Bremer Krimi-Schocker: Das waren die gruseligsten "Tatorte"

Bremer Gruselfiguren: Kommissarin Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, Szene mit Aljoscha Stadelmann) erlebte im "Tatort: Liebeswut" ein echtes Stahlbad. War das der gruseligtste Sonntagskrimi der letzten Jahre? (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)
Bremer Gruselfiguren: Kommissarin Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, Szene mit Aljoscha Stadelmann) erlebte im "Tatort: Liebeswut" ein echtes Stahlbad. War das der gruseligtste Sonntagskrimi der letzten Jahre? (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)

Hermetisch abgeriegelte Schlafzimmer mit Frauenleiche im Hochzeitskleid, Wohnungen mit doppeltem Boden, Traumata aus der Kindheit: War der Bremer "Tatort: Liebeswut" der gruseligste Krimi seit langem oder doch nur Effekhascherei? Welche waren die furchterregensten "Tatort"-Krimis der letzten Jahre?

"Tatort: Liebeswut", der dritte Bremer "Tatort" mit den Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) - es fehlte der Exildäne Mads Andersen (Dar Salim) -, war ein echtes Gruselstück. Szenen wie aus einer blutgetränkten Graphic Novel, überlebensgroße Düster-Verdächtige und - im wahrsten Sinne des Wortes - verwinkelte Schauplätze. Doch bekam man es ob der großen Bilder von Regisseurin Anne Zohra Berrached ("Tatort: Der Fall Holdt") auch wirklich mit der Angst zu tun? Und bei welchen anderen "Tatort"-Folgen aus den letzten Jahren muss man höllisch aufpassen, dass bloß keine Kinder heimlich mitschauen?

Nach einem Wohnungsbrand wird die Leiche einer Mieterin in ihrem hermetisch abgedichteten Schlafzimmer gefunden. Die Frau im Hochzeitskleid ist an einem Kopfschuss gestorben, an der Wand eine kryptische Nachricht. Die Kommissarinnen Selb (Luise Wolfram, links) und Moormann Jasna Fritzi Bauer) ermitteln. (Bild: Radio Bremen)
Nach einem Wohnungsbrand wird die Leiche einer Mieterin in ihrem hermetisch abgedichteten Schlafzimmer gefunden. Die Frau im Hochzeitskleid ist an einem Kopfschuss gestorben, an der Wand eine kryptische Nachricht. Die Kommissarinnen Selb (Luise Wolfram, links) und Moormann Jasna Fritzi Bauer) ermitteln. (Bild: Radio Bremen)

Worum ging es?

Der Wohnungsbrand in einer Mietskaserne sorgt für einen bizarren Leichenfund. Hinter einer verklebten, verspachtelten Tür liegt - gut erhalten - eine tote Frau im Hochzeitskleid. Liv Moormann und Linda Selb lesen an der Wand in großen Lettern eine kryptische Botschaft. Der Teufel spreche durch die Wände und wolle jemanden holen. Handelt es sich um den Selbstmord einer psychisch Kranken? Die Tote war Mutter zweier kleinen Töchter, die nicht aufzufinden sind. Der getrennt von der Familie lebende Vater (Matthias Matschke) wartet mit seiner jungen schwangeren Freundin (Milena Kaltenbach) auf die Ankunft von Zwillingen. Und dann sind da noch die Eltern der Toten (Ulrike Krumbiegel, Thomas Schendel), die ihre Tochter als extrem labil beschreiben.

Groß und Klein im Bremer Gruselhaus: Die Kommissarinnen Linda Selb (Luise Wolfram, links) und Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) ermitteln diesmal ohne ihren dänischen Kollegen Mads Andersen (Dar Salim). Dessen Leichtigkeit fehlt durchaus ...  (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)
Groß und Klein im Bremer Gruselhaus: Die Kommissarinnen Linda Selb (Luise Wolfram, links) und Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) ermitteln diesmal ohne ihren dänischen Kollegen Mads Andersen (Dar Salim). Dessen Leichtigkeit fehlt durchaus ... (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)

Worum ging es wirklich?

Der Krimi war eine Stilübung in Sachen Gruselkultur: Beobachtungslöcher in der Wand, verborgene Zimmer, extrem übertriebene Figuren wie der wunderliche Hausmeister (Dirk Martens) oder der dauereislutschende dicke Nachbar im Unterhemd (Aljoscha Stadelmann) - das alles war so weit weg vom klassischen TV-Ermittlungskrimi wie Micky Maus von Freddy Krueger. Das wider das Genreklischee, dass Horror eine männliche Domäne sei, agierende Kreativduo Martina Mouchot (Buch) und Anne Zohra Berrached (Regie) badete das Bremer Ermittlerinnen-Duo in alten Traumata und Verfolgungsjagden in unterirdischen Höhlengängen. Solange, bis Zuschauende jeglichen Realismus-Wunsch aufgaben, um ins Schweigen der Lämmer einzustimmen. Wer Gruselbilder der Marke Wallander oder "Sieben" von David Fincher mag, wurde hier gut bedient.

Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, zweite von links) verhört den Ex-Ehemann der Toten, Thomas Kramer (Matthias Matschke). Moormanns Kollegin Selb (Luise Wolfram) hört im Hintergrund zu. (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)
Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, zweite von links) verhört den Ex-Ehemann der Toten, Thomas Kramer (Matthias Matschke). Moormanns Kollegin Selb (Luise Wolfram) hört im Hintergrund zu. (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)

Warum gibt es immer mehr Grusel aus Deutschland?

Es ist schon auffällig: In den letzten Jahren spielten deutsche Premium-Krimis wie "Tatort" und "Polizeiruf 110" immer wieder mal mit dem Horror- und Gruselgenre. Etwas, von dem deutsche Fernsehkreative zuvor jahrzehntelang die Finger gelassen haben. Hatte man Angst vor wütenden Protesten alter "Derrick"-Fans, die Krimis eher als TV-Kreuzworträtsel mit dem Lösungswort "Täter" empfinden? Mit der Horrorserie "Hausen" erschufen Sky Deutschland und ihr Star Charly Hübner 2020 sogar eine komplette Serie in ziemlich manierierten Bildern, die das Gruselhaus-Genre abfeierte. Tatsächlich kehren deutsche Filmschaffende, die zuvor neidisch auf den Exotismus des ausländischen Genrekinos schauten, mit ihrer neuen Lust am Horror nur zu ihren kulturellen Wurzeln zurück. Während der 20er-Jahre galt Deutschland mit expressionistischen Gruselwerken wie "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" (1922), "Dr. Mabuse, der Spieler" (1922) oder "M" (1931) als einflussreicher Vorreiter dieses Filmgenres. Im "Tatort" feiert dieses Erbe nun offenbar eine Renaissance.

Ein Haus, in dem es viel Seltsames zu entdecken gibt: Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) untersucht Gernot Schaballas (Aljoscha Stadelmann) Wohnung. (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)
Ein Haus, in dem es viel Seltsames zu entdecken gibt: Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) untersucht Gernot Schaballas (Aljoscha Stadelmann) Wohnung. (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)

Das waren die Grusel-"Tatorte" der letzten Jahre

Welche "Tatort"-Folgen spielten zuletzt mit klassischen Grusel-Elementen und wie gelungen war das? Verfolgt man die "Timeline" von der Gegenwart chronologisch zurück, stößt man mit dem Dresdener Fall "Parasomnia" (Oktober 2020) auf den vielleicht besten Grusel-"Tatort" der letzten Jahre. Ein Mädchen, das schlafwandelt sieht tote Menschen in ihrem Haus - und auch einen echten Mörder? Selten sahen Horror-Figuren im deutschen Fernsehen so gruselig aus wie hier. Doch auch in den Jahren zuvor spielte man beim "Tatort" bereits mit dem Genre: Im Bremer Vampir-"Tatort: Blut" (Oktober 2018), der Kieler Folge "Borowski und das Haus der Geister" (September 2018) und auch im Frankfurter "Tatort: Fürchte dich" (Oktober 2017).

Nachbar Gernot Schaballa (Aljoscha Stadelmann) will als einziger Schüsse gehört haben. Welche Rolle spielt er in diesem Fall? (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)
Nachbar Gernot Schaballa (Aljoscha Stadelmann) will als einziger Schüsse gehört haben. Welche Rolle spielt er in diesem Fall? (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)

Wo war Mads Andersen in dieser Folge?

Das Bremer-Ermittlungstrio war diesmal nur ein Duo. Mads Andersen, gespielt vom dänischen Top-Schauspieler und "Game of Thrones"-Star Dar Salim, hatte angeblich in Kopenhagen zu tun. Doch bedeutet das, dass wir uns vom coolen Dänen nach zwei Folgen schon wieder verabschieden müssen? Auf Nachfrage heißt es dazu von Radio Bemen: "Thematisch ist es nicht immer sinnvoll, Liv Moormann, Mads Andersen und Linda Selb gemeinsam ermitteln zu lassen. Je nach Drehbuch und Dramaturgie kann der Film auch stärker werden, wenn zwei Ermittelnde die Story tragen. Diese gestalterische Freiheit ist so in der Aufstellung angelegt, und wir setzen sie beim 'Tatort: Liebeswut' um."

Jaqueline Deppe (Milena Kaltenbach), die schwangere Freundin des getrenntlebenden Ehemanns, ist ebenfalls eine ziemlich seltsame Person.
 (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)
Jaqueline Deppe (Milena Kaltenbach), die schwangere Freundin des getrenntlebenden Ehemanns, ist ebenfalls eine ziemlich seltsame Person. (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)

Wie geht es beim Bremer "Tatort" weiter?

Auch hier noch einmal ein Zitat von Radio Bremen: "Aktuell laufen bereits die Planungen für den nächsten Fall, und viel verraten wir noch nicht, aber Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer), Mads Andersen (Dar Salim) und Linda Selb (Luise Wolfram) werden sich bald im Bremer 'Tatort' wiedersehen."

Der Ex-Ehemanns der Toten, Thomas Kramer (Matthias Matschke), macht sich Sorgen um seine beiden verschwundenen Töchter.  (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)
Der Ex-Ehemanns der Toten, Thomas Kramer (Matthias Matschke), macht sich Sorgen um seine beiden verschwundenen Töchter. (Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding)