Das VW-Gate

Das könnte teuer werden für VW... (Bild: dpa)
Das könnte teuer werden für VW... (Bild: dpa)

Systematisch getrickst und alle betrogen: Die Affäre um getäuschte Abgaswerte bei Volkswagen wird die Automobilwelt erschüttern. Zehn Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Eine Analyse von Jan Rübel

Was ist genau passiert?
Volkswagen droht in den USA eine Strafzahlung von bis zu 18 Milliarden Euro. Forscher vom International Council on Clean Transportation (ICCT) haben die Modelle „Jetta“ und „Passat“ untersucht: Sie entdeckten dort eine geheim eingebaute Software. Die sorgte dafür, dass bei den Diesel-Fahrzeugen mehr Stickoxyd-Abgase aus den Auspuffen gelangen als vom Hersteller angegeben – und von den Behörden erlaubt. Stickoxyd ist unter anderem für eine Reihe von Atemwegserkrankungen wie Asthma verantwortlich.

Wie kamen die Forscher den Wolfsburgern auf die Schliche?
Die Trickserei flog auf, weil die Kontrollen in Amerika realistischer und genauer sind als in Europa. Die US-Umweltschutzbehörde untersucht Fahrzeuge nicht nur unter Laborbedingungen – also eine fiktive Fahrt vom Vorort hinein in die Stadt, sondern führt auch echte Nachtests auf den Straßen durch. Dabei fiel auf: Die Abgaswerte auf der Straße und die im Labor unterschieden sich voneinander. Dann stießen sie auf die geheime Software. Deren Ziel war zu erkennen, ob ein Fahrzeug gerade getestet wird oder im Normalbetrieb ist. Unter normalen Straßenbedingungen sorgte dann die Software dafür, dass eine bestimmte Abgasbehandlung zur Reduzierung der gefährlichen Stickstoffe nur wenig oder gar nicht arbeitete.

Auf was genau wurde verzichtet?
Beim Passat kümmert sich ein Katalysator mit Harnstoffeinspritzung um die gefährlichen Abgase. Diese werden in harmlose Stickstoffe und Wasser umgewandelt. Beim Jetta dagegen ist eine Speicheroberfläche eingebaut, bei der Stickoxyde lagern.

Warum hat VW das überhaupt gemacht?
Sind beide Funktionen bei diesen Modellen ausgeschaltet, spart man ein wenig beim Dieselverbrauch und erhält mehr Leistung – also mehr Wumm im Motor. Volkswagen wollte sich wohl auf Kosten der Umwelt für seine Autos einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Wie viele Fahrzeuge sind vom Skandal betroffen?
Die US-Umweltbehörde EPA beziffert 482.000 VW-Fahrzeuge in den USA mit 2-Liter-Dieselmotor, die von der Manipulation betroffen sind. Im Einzelnen sind das VW Jetta (ab Baujahr 2009), VW Golf (ab Baujahr 2010), Audi A3 (ab Baujahr 2010), VW Beetle (ab Baujahr 2012), VW Passat (ab Baujahr 2013).

Wird in Europa auch getrickst?
Jedenfalls ist es für die Autohersteller wesentlich leichter, auch mit legalen Tricks die Abgaswerte zu schönen. Die Tests sind nämlich hierzulande laxer als in den USA: Sie finden lediglich unter Laborbedingungen statt. Die Autos fahren in spärlichster Ausstattung auf den Prüfstand, haben schmale und besonders gut rollende Reifen. Türschlitze und Lufteinlässe sind für eine bessere Aerodynamik verklebt. Und der ICCT behauptet: Auch beim europäischen Testzyklus erkennt eine Software, dass das Fahrzeug gerade auf einem Prüfstand unterwegs ist und nicht auf der Straße, sagte Axel Friedrich, Gründungsmitglied von ICCT, gegenüber „Spiegel-Online“. Das Auto verfalle in den Spritsparmodus. Deshalb würden die vom Hersteller angegebenen Verbräuche von denen in der Praxis um durchschnittlich 25 Prozent abweichen. Die EU-Kommission arbeitet indes an Straßentests für Neuzulassungen von Fahrzeugen.

Ist der Skandal auf Amerika begrenzt?
Nun ja. Nach Angaben von VW und Audi ja. Aber warum sollte diese Software nicht auch in anderen Ländern zum Einsatz kommen? Außerdem werden in den USA nun auch andere Dieselfahrzeuge genau unter die Lupe genommen werden – und zwar die von Daimler und BMW.

Wer profitiert vom Skandal?
Konkret ziehen die US-Autohersteller großen Nutzen aus der Manipulationsaffäre. Denn die europäischen Anbieter und speziell die Dieselfahrzeuge, welche ja angeblich so sauber arbeiteten, waren ihnen ein Dorn im Auge. Der US-Verbraucher wird nun weniger Vertrauen in Fahrzeuge von VW und Audi setzen. Langfristig aber profitiert die Öffentlichkeit, und auch die Umwelt. Es ist zu befürchten, dass die Allgemeinheit systematisch getäuscht worden und stärkeren Abgaswerten ausgesetzt worden ist. Das kann nun geändert werden.

Was bedeutet der Skandal für VW?
Der Imageschaden ist immens. Und der wird schwerer wiegen als die drohenden Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Es wird Rücktritte geben. „Wir waren unehrlich zur Umweltbehörde EPA, wir waren unehrlich zu den Behörden in Kalifornien und, am schlimmsten von allem, wir waren unehrlich zu unseren Kunden", sagte Michael Horn bei der Präsentation eines neuen Passat-Modells in New York. Und VW-Aufsichtsratsmitglied Olaf Lies: „Wir werden jetzt, glaube ich, in den nächsten Tagen und Wochen die Details erfahren. Wer, wann, wo welche Entscheidungen getroffen hat, wer dafür verantwortlich ist", sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister im Deutschlandfunk.

Gibt es Folgen für die Wirtschaft in Deutschland?
Das ist nicht auszuschließen. Aber Schätzungen sind bisher kaum möglich – zumal das Ausmaß der Manipulationen noch nicht bekannt ist. Aber der Automarkt gehört zu den größten Branchen der deutschen Wirtschaft. Spurlos wird diese Vertrauenskrise nicht an ihm vorüberziehen. Aber: Diese Krise ist eine Chance für all jene, die sich für Transparenz und gegen Mauschelei einsetzen – für Nachhaltigkeit und gegen Verschmutzung. Das gilt für Unternehmer wie für Bürger.

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