Weltweite Verfolgungen von Christen: Hat Pegida recht?

Treibt die Pegida-Demonstranten ein Unbehagen über etwas an, das sich tatsächlich abzeichnet? (Bild: dpa)
Treibt die Pegida-Demonstranten ein Unbehagen über etwas an, das sich tatsächlich abzeichnet? (Bild: dpa)

Nach einem neuen Weltverfolgungsindex werden 100 Millionen Christen unterdrückt – hauptsächlich von Muslimen. Pegida in Deutschland will das Abendland verteidigen. Treffen die Demonstranten damit einen wahren Kern?

Jedes Jahr veröffentlicht das christliche Hilfswerk „Open Doors“ einen Index, der die Verfolgung von Christen weltweit misst – sozusagen ein Ranking der Staaten, in denen es die meiste Diskriminierung gibt. Das Ergebnis: In vielen Ländern wird Christen das Leben immer mehr erschwert, sie werden verfolgt, vertrieben und inhaftiert. Zwar nimmt Nordkorea den unangefochtenen Spitzenplatz in der Liste der „bösen Staaten“ ein – Christen passen nicht in den kommunistischen Führerkult. Auf den weiteren Plätzen folgen aber Länder, in denen mehrheitlich Muslime leben.

Das führt zur Frage, ob es ein generelles Problem zwischen Islam und Christentum gibt, einen gewaltvollen Konflikt. Die Leute von Pegida, die jeden Montag in Dresden gegen eine „Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße gehen, sehen wohl auch Gefahren vor ihrer eigenen Haustür. Zwar ist der Index von „Open Doors“ kritisch zu durchleuchten: Die Organisation gehört der fundamentalistischen „Evangelischen Allianz“ an und hat auch ein politisches Interesse daran, die Zahlen hoch zu halten. Hundert Millionen verfolgte Christen – an dieser Zahl mag gezweifelt werden, da „Open Doors“ nicht ausreichend zwischen sozialen Anfeindungen und schweren Verfolgungen bis Gefängnis oder Tod unterscheidet. Dennoch ändern diese Fragezeichen nichts an der Grundaussage, dass Verfolgungen von Christen ein schlimmes Problem darstellen. Was ist also dran an – gibt es einen Kampf der Kulturen oder gar der Religionen?

Religionen und Gewalt – eine lange Geschichte

Der Islam ist zweifellos eine Religion, die einen engen Diskurs mit der Frage der Gewaltanwendung führt. Gewalt – das war für den Religionsgründer und Propheten Muhammad im siebten Jahrhundert nach Christus ein völlig normales Mittel zur Verfolgung von Zielen. Wie es halt damals üblich war. Der Dschihad, das heilige Kämpfen, hatte stets eine gewaltvolle Komponente und war Bestandteil des Islams. Er ist es leider heute noch.

Was Christen indes gern übersehen: In der christlichen Religion sieht es kaum anders aus. Zwar wird mit dem Christentum zuvorderst Nächstenliebe und Friedfertigkeit verbunden, und diese Werte sind Grundpfeiler der heiligen christlichen Texte. Aber dennoch wurde im Namen des christlichen Gottes in der längsten Zeit seit Bestehen des Christentums grausame Gewalt Andersgläubigen angetan. Viele Kriege wurden gefochten und viel Blut wurde vergossen, bis die Aufklärung religiöses Kämpfen in Europa zurückdrängte. Ein Verdienst des Christentums war das nicht. Die Aufklärung fiel für uns Deutsche also nicht vom Himmel, sie war ein langer und schmerzhafter Prozess – und vielleicht erleben islamische Länder diesen Prozess auch, gerade weil sich die Konflikte derzeit so stark entladen. Alle Religionen können zur Unterdrückung Anderer missbraucht werden, auch der Buddhismus kennt nicht nur Yoga mit Richard Gere, sondern Diskriminierung.

Deshalb braucht es einen genaueren Blick: nämlich darauf, warum Christen verfolgt werden. Die Gründe sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. Vor allem werden weltweit Christen und auch Muslime verfolgt, weil sie starke Minderheiten in vielen Regionen stellen. Das macht sie zu potenziellen Zielscheiben. Denn nur wer wahrgenommen wird, kann von einer Mehrheit als Bedrohung abgestempelt werden. Und oft haben die Diskriminierungen von Christen soziale Gründe – man will sich ihren Einfluss und Wohlstand krallen. Wir Deutschen können davon ein Lied singen: Als wir in der Naziherrschaft Juden verfolgten, machten viele sicherlich auch gern mit, weil man sich persönliche Vorteile davon versprach: das Haus an der Eckseite, den Laden nebenan, ein verstecktes Erbe.

Auf muslimische Gesellschaften warten große Aufgaben

Und dann gibt es noch die Verfolgungen von Christen aus wirklichen religiösen Gründen heraus. Die sind in der Minderheit, aber da müssen Muslime sich einer gewaltigen Aufgabe stellen. Natürlich ist es für sie möglich an Staaten zu bauen, die sie als von islamischer Kultur durchdrungen empfinden und die dennoch alle Bürger gleich behandeln und sie mit allen gleichen Rechten ausstatten. Am besten richtet man diesen Appell nicht nur an die bösen Schergen von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Syrien und Irak, sondern auch an unsere „Freunde“ und Geschäftspartner in Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Qatar und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Haben diese ernsthaften Probleme in vielen Regionen unserer Erde auch Konsequenzen für unser Leben in Deutschland? Treibt die Pegida-Demonstranten ein Unbehagen über etwas an, das sich tatsächlich abzeichnet? Die Antwort ist einfach und eindeutig: Nein.

Die Statistiken über Geburten von Muslimen in Deutschland mögen noch so gefälscht werden – eine Mehrheit in diesem Land werden Muslime nicht stellen. Eine Islamisierung des Abendlandes findet nicht statt, sie bleibt ein Hirngespinst. Kein Deutscher, der kein Muslim ist, muss befürchten, irgendwann in seinen bisherigen Rechten und Gewohnheiten nur ein Jota weit beschnitten zu werden. Der Slogan von der „Islamisierung des Abendlandes“ bleibt ein Slogan, ein Chiffre: Er wehrt sich gegen Veränderungsprozess in der Gesellschaft und ist ein Ventil für ganz normalen Rassismus. Den haben wir, wie andere Länder auch. Die verfolgten Christen in Afghanistan jedenfalls sind es nicht, welche die Leute in Dresden auf die Straße treiben. Die Pegida-Demonstranten denken an sich und an ihr Land, oder genauer formuliert: über ihren Bauchnabel nicht hinaus. Der Weltverfolgungsindex von „Open Doors“ sollte wichtige Debatten anstoßen. Nur irgendeinen Hinweis darauf, dass die Pegiada-Protestler mit ihren Auffassungen nur ein bisschen recht haben könnten, gibt er nicht.