Curvy Supermodel - Eine "geile, heftige Show". Und eine geht freiwillig

Angelina Kirsch und Oliver Tienken machen vor, wie das mit dem Sexysein funktioniert. Oder auch nicht (Bild: RTL2)
Angelina Kirsch und Oliver Tienken machen vor, wie das mit dem Sexysein funktioniert. Oder auch nicht (Bild: RTL2)

Peinlichster Moment: Als Jan Kralitschka das Ipad rausholt, auf dem eine Sprachapp installiert ist (Produkt Placement, na klar) und so tut, als hätte er gerade die spanischen Worte “Vamos a la playa” gelernt. Für die man nun wahrlich keine Sprachapp braucht, wenn man irgendwann seit 1983 mal Radio gehört hat.
Hä?: Die halbe Folge fragt man sich, ob Schulamit still und leise aus der Sendung gekickt wurde. Dann ist sie plötzlich wieder zu sehen: Sie habe Schulprüfungen absolvieren müssen, sei deshalb nicht dabei gewesen. Hätte man auch eine halbe Stunde vorher erklären können.
“Germany’s Next Topmodel”-Déjà vu: Als Rahel weint, weil sie mit einem Männermodel flirten soll, obwohl sie doch verheiratet ist. Jahaaa, das haben circa 100 liierte Frauen vor dir auch schon geschafft, bei Heidi Klum ist das schließlich eine Standardaufgabe für angehende Models.
Wer ist raus? Jana, weil sie noch nie verliebt war und deshalb nicht überzeugend mit dem Männermodel geflirtet hat. Tessa, aus unlogischen Gründen: Laut Jury war sie gleich zu Beginn zu gut und habe sich nicht merklich verbessert. Was eben auch schwierig ist, wenn man schon sehr gut ist.

Wenn eine Show im deutschen Fernsehen nicht oberflächlich ist, dann doch “Curvy Supermodel” – oder? Zu diesem positiven Vorurteil lässt man sich leicht hinreißen, immerhin wollen Angelina Kirsch und ihre Jury-Kollegen doch ein Model finden, das eben nicht dem gängigen, sehr schlanken Victoria’s Secret-Ideal entspricht. Doch je länger die Staffel läuft, aktuell sind wir bei Folge 5, desto mehr wird klar: “Curvy Supermodel” ist genau so oberflächlich wie “Germany’s Next Topmodel”, nur eben in einer anderen Konfektionsgröße.

Was man schon allein am (inoffiziellen) Motto des Tages bemerkt: Es geht um Sexappeal, die Kandidatinnen tanzen in Korsagen und flirten mit Männermodels. Das kennt man so oder so ähnlich längst, es ist das alte, inzwischen doch ein wenig überholte Bild vom Model als sexy Göttin in Unterwäsche, die weiß, wie man Männer rumkriegt, am besten mit einem Kuss. Doch dieses Bild gibt es so auch nur in Castingshows, eher selten in der “richtigen” Modelwelt, wo sich Fotografen zum Glück hüten, Frauen zu Küssen vor der Kamera anzuhalten – hat mit Modeln ja auch gar nichts zu tun, eher schon mit #metoo.

Bei “Curvy Supermodel” aber bringt es einen Bonus. Ausgerechnet die Jüngste, Schulamit, gibt ihrem Laufstegpartner einen Kuss. Zuvor hatte sie eine “geile, heftige Show” angekündigt. Ex-“Bachelor” Jan Kralitschka ist begeistert, mehr noch, er ist sich sicher: “Da war was, das hat man gespürt.” Da war wirklich was und zwar ein 17-jähriges Mädchen, das einen fremden Mann geküsst hat, um eine Jury zu beeindrucken, die über ihr Weiterkommen in einer Fernsehshow entscheidet. Aber da sind die Leitsprüche der Juroren – Jeder ist schön! Man braucht nur Selbstbewusstsein! – auf einmal egal, obwohl man doch sehr gut auch ohne Knutscher schön und selbstbewusst sein kann.

