Bringen Orcas sich gegenseitig bei, wie man Schiffe zum Kentern bringt?

Neue Verhaltensweisen von Orcas machen Forschern Sorge: Die Schwertwale greifen Schiffe offenbar mit voller Absicht an - und geben das Wissen darüber an den Nachwuchs weiter.

Obwohl sie auch als Killerwale bekannt sind, sind Orcas für Menschen in der Regel ungefährlich - doch nun wird ein neues Verhalten bei den Tieren beobachtet (Symbolbild: Getty Images)
Obwohl sie auch als Killerwale bekannt sind, sind Orcas für Menschen in der Regel ungefährlich - doch nun wird ein neues Verhalten bei den Tieren beobachtet (Symbolbild: Getty Images)

In Frank Schätzings Bestseller "Der Schwarm" ist ein Walangriff auf ein Whale-Watching-Boot der erste Vorbote einer Reihe von unheimlichen Attacken von Meerestieren auf Menschen. Bei dem Werk handelt es sich um reine Science-Fiction, doch offenbar könnte ein Körnchen Wahrheit in der Wal-Szene stecken. Denn eine Studie stellte die These auf, dass Schwertwale in bestimmten Fällen Boote vorsätzlich angreifen könnten.

Anders als in Schätzings Roman werden Orcas freilich nicht von einer parasitären Schwarmintelligenz fremdgesteuert. Vielmehr geht die Studie, die 2022 im Fachmagazin Marine Mammal Science veröffentlicht wurde, davon aus, dass die Wale sich das Verhalten gegenseitig beibringen.

Nehmen Orca-Angriffe auf Schiffe zu?

Die Forschung erhält nun neue Aufmerksamkeit, da mehrere derartige Angriffe nacheinander beobachtet wurden. So wurde der deutschen Zeitschrift Yacht zufolge am 4. Mai eine Segelyacht vor Gibraltar von drei Orcas angegriffen, was sie zum Sinken brachte. Wie der Skipper Werner Schaufelberg der Publikation sagte, schienen die Wale dabei systematisch vorzugehen. "Die beiden Kleinen rüttelten hinten am Ruder, während der Große immer wieder Anlauf nahm und dann mit voller Wucht von der Seite das Schiff rammte", erklärte er. "Die Angriffe waren brutal."

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Zwei Tage zuvor hatte eine Gruppe von sechs Schwertwalen ein Segelboot angegriffen. Wie der Passagier Greg Blackburn dem Nachrichtenportal 9News sagte, habe es den Anschein gehabt, als hätte ein Muttertier dabei ihr Junges angeleitet: "Da passierte definitiv eine Art von Unterricht."

Bis vor wenigen Jahren waren derartige Zwischenfälle zwischen Orcas und Menschen äußerst selten. Doch wie auch die Studie aus dem vergangenen Jahr anmerkte, scheinen sie sich seit 2020 zu häufen.

Die Angriffe von Orcas häufen sich, vor allem auf Segelboote haben sie abgesehen (Symbolbild: getty Images)
Die Angriffe von Orcas häufen sich, vor allem auf Segelboote haben sie abgesehen (Symbolbild: getty Images)

Steckt ein traumatisches Erlebnis hinter dem Verhalten?

Wie die Forscher feststellten, nehmen Orcas dabei insbesondere Segelboote ins Visier und scheinen einem klaren Muster zu folgen: Die Tiere attackieren das Ruder und lassen von dem Boot ab, sobald es sich nicht mehr fortbewegt.

Für die Forscher besteht kein Zweifel, dass die zunehmenden Angriffe vorsätzlich geschehen, wie Studienleiter Alfredo López Fernandez in Marine Mammal Science schreibt. Weniger klar sei der Grund, doch man gehe stark von einer posttraumatischen Reaktion aus.

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Demnach sei ein weiblicher Orca, den die Wissenschaftler White Gladis getauft haben, vor wenigen Jahren schmerzhaft von einem illegalen Fischerboot gerammt worden, was eine Veränderung im Verhalten ausgelöst haben könnte. "Dieser traumatisierte Orca hat das bisher ungewöhnliche Verhalten, Boote körperlich anzugreifen, gestartet", mutmaßt López Fernandez. Derart soziale und intelligente Tiere wie Schwertwale würden derartige Verhaltensweisen voneinander lernen können.

Für Menschen verliefen die Angriffe harmlos - doch die Forscher sind besorgt

Zwar stellen die Angriffe für Orcas ein Risiko dar, doch gerade die jungen könnten es als Abendteuer betrachten, wie López Fernandez erklärt. Dennoch verzeichnen die Forscher seit Beginn der Angriffe in den Gebieten, in denen sie stattfanden, vier tote Tiere.

Ob deren Tod eine direkte Folge der Bootangriffe sind, kann nicht nachgewiesen werden. Fest steht jedoch, dass die Attacken für Menschen bisher verhältnismäßig harmlos verlaufen. Bei 500 untersuchten Interaktionen zwischen Mensch und Orca wurden bislang drei gesunkene Schiffe verzeichnet, wobei keine Personen verletzt wurden.

Die zunehmende Zahl beunruhigt die Wissenschaftler dennoch - sowohl wegen der Gefahr für die Menschen als auch für die Schwertwale, die als gefährdet gelten.

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