmutterhöhle übertragen) oder die In-vitro-Fertilisation („Reagenzglas-Befruchtung“), die durch die intrazytoplasmatische Spermainjektion (ICSI) ergänzt werden kann.

Obwohl deutschlandweit jedes Jahr etwa 10.000 Babys im Reagenzglas gezeugt werden, sieht der Arzt keinen Trend zur künstlichen Befruchtung. Auch bei den verschiedenen Behandlungsmethoden gibt es keine besonders angesagte Methode. „Es geht nicht nach Beliebtheit, sondern nach medizinischer Notwendigkeit“, sagt Katzorke. Und darum, Paare zu dem Glück zu verhelfen, dass sie schon verloren geglaubt hatten.