Aber klar, “Curvy Supermodel” ist eben eine Unterhaltungsshow, die ihren Zuschauern etwas bieten möchte. Deshalb nimmt sich Angelina Kirsch auch Kandidatin Jessica in einem Zweiergespräch vor: Was denn mit ihr los sei, ob es ihr gut gehe? Blöderweise denkt Jessica, dass es Kirsch interessiert, und offenbart: “Es ist nicht mein absoluter Wunsch, ‘Curvy Supermodel’ zu werden.” Kirsch fällt beinah das Gesicht auseinander, als sie das hört. Man sieht ihre Gedanken rattern: Wie kann das sein, was macht die dann hier, die versaut uns die Show!

Natürlich stellt Kirsch Jessica zur Rede, bei der ersten von zwei Entscheidungen in der Sendung. Das hat ein bisschen was von einer Anklage. Doch Jessica hält stand, antwortet: “Ich hab gemerkt, Kamera und Co., das ist nicht so meins.” Den Mut, so was zuzugeben und auszusprechen, muss man erst mal haben! Noch dazu in so einer Drucksituation. Kirsch fällt dazu nur ein, dass sich Jessica so etwas nächstes Mal doch früher überlegen soll – “bevor sich eine in dich verliebt.” Was wohl nett sein soll, aber irgendwie nicht so klingt. Jessica darf dann gehen, man merkt ihr die Erleichterung an.

Und besonders viel verpasst sie in dieser Sendung auch nicht. Da wäre noch ein mehr oder weniger überflüssiges “Social-Media-Training” mit dem Plus-Size-Model Sarina Nowak. Bei dem die Kandidatinnen Dinge lernen wie: “Jeder kann posten, was er will.” Ganz wertvolle Erkenntnis – nicht. Ein Model, Vera, darf dann noch ein Foto mit Sarina machen, das diese auf ihrem Instagramkanal veröffentlicht. “Eine große Ehre”, finden alle, warum das allerdings eine große Ehre sein soll, wird nicht ganz klar.

Schon Augenblicke später ist die Ehre wieder vergessen, Vera kann auf dem Flirt-Laufsteg nicht überzeugen. Sie habe zu viel auf den Boden geschaut, bemängelt die Jury, wirke unsicher und so, als fände sie sich nicht hübsch. Vera reagiert fassungslos, beteuert, wie selbstbewusst sie sei – nur, um dann im Backstagebereich in die erstbeste Kamera zu weinen. Es sei ein langer Weg für sie gewesen, sich selbst zu akzeptieren, sagt sie, das wolle sie sich nicht wieder kaputt machen lassen. Kann man einerseits verstehen. Andererseits: Wie selbstbewusst ist jemand, der bei der leisesten Andeutung, er sei nicht selbstbewusst, schon wieder ins Zweifeln gerät?

Denn, auch das lernen wir in dieser Folge: Für Grübelein gibt es in dieser Branche keinen Platz. “In der wirklichen Modelwelt musst du einfach funktionieren”, erklärt Juror Oliver Tienken. Er sagt das, als es gerade um den ersten Job der Staffel geht: einen Werbespot für eine Plus-Size-Marke, in dem die Models tanzen und ihre Lippen synchron zu einem Song bewegen sollen. Das machen die ausgewählten Fünf (Yolanda, Rahel, Lisa, Ines und Pauline) ziemlich gut, da sieht man zwischendurch, dass sie durchaus Spaß beim Dreh hatten.

Doch selbst da, als es mal gar nicht ums Sexysein und um erotische “Kurven” (immer noch das am häufigsten benutzte Wort in der Show) geht, geht es natürlich trotzdem ums Sexysein und um erotische “Kurven”. Die Casterin wünscht sich “Femme Fatales” – verhängnisvolle Frauen. So ganz vom Victoria’s Secret-Bild kann man sich eben auch bei “Curvy Supermodel” nicht lösen, so sehr man es sich auch vorgenommen hatte.