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Chaos in Washington: Der Sturm auf das Kapitol und die Folgen

Sicherheitskräfte räumten am Mittwoch die Stufen vor dem Kapitol mit Tränengas und Blendgranaten (Bild: Reuters/Leah Millis)
Sicherheitskräfte räumten am Mittwoch die Stufen vor dem Kapitol mit Tränengas und Blendgranaten (Bild: Reuters/Leah Millis)

Am US-Parlamentssitz spielten sich nie da gewesene Szenen ab. Proteste von Anhängern des abgewählten Präsidenten Trump arteten in Gewalt aus. Erst nach Stunden voller Chaos kam der Kongress wieder zusammen. Es gab nach Polizeiangaben vier Tote im Zusammenhang mit den Ausschreitungen.

Biden: Sturm des Kapitols ein dunkler Tag in der US-Geschichte

Der designierte US-Präsident Joe Biden hat den gewaltsamen Sturm des Kapitols als “einen der dunkelsten Tage in der Geschichte” der Vereinigten Staaten bezeichnet. Die Angreifer seien keine Demonstranten gewesen, sondern “inländische Terroristen”, sagte Biden am Donnerstag in Wilmington im Bundesstaat Delaware. “So einfach ist das”, betonte Biden. Der “Mob” habe versucht, die Stimmen von fast 160 Millionen Amerikanern, die trotz der Pandemie gewählt hätten, “zum Schweigen zu bringen”, sagte Biden. Es sei ein “beispielloser Angriff auf unsere Demokratie” gewesen, sagte er.

Auch Joe Biden verurteilte den Angriff auf das Kapitol (Bild: Reuters/Kevin Lamarque)
Auch Joe Biden verurteilte den Angriff auf das Kapitol (Bild: Reuters/Kevin Lamarque)

Der Sturm sei eine Folge der anhaltenden Angriffe Donald Trumps auf die Demokratie gewesen. Der amtierende Präsident habe in seiner vierjährigen Amtszeit die “Verachtung” für die Demokratie in Amerika sehr deutlich gemacht. “Von Anfang an hat er einen kompletten Angriff auf die Institutionen unserer Demokratie ausgeführt”, sagte Biden mit Blick auf den Republikaner Trump. Die Vorfälle vom Mittwoch seien “der Höhepunkt dieses unnachlässigen Angriffs” gewesen.

Demokratische Anführer im Kongress fordern Absetzung Trumps

Als Reaktion auf die Krawalle in Washington hat nach dem obersten Demokraten im US-Senat auch die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die sofortige Absetzung von Präsident Donald Trump gefordert. Pelosi sagte am Donnerstag in Washington, sie rufe den amtierenden US-Vizepräsidenten Mike Pence auf, eine Amtsenthebung auf Basis des Zusatzartikels 25 der US-Verfassung anzustrengen. Trump sei gefährlich und dürfe nicht länger im Amt bleiben. “Dies ist dringend.”

Neben einem regulären Amtsenthebungsverfahren, wie es auch während der Russlandermittlungen von Robert Mueller gegen Trump verfolgt wurde, gibt es einen schnelleren Weg, einen US-Präsidenten aus dem Amt zu entfernen: Zusatzartikel 25 der Verfassung erlaubt es, den Präsidenten für “unfähig, die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben” zu erklären. Eine solche Erklärung müssen der Vizepräsident und eine Mehrheit der wichtigsten Kabinettsmitglieder vornehmen und dies dann dem Kongress mitteilen. Legt der Präsident Widerspruch ein, müssen die beiden Kongress-Kammern Senat und Repräsentantenhaus mit einer Zweidrittelmehrheit der Amtsenthebung zustimmen. Es bräuchte große Teile der republikanischen Partei im Kongress, um diese Mehrheiten zu erreichen.

Zuvor hatte der oberste Demokrat im US-Senat, Chuck Schumer, ebenfalls unter Hinweis auf den Zusatzartikel die Absetzung gefordert. “Was gestern im US-Kapitol passiert ist, war ein Aufstand gegen die Vereinigten Staaten, aufgehetzt durch den Präsidenten”, erklärte Schumer. “Dieser Präsident sollte keinen Tag länger sein Amt behalten.”

