Tödlicher Schuss in Berlin: Empörung über Skandal-Video auf Facebook
Es sind nur wenige Sekunden, sie zeigen den grausamen Tod eines Menschen. „Messer weg, Messer weg“ ruft ein Polizist, dann fällt ein Schuss, ein nackter Mann torkelt, fällt und stirbt. Auf dem Handyvideo eines Passanten ist zu sehen, wie die Polizei einen verwirrten, bewaffneten Mann im Brunnen vor dem Berliner Rathaus erschießt. Der Filmer hatte das Video auf Facebook gepostet. Es konnte sich zur Empörung von Politikern schnell im Internet verbreiten, weil es das soziale Netzwerk nicht gelöscht hat. Yahoo! klärt, was soziale Netzwerke dürfen und warum sich Facebook mit dem Nicht-Löschen des Videos strafbar gemacht haben könnte.
Vier Stunden nach dem tödlichen Schuss hatte ein Passant ein Handyvideo von der Tat auf Facebook hochgeladen. „Mord“ war sein Kommentar zu dem Filmchen. „Das war eindeutig keine Notwehr. Man hätte im Höchstfall aufs Bein schießen können“, stimmt ihm ein aufgebrachter User zu. „Wenn ich das Video sehe, sehe ich einen kaltblütigen Mord und keine Notwehr“, richtet ein anderer.
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Über die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes am vergangenen Freitagmorgen müssen Juristen und Politiker entscheiden. Mit dem Video von der Tat aber müssen die Internetnutzer selbst den richtigen Umgang finden. Das Filmchen verbreitete sich rasch im Internet und ist mittlerweile auf vielen Plattformen zu betrachten. Kinder und Jugendliche können seither sehen, wie ein Mensch getötet wird. Verwandte und Bekannte des Toten können ebenfalls sehen, wie ihr Sohn, ihr Cousin, ihr Freund erschossen wird. Hätte Facebook das Video rechtzeitig gelöscht, hätte es sich vermutlich über eine andere Plattform ebenso verbreitet. Aber Facebook hat es nicht gelöscht, es ist dort bis jetzt zu sehen und wurde alleine auf dem sozialen Facebook mehr als 8.000 Mal innerhalb von vier Tagen geteilt.
Facebook könnte sich strafbar machen
„Das ist absolut pietätlos“ sagt Anwalt Sebastian Dramburg im Gespräch mit Yahoo!. Der Berliner Experte für Medienrecht und Social Media wirft dem sozialen Netwerk vor, den Jugendschutz zu verletzen, weil das Video nicht gelöscht wurde. Damit könnte sogar das Persönlichkeitsrecht des Opfers verletzt worden sein, so der Experte. Zwar ist der getötete Mann im Video nicht zu erkennen, doch könne man ihn anhand der Medienberichte identifzieren. Auch Youtube und alle anderen Internetseiten, auf denen das Video betrachtet werden kann, würden sich demnach strafbar machen. „Der Plattformbetreiber ist dafür verantwortlich, was auf auf seiner Plattform passiert“, sagt Dramburg.
Bei sozialen Netzwerken gibt es allerdings ein Haftungsprivileg. Weil die User dort Inhalte selbst hochladen, muss der Betreiber erst tätig werden, wenn er von möglichen Vergehen weiß oder informiert wurde. Es ist das alte „was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“-Prinzip. Im Fall des Todes-Videos scheint es unwahrscheinlich, dass sich noch kein Nutzer darüber beschwert hat, schießlich geht das mit nur einem Mausklick. „Wenn das Video gemeldet wird, müsste es Facebook nach einigen Tagen löschen“, erklärt Dramburg. Das Netzwerk könne sich nicht einfach zurücklehnen und abwarten.
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Auch Politiker sind empört. „So etwas darf nicht gepostet werden“, sagte Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer (CDU) dem Magazin „Fokus“. Facebook müsse in solchen Fällen sofort reagieren und das menschenverachtende Material entfernen. Ein Sprecher von Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) kritiserte im Magazin eine fehlende Kontrolle. „Offenbar reichen die technischen Instrumente und die Teams, die Inhalte der Seiten angeblich rund um die Uhr prüfen, nicht aus“, so der Sprecher.
Für Facebook ist das Todes-Video nicht unerwünscht
Facebook selbst wollte sich zu dem Vorfall nicht äußern. Es heißt, auf einer neutralen Plattform müsse es möglich sein, Dinge mit Hilfe von drastischen oder verstörenden Inhalten ansprechen zu können. So werde die Voraussetzung für gesellschaftliche Diskurse und das Problem-Bewusstsein unter den Menschen geschaffen. Bei kontroversen Videos oder Fotos prüft Facebook nach eigenen Angaben genau, ob gegen die Richtlinien verstoßen wird. Das Netzwerk verbietet Androhungen und Aufforderungen zu Gewalt, Hassreden und Mobbing. Ein Team in Irland kontolliert sowohl von Usern gemeldete Inhalte sowie Postings allgemein. Kinderpornografie will eine Software durch einen Abgleich mit einer Datenbank ausfindig machen. Der gewaltsame Tod eines Mannes in Berlin aber scheint nicht unter unerwünschte Inhalte zu fallen.
Was im Internet erlaubt ist
Wann aber machen sich Internetnutzer oder Plattformen strafbar? Wo liegen die Grenzen? Neben selbst definierten Regeln ist es meist das Persönlichkeitsrecht, das verletzt wird, sagt Anwalt Dramburg. Darunter fallen beispielsweise Beleidigungen, ehrenrührige Behauptungen und Mobbing aber ebenso das ungewollte Veröffentlichen von Fotos, auf denen man abgebildet ist. Problematisch ist auch der Jugendschutz, wenn erotische, gewaltverherrlichende oder menschenverachtende Inhalte verbreitet werden. Betroffene sollten solche Inhalte zuerst bei dem jeweiligen Netzwerk melden. Wenn das nicht reagiert, hilft ein Anwalt.