Zschäpes zerstörte Beziehungen

Die Stimmung zwischen Beate Zschäpe und ihren Verteidigern ist angespannt. (Bild: dpa)
Die Stimmung zwischen Beate Zschäpe und ihren Verteidigern ist angespannt. (Bild: dpa)


Beate Zschäpe schmollt. Mit ihren Verteidigern wechselt sie kaum ein Wort. Dann weint eine junge Zeugin bitterlich, weil sie sich von ihr Jahr um Jahr belogen fühlt. Zschäpe ist blass.

Es herrscht dicke Luft zwischen Beate Zschäpe und ihren drei Verteidigern. Wolfgang Heer, Zschäpe, Anja Sturm und Wolfgang Stahl sitzen mit ernsten Gesichtern nebeneinander. Sie wechseln lange Zeit kein Wort miteinander. Zschäpe schmollt. Die Bonbondose steht unberührt vor ihr.

Es vergeht fast eine Stunde, bevor Anwalt Stahl sich zu Zschäpe beugt und zu ihr spricht. Mit Heer und Sturm wechselt sie bis zum späten Nachmittag kein einziges Wort im Saal A 101 des Oberlandesgericht München. Um 13.14 Uhr gibt der Vorsitzende Richter Manfred Götzl bekannt, dass das Gericht Zschäpes Antrag auf Entpflichtung ihrer Verteidiger am Montag abgelehnt hat. Die am Freitag durch ihren "neuen Anwalts ihrer Wahl" eingereichte Erklärung habe für das Gericht keine konkreten und hinreichenden Anhaltspunkte für ein nachhaltig gestörtes Vertrauensverhältnis ergeben.

Götzl erklärt, durch den späten Verhandlungsbeginn an diesem 129. Tag im NSU-Prozess sollten Zschäpe, ihre Verteidiger und der "neue Anwalt" Gelegenheit bekommen, sich zu besprechen. Es wirkt nicht so, als ob sie es getan haben. Der "neue Anwalt" spielt an diesem Tag keine Rolle. Ob sich seine Funktion auf die Formulierung des Misstrauensantrag beschränkt, ist unklar. Richter Götzl fragt die Vier, ob sie zu der Angelegenheit noch etwa sagen wollen. Sie schütteln allesamt den Kopf.

Zschäpe sieht blass aus. Sie wirkt sehr einsam auf der Anklagebank. Irgendwann rückt sie ihren Stuhl so weit nach hinten, wie es nur geht. Sie ist nicht mehr auf einer Linie mit ihren Verteidigern, sondern sitzt ihnen im Rücken.

Ihre Situation wird durch die erste Zeugin nicht angenehmer. Juliane S., 21 Jahre alt, aus dem niedersächsischen Peine weint fürchterlich. Sie hat mit ihren Eltern und ihrer Schwester Jahr für Jahr mit Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Urlaub auf der Insel Fehmarn gemacht. Zuletzt 2011, wenige Monate bevor sich Böhnhardt und Mundlos erschossen und die Welt von der Existenz und den mutmaßlichen Verbrechen des rechtsterroristischen NSU erfuhr. "Für mich ist eine Welt zusammengebrochen", sagt Juliane S.: "Das kann man nicht fassen, dass jemand das macht. Ich kann es bis heute nicht verstehen." Sie weint bitterlich, als sie sagt: "Ich habe denen hundertprozentig vertraut, dann musste ich merken, dass sie mich von vorne bis hinten belogen haben."

Juliane S. sagt über Zschäpe: "Liese war wie eine Freundin." Zschäpe war für sie Liese oder Lieschen. Die Zeugin weint und weint. Sie berichtet von einem sehr engen Verhältnis der Drei untereinander. "Sie wussten alles voneinander", sagt sie. Und dass Zschäpe im Urlaub immer gezahlt habe. Einer der Uwes habe ihr einmal erzählt, wie sie Schwarzpulver für Bomben herstellen könne. Sie fand es uninteressant.

Juliane S zögert einen Moment, als sie von Götzl aus dem Zeugenstand entlassen wird. Dann dreht sie sich noch einmal zu Zschäpe um und winkt ihrer einstigen Freundin zaghaft zu. Zschäpe guckt nicht hin.

Zschäpe hat viel verloren, Vertrauen zerstört. Nun gehören auch ihre Anwälte zu denen, die sich von ihr hintergangen fühlen. Ihr Schweigen brechen will sie jedenfalls nicht. Am Schluss der Vernehmung von Juliane S. spricht Götzl Zschäpe direkt an. Er sagt: "Noch mal der Hinweis, Frau Zschäpe, Sie können auch selbst Fragen stellen." Zschäpe will nicht, sie schweigt.

Die ärgste Feind eines Anwalts ist sein Mandant, heißt es. Klar ist: Zschäpe sabotiert nicht erst seit gestern ihre eigene Verteidigung. Die Verteidigungsstrategie ist bekannt: Schweigen. Die Folge: Jedes Wort, das doch von ihr nach außen dringt, wiegt dreifach. Und es sind erstaunlich viele.

Da gibt es die Briefe, die Zschäpe aus dem Gefängnis heraus ausgerechnet einem Dortmunder Neonazi schreibt. Darin flirtet sie ihn mal an, mal stößt sie ihn weg. Sie schrieb die Briefe, obwohl ihr bewusst sein muss, dass sie bei Gericht landen. Nun geben sie dem Psychiater Hinweise auf ihre Psyche und den Richtern Hinweise auf ihre Gesinnung.

Da gibt es Zschäpes Plauderei ausgerechnet mit einem Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA), dessen Job es ist, sie der Beteiligung an zehn Morden, an zwei Sprengstoffanschlägen und mehr als ein Dutzend Banküberfällen sowie der Mitgliedschaft einer rechtsterroristischen Vereinigung zu überführen. Sie erzählte nichts wirklich Belastendes. Was sie aber tat: Sie hinterging ihre Anwälte und missachtete das Schweigegebot. Zschäpe schimpfte ausführlich über Heer und Stahl. Vor Gericht berichtete der BKA-Mann geradezu genüsslich davon.

Strafverteidiger lieben keine Überraschungen. Es geht darum, die Kontrolle zu behalten. Zschäpe hat mehrfach bewiesen, dass sie sich nicht kontrollieren lässt. Ihre Verteidiger haben das Einzige gemacht, was sie noch tun konnten: Sie haben wie an diesem Tag im Gericht schon zuvor auf eine Stellungnahme zu Zschäpes Erklärung verzichtet und darauf verwiesen, dass sie gegenüber ihrer Mandantin einer Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen.

Was auch immer Zschäpe an der Arbeit ihrer Anwälte stört. Sie selbst stellt die größte Gefahr für sich dar. Vielleicht weil sie meint, es besser zu wissen. Oder weil der Mitangeklagte Holger G. recht hat, wenn er in einer Vernehmung sagte: Zschäpe ist einfach nicht der Typ, der sich unterordnet.