Ein Techtelmechtel mit Zschäpe

Beate Zschäpe betritt am 01.04.2014 den Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München (Bild: dpa)


Er hatte eine Affäre mit der mutmaßlichen NSU-Terroristin, besorgte dem Trio Sprengstoff und half bei der Flucht - vor Gericht schweigt Thomas M. Bei der Polizei tat er es nicht.



Thomas M. hat Angst. So sagt es der frühere Neonazi aus Chemnitz in seiner Vernehmung beim Bundeskriminalamt (BKA). Er fürchtet die Rache seiner damaligen Freunde. M. hat den Namen seiner Frau angenommen und seinen szenebekannten Nachnamen abgelegt. Den Ermittlern gibt M. umfangreich Auskunft. Vor Gericht aber schweigt er am 101. Tag des NSU-Prozesses. Er beruft sich auf Paragraf 55 Strafprozessordnung. Gegen M. wird in einem eigenen Verfahren wegen Unterstützung des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) ermittelt. Er darf schweigen, um sich nicht selbst zu belasten. M.s Auftritt vor dem Oberlandesgericht München dauert keine zwei Minuten, die Befragung seines Vernehmungsbeamten im Anschluss den ganzen Tag. Der BKA-Mann gibt all das wieder, was M. ihm über Beate Zschäpe, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und die rechte Szene verraten hat.

Thomas M. hat den Dreien nach ihrer Flucht im Januar 1998 eine Wohnung vermittelt. Er brachte sie in Chemnitz bei Thomas R. unter, einem Mitglied des mittlerweile verbotenen rechtsextremen Netzwerks "Blood & Honour". Auch Thomas M. gehörte ab 1996 zu "Blood & Honour".

In jener Zeit, von Ende 1996 bis April 1997, hatte M. "ein Techtelmechtel" mit Zschäpe, so nannte er es. Auf einer Party habe es zwischen ihnen gefunkt. Es entwickelte sich eine lose Beziehung, nichts Festes. Sie besuchte ihn in Chemnitz, er sie in Jena. M. habe durchaus mehr gewollt. Doch Zschäpe wollte nicht. "Die hat nur die Uwes im Kopf gehabt", klagte M. beim BKA. Die beiden Uwes, die beide selbst mal mit Zschäpe zusammen gewesen waren, seien nicht eifersüchtig gewesen - doch ständig dabei. M.: "Sie gingen mir auf den Zeiger."

M. beschreibt Zschäpe als "ruhig und verschlossen". Die Gesellschaft anderer habe sie nicht gesucht. Es habe Wochen gegeben, in denen "Funkstille" herrschte. "Sie war dann einfach nicht zu erreichen", sagt M., auch nicht für ihn. Auch auf Nachfrage habe sie sich nicht erklärt. Zschäpe sei politisch sehr interessiert gewesen. "Bei rechten Themen wurde sie munter." Ihr "Lebensinhalt" sei der Thüringer Heimatschutz gewesen. "Ohne die Uwes war mit ihr nichts los", so M. Sie habe darunter gelitten, als Mundlos auf ein Internat gekommen sei. M.: "Er hat ihr gefehlt."

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Auf der Anklagebank stützt Zschäpe ihre Ellenbogen auf den Tisch, legt ihr Kinn auf die gefalteten Hände und blickt ins Leere.

Zschäpe habe Gewalt abgelehnt. Und Böhnhardt sei "schon sehr martialisch aufgetreten, aber gewalttätig habe ich auch ihn nicht erlebt". Zschäpe und Mundlos hätten Böhnhardt von Schlägereien abgehalten. "Die wollten nicht auffallen", sagt M. dem BKA-Beamten.

Dennoch habe Böhnhardt M. 1996 oder 1997 nach Sprengstoff gefragt. Zum Experimentieren, hieß es. M. besorgte etwa ein Kilogramm und übergab den Sprengstoff an Mundlos in einem Schuhkarton. Mundlos beschwerte sich kurz darauf, dass er ihn nicht zünden konnte. Sie hätten sich verschaukelt gefühlt, zweifelten an, dass es wirklich Sprengstoff war. Thomas M. fragte bei seinen Lieferanten nach. Ihm wurde erklärt, dass er einen Zünder bräuchte. M. konnte ihn nicht beschaffen. M. weigerte sich auch, Mundlos und Böhnhardt weiteren Sprengstoff und eine Waffe zu besorgen. Ihm sei schon bei der Sprengstoffbeschaffung "unwohl" gewesen, sagte er den Ermittlern.

Thomas M. berichtet auch von der "absoluten Begeisterung" der Drei für Tino Brandt. Er sei für sie "wie ein Gott" gewesen. Brandt hätte einmal an einem Veranstaltungsort nach Wanzen gesucht und welche gefunden. Das Trio sei beeindruckt gewesen. Brandt war führender Neonazi in Thüringen und zugleich V-Mann des Verfassungsschutzes. Das aber wussten die Drei damals nicht.

Thomas M. hatte 2001 im Verfahren gegen Mitglieder der rechtsextremen Musikgruppe Landser umfangreich ausgesagt. In der Folge wurden Kopien seiner Aussage bei einem rechten Konzert verteilt. Thomas M. habe sich in der Szene nicht mehr blicken lassen können. Er sei auch direkt bedroht worden und zog seine Aussage damals zurück.

Zschäpes Verteidiger bitten mehrmals um eine Pause. Ihre Mandantin fühle sich nicht wohl. Sie leide unter Kopfschmerzen. Ein Arzt stellt "Müdigkeit" und "Abgeschlagenheit" fest. Sie sei nicht weiter verhandlungsfähig. Der Richter beendet den Prozesstag.