Buch: Reise nach Lummerland: Thomas Hettches „Herzfaden“

Kasperle als Traumabewältigung: Thomas Hettche hat mit „Herzfaden“ einen Roman über das berühmteste Marionettentheater Deutschlands geschrieben. Die Entstehungsgeschichte der Augsburger Puppenkiste lässt dabei tiefe Einblicke in das Seelenleben der Nachkriegsgesellschaft zu. Erstmals vor Frontsoldaten erprobt, gründet der in Augsburg lebende Schauspieler Walter Oehmichen noch während des Zweiten Weltkrieges ein improvisiertes Puppentheater. Die tanzenden Puppen lassen die vom Kriegsalltag gebeutelten Deutschen wieder lächeln.

Vor allem Oehmichens jüngste Tochter ist begeistert. „Herzfaden“ ist daher auch eine Hommage an

„Herzfaden“ war für den Deutschen Buchpreis 2020 nominiert.<span class="copyright">Kiepenheuer&Witsch</span>
„Herzfaden“ war für den Deutschen Buchpreis 2020 nominiert.Kiepenheuer&Witsch

Hannelore Marschall-Oehmichen, genannt Hatü, die bis zu ihrem Tod im Jahr 2003 über 6000 Puppen geschnitzt hat. Der Leser verfolgt Hatüs Erwachsenwerden parallel zum Aufstieg der Puppenkiste; von finanziellen Schwierigkeiten während der Inflation bis hin zu ersten Fernsehaufführungen. Dabei wird auch die Puppenkiste erwachsener: Während die ersten Stücke noch Märchen zeigten, wurde kurze Zeit später bereits „Faust“ adaptiert.

Puppenspiel als Schuldbewältigung

Die Darsteller sind dabei nicht einfach hölzerne Marionetten. Hettche weiß um die transformative Kraft der Puppen, welche Gefühle sie im Zuschauer auslösen. Der Magie der scheinbar führerlosen Marionetten kann sich niemand entziehen. „Die Fäden, an denen sie hängen, setzen genau in ihrem Zentrum an“, lässt Hettche Walter Oehmichen sagen, „weshalb man denkt, ihre Bewegungen hätten so etwas wie eine Seele. Dabe...

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