Die Polizei stand mit gezogenen Waffen bereit, als Eindringlinge in die Hauskammer vordringen wollten (Bild: AP Photo/J. Scott Applewhite)
Die Polizei stand mit gezogenen Waffen bereit, als Eindringlinge ins Abgeordnetenhaus vordringen wollten (Bild: AP Photo/J. Scott Applewhite)

US-Medien hatten am Mittwochabend (Ortszeit) berichtet, dass einzelne Kabinettsmitglieder eine Enthebung nach Artikel 25 diskutiert hatten. Unter anderem auch ein wichtiger Wirtschaftsverband und der republikanische Haus-Abgeordnete Adam Kinzinger hatten diese Art der Amtsenthebung befürwortet. Ein reguläres Verfahren würde in der noch verbleibenden zweiwöchigen Amtszeit Trumps kaum zu Ende gebracht werden können.

Auch die Bürgermeisterin Washingtons, Muriel Bowser, forderte, den amtierenden Präsidenten Donald Trump für den “beispiellosen Angriff auf unsere Demokratie” zur Rechenschaft zu ziehen. “Was gestern passiert ist, ist genau das, was er wollte”, sagte Bowser am Donnerstag. Trump habe seine Anhänger gezielt angestachelt, fügte sie hinzu. Die gewaltsame Stürmung des Kapitols sei ein klarer Fall von “inländischem Terrorismus” gewesen, sagte Bowser. Die Täter müssten festgenommen und vor Gericht gestellt werden, forderte sie. Die Polizei Washington nahm im Laufe des Abends 68 Personen fest und unterstützte die Polizeikräfte des US-Kapitols, hieß es.

Erster Rücktritt eines US-Kabinettsmitglieds nach Unruhen am Kapitol

Einen Tag nach dem Angriff auf das Kapitol durch Anhänger von US-Präsident Donald Trump ist ein erstes Mitglied seines Kabinetts zurückgetreten. Verkehrsministerin Elaine Chao teilte am Donnerstag mit, sie werde ihr Amt am Montag aufgeben. “Gestern hat unser Land ein traumatisches und völlig vermeidbares Ereignis durchlebt, als Unterstützer des Präsidenten das Kapitol nach einer Kundgebung stürmten, bei der er sprach. Wie es sicher bei vielen von Ihnen der Fall ist, hat mich das auf eine Weise tief beunruhigt, die ich nicht beiseite schieben kann.” Chao ist die Ehefrau des Mehrheitsführers der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell.

McConnell war ein enger Verbündeter Trumps. Er geriet dann aber in die Kritik des Präsidenten, als er dessen Versuche, den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentenwahl am 3. November noch zu kippen, nicht unterstützen wollte. Chao war seit dem Beginn von Trumps Amtszeit im Januar 2017 Verkehrsministerin. Von 2001 bis 2009 war sie unter Präsident George W. Bush Arbeitsministerin. Damals war sie die erste Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln, die von einem US-Präsidenten ins Kabinett berufen wurde.

Neuer Sicherheitszaun am Kapitol - 6000 Nationalgardisten mobilisiert

Nach der gewaltsamen Stürmung des Kapitols haben Kräfte der Hauptstadtpolizei mit der Errichtung eines rund zwei Meter hohen Metallzauns rund um das Parlamentsgebäude begonnen. Die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen würden zunächst für 30 Tage bestehen bleiben, sagte Polizeichef Robert Contee am Donnerstag. Bis zum Wochenende würden rund 6200 Mitglieder der Nationalgarde aus verschiedenen Staaten die örtlichen Sicherheitskräfte unterstützen, sagte er. Die örtliche Polizei helfe den Sicherheitskräften des Kapitols am Donnerstag zudem mit rund 850 Beamten, so Contee.

Die verschärften Sicherheitsmaßnahmen und der Einsatz der Nationalgarde werden damit auch während der Amtseinführung des neuen Präsidenten Joe Biden am 20. Januar gelten, wie Contee erklärte. Biden soll feierlich vor dem Kapitol vereidigt werden. Dafür waren vor dem Parlamentsgebäude auch bereits Tribünen errichtet worden, die am Mittwoch teils von den Anhängern des amtierenden Präsidenten Donald Trump gestürmt worden waren.

FBI sammelt Hinweise zu Teilnehmern des Sturms auf das Kapitol

Das FBI hat eine Webseite für Hinweise auf Teilnehmer des Sturms auf das Kapitol in Washington eingerichtet. Die US-Bundespolizei bietet dort seit der Nacht zum Donnerstag die Möglichkeit, Videos und Fotos von Straftaten hochzuladen.

