Wie der Vatikan über Sex redet

Papst Franziskus lässt den Vatikan über Sexualmoral diskutieren (dpa)

 

 

Es geht um wer mit wem. Um wann und wie: Die höchsten Bischöfe kommen diesen Sonntag in Rom zusammen, um über Geschlechtsverkehr zu reden – eine Vorausschau. 

Dirty Talk stellt man sich anders vor, nicht gerade in heiligen Hallen und langen Gewändern. Und so mancher Würdenträger würde ihn wohl gern vermeiden. Aber in der katholischen Kirche hat sich etwas aufgestaut, ein Bedürfnis, das sich ab diesem Sonntag Bahn bricht: Wir müssen reden.

Genau dies hat Papst Franziskus auf die Agenda gesetzt. Dann werden die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen über die Familie an und für sich reden, und damit ziemlich viel über Sex. Kein Zweifel, dass dies für jeden ein wichtiges Thema im Leben ist, nur hat die Kirche gewissen Nachholbedarf; den Oberen dämmert, dass ihre Lehre vom christlichen Zusammenleben zwischen Mann und Frau die Leute entweder vor den Kopf stößt oder bei ihnen nur noch Schulterzucken weckt. Die Kirche hinkt hinterher. Der Papst weiß das. Und startet nun eine Mission, die schwieriger nicht sein könnte: eine Reform der Sexualmoral der katholischen Kirche. Einen Megatanker durch den Rhein zu schiffern wäre dagegen ein Kinderspiel.

Jahrhunderte alte Traditionen stehen vor dem Aus

Worum geht es? Um Fragen, die für die meisten längst beantwortet sind, also: ob junge Menschen vor der Ehe Sex haben dürfen, ob Verheiratete miteinander ins Bett gehen dürfen, ohne ein Kind machen zu wollen, ob Schwulsein so in Ordnung geht wie Heterosein – und ob Geschiedene wieder heiraten dürfen und die vollen Rechte in der Kirche genießen wie alle anderen auch. Klar, es lässt die Stirn runzeln, dass darüber noch Worte zu verlieren sind. Aber noch beantwortet die katholische Kirche all diese Fragen nicht mit einem ebenso klaren Ja.

Papst Franziskus hat einen Geheimplan entwickelt, zuerst leise und heimlich, nun für jeden sichtbar, und die Mission „Kirchenreform“ läuft – taktisch geschickt choreographiert: Erst ließ er Umfragen in alle Winkel der katholischen Gemeinden schicken, gespickt mit Fragen zur Sexualmoral. Dann ließ er die Antworten evaluieren (obwohl er die Ergebnisse ahnte), bestellt nun eine Synode ein und wird auf der ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode 2015 den Sack schließen.

Für alle, die sich nicht für die Kirche interessieren, ist dieser Prozess egal – vorausgesetzt, sie arbeiten nicht in einer katholischen Institution wie einer Kita, einem Krankenhaus oder einer Schule. Für all jene aber, die sich eigentlich gern in der Kirche sehen oder sähen, ist Papst Franziskus so etwas wie ein Held. Er bringt die Kirche voran, damit man es besser in ihr aushalten kann.

Franziskus Superstar

Ärgern dürfen sich nur manche Evangelische. Vorbei die Zeiten, in denen man sich über die Vorgänger von Franziskus echauffieren konnte, über Ratzinger meckern und über Wojtyla seufzen. Evangelische, und ich bin einer von ihnen, schauen gern auf Katholiken herab, halten sich für moderner, reflektierter. Dabei übersehen sie, dass all ihr Gerede über Katholizismus von einem seit Jahrhunderten andauernden Minderwertigkeitskomplex getrieben wird. So ist das mit Abspaltern – sie suchen am meisten die Anerkennung von Mami und Papi, auch wenn sie längst aus dem Haus sind.

Evangelische mögen liberalere Kirchenregeln zum Sex haben. Besser im Bett sind sie deshalb nicht. Sie mögen freiere Kircheneinstellungen zu Mann und Frau vorfinden. Weniger bigott sind sie deshalb nicht. Und uns fehlt der Weihrauch, die Ehrfurcht vor dem Göttlichen, das Ergriffensein. Stattdessen reden wir und reden in unseren Gottesdiensten, und singen und singen. Sag mal, Franziskus, möchtest Du nicht auch unser Papst sein?