Chaos an der Grenze zu Österreich: Ein Überblick

Deutschland kontrolliert seine Grenzen. In den Alpen heißt das: Touristen und Berufspendler müssen gute Nerven haben. Und Flüchtlinge sind auch weiterhin willkommen. Die wichtigsten Fragen im Fokus:

Das ist vielleicht das Komischste: Deutschland hat „abgeriegelt“, denkt man. Gegenüber den Flüchtlingen. Die aber finden ihren Weg aus Österreich nach Bayern. Bizarre Szenen am Schlagbaum – da ist ein Touristenpaar, das mit der Bahn von München nach Salzburg wollte, der Zug aber in Freilassung stoppte. Und die Urlauber ein Taxi nahmen. Vor der Grenze jedoch sagt der Taxifahrer: „Ab nun müsst ihr laufen, rüber bring ich euch nicht.“ Denn nach drüben geht es zwar problemlos, aber nach Deutschland wieder hinein müsste sich das Taxi in eine lange Warteschlange einreihen.

Das bayerisch-österreichische Alpenland im Herbst 2015: Seit Deutschland das Schengener Abkommen außer Kraft gesetzt hat, ist es endgültig vorbei mit der Ruhe im Touristenidyll.

Werden die Flüchtlinge zurückgewiesen?

Viele Flüchtlinge bleiben derweil bei der mittlerweile etablierten Route über Wien nach Salzburg und dann gen Grenze. Seit Ungarn seine Grenzen geschlossen hat, versuchen es mehr Flüchtlinge aus Serbien über Kroatien; aber auch sie werden irgendwann am deutschen Schlagbaum stehen oder einen der zahlreichen Schleichwege über Passstraßen oder Brücken gehen. „Zurückgeschickt haben wir niemanden“, heißt es bei der Polizei von den offiziellen Grenzübergängen. Vielmehr haben die Fahnder die Schlepper im Visier: Allein 15 seien am Dienstag auf der A3 bei Passau festgenommen worden. Flüchtlinge indes, auch die ohne Papiere, können weiterhin ihren Asylantrag stellen und kommen in die Erstaufnahmelager. Die Route von Serbien über Kroatien nach Österreich birgt allerdings Gefahren: Noch immer sind Gebiete durch den jahrelangen Balkankrieg vermint, und die Flüchtlinge müssen sich hindurchwagen.

Wie reagieren die Autofahrer?

Die Autofahrer nehmen derweil die Wartezeiten eher gelassen. „Wir waren schlau, von der Autobahn sind wir in Obernberg runter", sagte ein Autofahrer der „Süddeutschen Zeitung“: also schon in Österreich, etwa 40 Kilometer vor Passau. Kontrolliert worden seien sie trotzdem, gleich dreimal. „Ein bisschen nervig ist es schon“, sagte ein Kurier der Zeitung, „aber wenn ich jammere, ändert sich auch nichts“. Er pendelt dreimal die Woche über die deutsch-österreichische Grenze, auch er ist 40 Kilometer vor dem Grenzübergang von der Autobahn abgefahren, hat sich von seinem Navigationsgerät über die Dorfer lotsen lassen.

Gibt es Unfälle?

An den Grenzen kommt es wegen des verdichteten Verkehrs zu Unfällen. Mittwoch früh hat ein Zusammenstoß von Schwerlastwagen auf der Tiroler Inntalautobahn (A12) zwei Todesopfer gefordert. Ersten Informationen der Polizei zufolge kamen der Lenker und der Beifahrer eines der Schwerfahrzeuge mit tschechischer Zulassung ums Leben. Der Lenker des zweiten Fahrzeuges, das in Deutschland zugelassen ist, wurde ebenfalls verletzt. Nach Informationen der österreichischen Zeitung „Kurier“ soll es zum Unfall gekommen sein, weil das erste der Schwerfahrzeuge wegen der Grenzkontrollen zu Deutschland angehalten hatte. Während der nachkommende Lkw noch rechtzeitig abbremsen konnte, fuhr das dritte Fahrzeug auf den zweiten auf,

Wie ist die Lage an den Bahnhöfen?

Am Münchener Hauptbahnhof werden währenddessen unaufgeregt von der Polizei und Helfern am Bahnsteig empfangen – gestern Vormittag rund 850 Menschen. Bis zum Abend werden heute weitere Züge mit insgesamt tausend Flüchtlingen erwartet. Doch Züge aus Österreich gen Deutschland fallen immer noch auch aus, andere kommen mit großer Verspätung an. Der Salzburger Hauptbahnhof gilt als Nadelöhr. Immer wieder stürmen Flüchtlinge sogar auf die Gleise, um Züge besteigen zu können. Die Behörden überlegen gerade, den Hauptbahnhof aus Sicherheitsgründen kurzzeitig zu schließen.

Wie geht es weiter mit Europa?

Und die Diskussion in Europa über den richtigen Umgang mit den Flüchtlingen geht weiter. Wegen des Baus von Grenzzäunen und der Abwehr von Flüchtlingen in Ungarn fürchtet Baden-Württembergs Europaminister Peter Friedrich (SPD) eine Spirale der Abschreckung in Europa. „Ungarn versucht das Problem mit einem nationalen Sonderweg auf Kosten der Nachbarn zu lösen“, sagte Friedrich der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Ungarische Strategie sei es, Flüchtlinge so schlecht zu behandeln, „dass sie von allein einen Bogen um Ungarn machen wollen.“ Die europäischen Werte zerfielen in nationale Egoismen. Der SPD-Minister warnte vor einem „Wettlauf, wer Flüchtlinge schlechter behandelt und damit erreicht, dass sie gar nicht mehr dahin wollen.“

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