Die Ermittler können bereits darüber hinaus auf eine Fülle von belastendem Material aus erster Hand zurückgreifen: Trump-Anhänger hatten in sozialen Medien selbst zahlreiche Fotos und Videos veröffentlicht. Da sie trotz des Corona-Risikos zumeist keine Masken tragen, sind darauf viele Gesichter klar zu erkennen. Die Angreifer wurden unter anderem dabei gefilmt, wie sie durch die Hallen des Kapitols laufen und in den Sitzungssaal sowie Büros von Abgeordneten eindringen.

Polizei: Zwei Sprengsätze in Washington waren gefährlich

Bei zwei am Mittwoch in Washington gefundenen Rohrbomben handelte es sich nach Behördenangaben tatsächlich um gefährliche Sprengsätze. Sie hätten großen Schaden anrichten können, teilte die Kapitol-Polizei am Donnerstag mit. Die Sprengsätze seien entschärft und an die Bundespolizei FBI für weitere Ermittlungen übergeben worden. Am Mittwoch war zunächst unklar gewesen, ob es sich bei den verdächtigen Objekten nicht um Attrappen handelte. Einer der Sprengsätze war am Hauptquartier der Republikanischen Partei positioniert worden.

Proteste wütender Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump in der Hauptstadt Washington waren am Mittwoch (Ortszeit) eskaliert und hatten das politische Zentrum der USA zeitweise in beispielloses Chaos gestürzt. Nach einer aufstachelnden Rede des Republikaners marschierten Trump-Unterstützer vor dem Kapitol auf, dem Sitz des US-Parlaments, um gegen die Zertifizierung der Präsidentschaftswahlergebnisse zu protestieren. Randalierer stürmten das Kongressgebäude. Die beiden Kongresskammern mussten ihre Sitzungen unterbrechen, Parlamentssäle wurden geräumt, Abgeordnete in Sicherheit gebracht. Erst Stunden später nahm der Kongress seine Beratungen demonstrativ wieder auf, um Trumps Niederlage bei der Wahl endgültig zu besiegeln. Trump kündigte nach Bestätigung des Ergebnisses eine geordnete Machtübergabe an, den Wahlausgang erkenne er jedoch weiterhin nicht an.

Angesichts der Ausschreitungen wurde die Nationalgarde mobilisiert. Im Kapitol schwärmten bewaffnete Sicherheitskräfte durch die Räume, um die Unruhestifter zu stellen. In Washington trat am Abend eine Ausgangssperre bis zum frühen Donnerstagmorgen in Kraft. Auch für die angrenzenden Städte Arlington und Alexandria wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.

Vier Tote nach Ausschreitungen

Nach der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols durch Trump-Unterstützer wurde eine Frau angeschossen - sie starb wenig später, wie der Chef der Polizei in der US-Hauptstadt, Robert Contee, in der Nacht zu Donnerstag sagte. “Darüber hinaus wurden heute drei weitere Todesfälle aus der Umgebung des Kapitols gemeldet. Eine erwachsene Frau und zwei erwachsene Männer scheinen an unterschiedlichen medizinischen Notfällen gelitten zu haben, die zu ihrem Tod führten.”

Contee machte keine Angaben dazu, wer die Frau war, die im Kapitol angeschossen wurde. “Das ist ein tragischer Vorfall, und ich kondoliere der Familie und den Freunden des Opfers”, sagte er. Der Vorfall werde intern von der Polizei untersucht. Unklar blieb auch, um welche medizinischen Notfälle es sich handelte. Contee sagte weiter, bei den Zusammenstößen seien mindestens 14 Polizisten verletzt worden, zwei davon schwer.

Die erschossene Frau hieß laut US-Medienberichten Ashli Babbitt und lebte in der Gegend von San Diego im Süden Kaliforniens. Der TV-Sender Kusi berichtete, Babbitt sei Veteranin der Luftwaffe gewesen, die an mehreren Auslandseinsätzen teilgenommen habe. Unter Berufung auf ihren Mann berichtete der Sender auch, Babbitt sei eine "starke Anhängerin" Trumps gewesen. Auf ihrem Twitter-Account hatte Babbitt Unterstützernachrichten für Trump und Verschwörungstheorien verbreitet. "Nichts wird uns aufhalten", schrieb sie in einem Tweet vom Dienstag. "Der Sturm ist da und wird in weniger als 24 Stunden auf die Hauptstadt niedergehen!"

Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Randalierer Scheiben zerschlugen, sich so Zugang zum Gebäude verschafften und auch in Abgeordnetenbüros eindrangen. Auf einem anderen Bild posierte ein Demonstrant im geräumten Senatssaal mit erhobener Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden. Erst nach mehreren Stunden brachten Sicherheitskräfte die Lage am Parlamentssitz wieder unter ihre Kontrolle. Kurz darauf nahm der Kongress seine Arbeit wieder auf.

Abgeordnete beider Parteien verurteilen Randale

Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sagte, die Kammer lasse sich nicht einschüchtern und werde sich nicht Gesetzlosen beugen. Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nannte die Aufrührer “inländische Terroristen”. Er machte Trump für den Angriff auf das Kapitol mitverantwortlich.

Mehrere demokratische Kongressabgeordnete gaben Trump ebenfalls persönlich die Schuld für die Eskalation und forderten ein erneutes Amtsenthebungsverfahren gegen ihn. Aber auch mehrere Republikaner warfen Trump öffentlich vor, er habe den Aufruhr angezettelt.

Der künftige US-Präsident Joe Biden sprach von einem Angriff auf die Demokratie. “Das Kapitol zu stürmen, Fenster einzuschlagen, Büros zu besetzen, den Senat der Vereinigten Staaten zu besetzen, durch die Schreibtische des Repräsentantenhauses im Kapitol zu wühlen und die Sicherheit ordnungsgemäß gewählter Beamter zu bedrohen, ist kein Protest”, sagte der Demokrat. “Es ist Aufruhr.”

US-Außenminister Mike Pompeo hat die Erstürmung des Kongresses mit scharfen Worten verurteilt. Er habe in seinem Amt auf vielen Auslandsreisen das Recht auf friedlichen Protest verteidigt, schrieb Pompeo am Mittwoch im Kurzbotschaftendienst Twitter. Es sei jedoch sowohl im Inland wie im Ausland "unerträglich", bei Protesten Gewalt auszuüben und die Sicherheit Anderer zu riskieren.

Ex-Präsidenten zeigen sich schockiert

Schockiert äußerten sich auch drei Vorgänger Trumps im Weißen Haus. Der frühere republikanische Staatschef George W. Bush warf hochrangigen Vertretern seiner Partei vor, sie hätten den "Aufstand" angefacht. "Auf diese Weise werden Wahlergebnisse in einer Bananenrepublik angefochten - nicht in unserer demokratischen Republik", erklärte Bush. "Ich bin entsetzt vom rücksichtslosen Verhalten einiger politischer Anführer seit der Wahl und vom heute gezeigten fehlenden Respekt für unsere Institutionen, unsere Traditionen und unsere Sicherheitskräfte."

Bushs demokratischer Nachfolger Barack Obama bezeichnete die Randale in der US-Bundeshauptstadt als "Moment großer Schmach und Schande für unsere Nation". Allerdings sei der Vorfall "keine völlige Überraschung", da Trump zu den Randalen "angestachelt" habe. Obama warf Republikanern und konservativen Medien vor, Trumps Anhänger zu lange im Unklaren über den Sieg des demokratischen Herausforderers Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl am 3. November gelassen zu haben. Die Ausschreitungen am Kapitol seien die Folge dieses Vorgehens.

Der demokratische Ex-Präsident Bill Clinton sprach von einem "beispiellosen Angriff" auf die Institutionen der Vereinigten Staaten, für den er "vier Jahre giftiger Politik" verantwortlich machte. Trump und dessen Unterstützer unter anderem im Kongress hätten so versucht, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 3. November zu kippen, erklärte Clinton.

Reaktionen aus der internationalen Politik

Merkel gibt Trump Mitverantwortung

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dem abgewählten US-Präsidenten Donald Trump eine Mitschuld am Sturm von dessen Anhängern auf das Kapitol in Washington gegeben. Die verstörenden Bilder von der Erstürmung des Kongresses hätten sie “wütend und auch traurig gemacht”, sagte Merkel am Donnerstag bei der Klausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag in Berlin. “Ich bedauere sehr, dass Präsident Trump seine Niederlage seit November nicht eingestanden hat und auch gestern wieder nicht. Zweifel am Wahlausgang wurden geschürt”, sagte Merkel weiter. “Das hat natürlich die Atmosphäre bereitet, in der dann auch solche Ereignisse, solche gewalttätigen Ereignisse möglich sind.”

