Bundesminister Cem Özdemir: Verarbeitete Lebensmittel müssen endlich gesünder werden

Bis 2025 hat die Lebensmittelindustrie noch Zeit, Salz, Zucker und Fett in vielen Produkten zu senken

In Tiefkühlpizza ist oft zu viel Salz und Fett enthalten. Deshalb sollen die Hersteller ihre Produkte gesünder machen
In Tiefkühlpizza ist oft zu viel Salz und Fett enthalten. Deshalb sollen die Hersteller ihre Produkte gesünder machen. (Foto: Symbolbild / Getty Images)

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) arbeitet schon lange daran, verarbeitete Lebensmittel gesünder zu machen. Der Grund: Tiefkühlpizzen, Cornflakes und Co. beinhalten oft zu viel Kalorien, Zucker, ungesättigte Fette oder Salz.

Wer zu viel davon isst, kann Übergewicht und damit auch gesundheitliche Probleme wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus Typ 2 entwickeln. Das trifft nicht nur die Betroffenen, es entstehen dadurch auch hohe Kosten für die Gesellschaft.

Deshalb hat das BMEL bereits 2018 die "Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salze in Fertigprodukten" auf die Beine gestellt. Das Ziel ist es, "eine gesundheitsförderliche Ernährung für alle Menschen zu unterstützen". Vor allem Kinder und Jugendliche sollen dadurch geschützt werden, indem Produkte mit "Kinderoptik" gesünder werden.

Der Strategie haben sich auch elf Verbände der Lebensmittelwirtschaft angeschlossen. Sie haben sich verpflichtet, bis 2025 die entsprechenden Anteile an Zucker, Fett und Salz in ihren Produkten senken, damit ihre verarbeiteten Lebensmittel gesünder werden.

Um zu überprüfen, ob sich die Branche an ihre Selbstverpflichtung hält, wurde das Max Rubner-Institut (MRI) mit einem regelmäßigen Monitoring beauftragt. Das hat jetzt nach 2020 und 2023 einen weiteren Zwischenbericht herausgegeben.

Das Ergebnis: Zwar gab es in einigen Produktgruppen "Reduktionen der Zucker-, Fett-, Salz- und teilweise auch der Energiege­halte". Allerdings sei laut MRI auch erkennbar, dass die "Reduktionsbemühungen der Lebensmittelwirtschaft in den letzten Jahren teilweise nachgelassen haben oder zum Stillstand gekommen sind". Es gab sogar "in einigen Produktgruppen Erhöhungen der Energie- bzw.Nährstoffgehalte".

Beispielsweise sei bei Joghurtzubereitungen eine kontinuierliche Zuckerreduktion sichtbar: "Im Vergleich zur ersten Folgeerhebung im Jahr 2019 sank der Zuckergehalt um 6 Prozent. Bei gesüßten Quarkzubereitungen fand hingegen seit 2019 keine statistisch signifikante Veränderung statt. Die Zuckergehalte in gesüßten Milchprodukten mit Kinderoptik blieben seit 2019 mit durchschnittlich 11,5 Gramm pro 100 Gramm im Jahr 2022 hoch, das Reduktions­tempo hat sich verlangsamt."

Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir erklärt auf der Seite des BMEL zu dem Zwischenergebnis: "Der zweite NRI-Zwischenbericht macht leider deutlich, dass die bisherigen Reformulierungen nicht ausreichen. Daher haben wir das MRIbeauftragt, wissenschaftlich unterlegte Reduktionsziele in einem breiten Stakeholder-Prozess zu entwickeln. Diese objektive, wissenschaftlich fundierte Grundlage für weitere Reformulierungen wird mein Ministerium gegenüber der Lebensmittelwirtschaft einfordern. Wir alle tragen Verantwortung."

Unter Reformulierung versteht man eine veränderte Zusammensetzung der Inhaltsstoffe eines verarbeiteten Lebensmittels. Damit die Lebensmittelwirtschaft nicht mit dieser Aufgabe alleine dasteht, forscht auch das Max Rubner-Institut seit vielen Jahren dazu, die Lebensmittelbestandteile Salz, Zucker und Fett zu reduzieren. Nur, "einfach weglassen" kann man sie nicht, weil sie fast immer wichtige Funktionen haben. Dazu schreibt das MRI: "Salz im Käse hemmt zum Beispiel gefährliche Mikroorganismen, Zucker in Milchprodukten beeinflusst die zur Jogurt-Herstellung nötigen Bakterienkulturen und Fett ist bekanntermaßen ein wichtiger Geschmacksträger."

Deshalb untersucht das MRI in mehreren Forschungsprojekten, wie die in größeren Mengen ungesunden Inhaltsstoffe gesenkt oder ersetzt werden können. MRI-Sprecherin Iris Lehmann erklärt, dass man dazu neue Rezepturen und Herstellungsverfahren erforsche, die weniger Zucker, Fette und Salz enthalten, ohne dass der Genuss der Lebensmittel oder deren Sicherheit beeinträchtigt würden.

Bereits 2019 hat das MRI ein Video auf Youtube hochgeladen, das einige Produkte zeigt, die erfolgreich "reformuliert" wurden. Beispielsweise eine um 50 Prozent fettreduzierte Gelbwurst oder Süßgebäck mit Rapsöl statt Palmöl. "Gleicher Geschmack, gesünderes Fett" heißt es in dem Clip.

Das MRI soll mit seiner Forschung vor allem aber zeigen, dass es technisch möglich ist, verarbeitete Lebensmittel gesünder zu machen und den Geschmack beizubehalten.

Die aktuelle Kritik aus dem Bundesministerium kann Christoph Minhoff, Lobbyvertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, nicht nachvollziehen. Er wird in einer aktuellen Pressemitteilung so zitiert: „Die Branche hält sich an ihre Vereinbarungen, die im Übrigen noch bis 2025 laufen. Gewünscht war von der Politik explizit eine Reduktion der Gehalte an Zucker, Fett oder Salz. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass eine Zuckerreduktion nicht automatisch mit einer Kalorienreduktion einhergeht. Die Branche jetzt dafür zu kritisieren, dass sie sich an die Vorgaben hält, ist daher unredlich.“

Davon abgesehen, so heißt es in der Pressemitteilung weiter, "bleibt die Grundsatzvereinbarung zwischen dem BMEL und den Wirtschaftsbeteiligten des Runden Tisches für den Lebensmittelverband bindend". Diese sehe bis 2025 ein Bündel von Maßnahmen vor, das je nach Produkten, Produktkategorie, Machbarkeit und Verbraucherakzeptanz neben der Reduktion von Zucker, Fetten und Salz auch Maßnahmen rund um Portionsgrößen, Produktaufmachung, Angebotsformen sowie Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen in der Wirtschaft und Informationskampagnen gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern umfasse.