“Eine Grundregel der Demokratie ist: Nach Wahlen gibt es Gewinner und Verlierer”, sagte Merkel. “Beide haben ihre Rolle mit Anstand und Verantwortungsbewusstsein zu spielen, damit die Demokratie selbst Sieger bleibt.” Zugleich zeigte sich Merkel mit Blick auf den gewählten Präsidenten Biden auch zuversichtlich. Die Worte Bidens und viele Reaktionen aus beiden großen Parteien der USA “machen mich aber ganz sicher: Diese Demokratie wird sich als viel stärker erweisen als die Angreifer und Randalierer.” Es sei tragisch, dass Menschen in den Ereignissen der Nacht ihr Leben verloren hätten. “Aber für mich ist es ein Zeichen der Hoffnung, dass der Kongress seine Arbeit in der Nacht fortgesetzt hat.”

Steinmeier: Sturm auf das Kapitol ist Ergebnis von Lügen und Hetze

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat US-Präsident Donald Trump indirekt mit für die Ausschreitungen am US-Parlamentssitz in Washington verantwortlich gemacht. “Diese Szenen, die wir gesehen haben, die sind das Ergebnis von Lügen und noch mehr Lügen, von Spalterei und Demokratieverachtung, von Hass und Hetze - auch von allerhöchster Stelle”, sagte Steinmeier am Donnerstag in Berlin. Der bewaffnete Mob sei von Trump aufgestachelt worden, der einen Grundstein der Demokratie missachte: Den friedlichen Machtwechsel infolge freier Wahlen.

“Es war ein Sturm auf das Herz der amerikanischen Demokratie”, sagte Steinmeier - und auch ein “Angriff auf die liberale Demokratie überhaupt”. Zugleich sicherte Steinmeier dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden seine Zusammenarbeit zu. “Die Fackel der Demokratie wird wieder heller leuchten”, betonte er. Der Bundespräsident erinnerte auch an die aus dem Ruder gelaufene Demonstration vor dem Berliner Reichstag im vergangenen Jahr, als Gegner der Corona-Maßnahmen auf die Stufen des deutschen Parlamentssitzes vordrangen. “Deshalb sende ich diese Botschaft heute auch an uns alle: Hass und Hetze gefährden die Demokratie. Lügen gefährden die Demokratie. Gewalt gefährdet die Demokratie”, sagte er.

Macron verurteilt Kapitol-Sturm - Solidarität mit amerikanischem Volk

Als einer der ersten Staatschefs hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die gewaltsamen Ausschreitungen am Sitz des US-Parlaments verurteilt und dem amerikanischen Volk die Solidarität seines Landes zugesichert. “Wenn in einer der ältesten Demokratien der Welt die Anhänger eines scheidenden Präsidenten mit Waffeneinsatz die legitimen Ergebnisse einer Wahl in Frage stellen, dann wird das universelle Prinzip ‘ein Mensch, eine Stimme’ attackiert”, sagte Macron in einer am Donnerstagmorgen auf Twitter veröffentlichten Video-Botschaft. “Heute stellt sich Frankreich mit Kraft, Inbrunst und Entschlossenheit an die Seite des amerikanischen Volkes.”

Die Ereignisse in Washington seien ein Angriff auf die Demokratie, und man werde nicht klein beigeben vor jenen, die dafür verantwortlich seien, sagte Macron. Seine zunächst auf Französisch gehaltene Ansprache beendete er auf Englisch mit den Worten: “Was heute in Washington, DC passiert ist, ist nicht Amerika, definitiv nicht. Wir glauben an die Stärke unserer Demokratien. Wir glauben an die Stärke amerikanischer Demokratie.”

Johnson verurteilt “schändliche Szenen” am Kapitol

Der britische Regierungschef Boris Johnson hat die Unruhen rund um das Kapitol in Washington scharf verurteilt. “Schändliche Szenen im US-Kongress”, twitterte Johnson am Mittwochabend. “Die Vereinigten Staaten stehen in aller Welt für Demokratie, und nun ist entscheidend, dass es zu einer friedlichen und geordneten Machtübertragung kommt.” Johnson hatte immer seine “guten Beziehungen” zum abgewählten US-Präsidenten Donald Trump betont, der seinerseits den Premierminister als “britischen Trump” bezeichnet hatte. Johnson wird vorgeworfen, dass er Trumps Festhalten an der Macht nicht kritisiert hatte.

Die britische Innenministerin Priti Patel hat Trump für die Unruhen verantwortlich gemacht. “Seine Kommentare haben zu dieser Gewalt geführt”, sagte Patel am Donnerstag der BBC. Trump habe “dazu beigetragen, diese Gewalt zu schüren, und er hat nichts unternommen, um zu deeskalieren”, sagte Patel.

Irlands Außenminister: Angriff von Trump auf Demokratie

Der irische Außenminister Simon Coveney hat US-Präsident Donald Trump für die Unruhen rund um das Kapitol in Washington verantwortlich gemacht. “Wir müssen dies als das bezeichnen, was es ist: ein absichtlicher Angriff eines amtierenden Präsidenten und seiner Anhänger auf die Demokratie, die versuchen, eine freie und faire Wahl zu stürzen!”, schrieb Coveney am Mittwochabend bei Twitter. Er zeigte sich bestürzt über die “schockierenden und zutiefst traurigen Szenen in Washington”. “Die Welt schaut zu!”, betonte Coveney.

Premierminister Micheal Martin schrieb bei Twitter, er verfolge die Lage in Washington mit “Sorge und Bestürzung”. “Das irische Volk hat eine tiefe Verbindung mit den Vereinigten Staaten, die über viele Generationen aufgebaut wurde”, so Martin. In der Vergangenheit waren Zehntausende Iren in die USA ausgewandert.

Polens Staatschef: “Innere Angelegenheit” der USA

Nach dem Sturm von Anhängern des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump auf das Kapitol in Washington hat Polens Präsident Andrzej Duda die Ereignisse als “innere Angelegenheit der Vereinigten Staaten” bezeichnet. Die USA seien eine Demokratie und ein Rechtsstaat, schrieb Duda am Donnerstag auf Twitter. Die Macht hänge vom Wählerwillen ab, und über die Sicherheit des Staates und seiner Bürger würden die dazu berufenen Dienste wachen. “Polen glaubt an die Kraft der amerikanischen Demokratie.” Polens nationalkonservative Führung hat aus ihrer Bewunderung für Trump nie einen Hehl gemacht.

Netanjahu verurteilt Unruhen in Washington

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Erstürmung des Kongresses in der US-Hauptstadt Washington verurteilt. Der Regierungschef sprach am Donnerstag in Jerusalem von einer schändlichen Tat. Gesetzlosigkeit und Gewalt seien das Gegenteil von den Werten, die Amerikaner und Israelis schätzten, sagte Netanjahu vor einem Treffen mit US-Finanzminister Steven Mnuchin in Jerusalem. “Ich habe keinen Zweifel, dass die amerikanische Demokratie siegen wird - sie hat es immer getan.”

Netanjahu und der amtierende US-Präsident Donald Trump haben ein enges Verhältnis. Netanjahu hatte Trump als “besten Freund, den Israel je im Weißen Haus hatte”, beschrieben. Trump hat etwa Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt.

Russland nennt US-Wahlsystem “archaisch”

Nach den Ausschreitungen am US-Parlamentssitz in Washington hat die Sprecherin des russischen Außenministeriums das Wahlsystem in den USA als “archaisch” bezeichnet. Bei den Vorfällen handele es sich um eine inneramerikanische Angelegenheit, sagte Maria Sacharowa am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge. “Gleichwohl richten wir die Aufmerksamkeit erneut darauf, dass das US-Wahlsystem archaisch ist, es entspricht nicht heutigen demokratischen Standards.” Das lasse Raum für “zahlreiche Verstöße”, sagte Sacharowa. Russland wünsche dem amerikanischen Volk, “dass es diesen dramatischen Moment der eigenen Geschichte mit Würde übersteht”.

China wünscht USA Rückkehr zum Frieden

Nach den Unruhen in Washington hat China den USA eine schnelle Rückkehr zu “Frieden, Stabilität und Sicherheit” gewünscht. “Wir glauben, dass sich das amerikanische Volk Sicherheit und Ruhe wünscht, insbesondere inmitten der Pandemie”, sagte Hua Chunying, eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, am Donnerstag: “Wir hoffen, dass das amerikanische Volk so schnell wie möglich wieder Frieden, Stabilität und Sicherheit genießen kann.”

Auch zog die Sprecherin Parallelen zu den Anti-Regierungsprotesten in Hongkong, bei denen immer wieder Hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen waren. Hua Chunying erinnerte daran, dass auch während der Hongkong-Proteste Demonstranten ins Parlament der chinesischen Sonderverwaltungsregion eingedrungen waren. Obwohl es nach Darstellung der Sprecherin in Hongkong mehr Gewalt von Seiten der Regierungsgegner gegeben habe, sei die Polizei stets professionell vorgegangen. In Washington seien an nur einem Tag vier Menschen gestorben.

Text: dpa, AFP