Das maßgeschneiderte Bayern

So werden uns keine bayerischen Staatsbediensteten mehr über den Weg laufen. Ok, sie taten es vorher schon nicht… (Bild: dpa)
So werden uns keine bayerischen Staatsbediensteten mehr über den Weg laufen. Ok, sie taten es vorher schon nicht… (Bild: dpa)

Burka-Verbot im öffentlichen Dienst und anderswo: Der Freistaat kümmert sich und zeigt, was noch alles kommen wird – ein satirischer Ausblick.

Eine Satire von Jan Rübel

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Sapperlot, in Bayern räumt man auf: Ein Gesetz für eine Zielgruppe von weniger als einem Dutzend Bürger, das nenne ich nachhaltige Fürsorge. Im Innenministerium werden sie lange gebrütet haben, zahllose Referentenentwürfe überarbeitet haben. Nun aber ist es raus: Das Regierungskabinett in Bayern will ein Burka-Verbot im öffentlichen Dienst und anderen sensiblen Bereichen des öffentlichen Lebens, wie in Schulen oder Wahllokalen. Damit setzt die CSU eine Zäsur. Bayern ist von nun an ein anderes Land.

Zuerst einmal zeitigt dieses Gesetz einen neuen Fortbildungsbedarf. Sagte doch Innenminister Joachim Herrmann: „Zum freiheitlichen demokratischen Werteverständnis christlich abendländischer Prägung gehört eine Kultur der offenen Kommunikation untereinander.“ Und weiter: Ein kommunikativer Austausch finde nicht nur durch Sprache, sondern auch durch Blicke, Mimik und Gestik statt. Doch wie geht das? Und wo, bittschön, geht es zum Abendland?

Neue Kompetenzzentren braucht das Land

Flugs gründet Ministerpräsident Horst Seehofer zwei neue Ministerien: Das Staatsministerium für christlich abendländische Prägung wird festlegen, was das eigentlich ist, diese Prägung. Und das Staatsministerium für offene Kommunikation trommelt aus dem ganzen Bundesgebiet Logopäden, Physiognomie-Experten und Psychologen zusammen. Sie erarbeiten einen Leitfaden zur Erforschung der Kommunikation, gemeinsam mit aus den großen Zirkussen abgeworbenen Clowns und einigen Kriminalkommissaren: Leidet die offene Kommunikation, vor allem die Mimik, abends in Bayern; wenn nämlich eine weitere Brauchtumspflege christlich abendländischer Prägung, die des lokalen Bierkonsums, so manchen Gesichtszug entgleisen lässt. Jede Kreisvolkshochschule führt auf Geheiß des Kommunikationsministeriums Kurse zur Gesichtsmassage ein.

Die Bürger gewöhnen sich schnell an diese neue Kulturpolitik. Schließlich sagte Bayerns Gemeindetagspräsident Uwe Brandl: „Wer in unserer Gesellschaft in der öffentlichen Verwaltung Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger erbringt, muss selbst erkennbar sein und sich im wahrsten Sinne des Wortes in die Augen blicken lassen.“ Nur in Vorderhinterprovinzingen, einer Gemeinde im Oberbayerischen, wundert man sich und hat es schwer. Da gab es nämlich tatsächlich im Rathaus eine Bedienstete mit Burka. Jetzt, wo sie den Vollschleier abgelegt hat, erkennt sie niemand mehr. Ja, wo is denn die Jasmin, wird kopfschüttelnd gefragt.

Kreatives Denken mit Laptop & Lederhose

Und ein weiteres Problem bei der Erkennbarkeit tut sich im September auf. Zu Beginn des Oktoberfests dämmert den Behörden: Es gibt sie, die bayerische Burka. Lauter Dirndls und Lederhosen! Ja, wer lässt sich nun voneinander unterscheiden? Seehofer verkündet Terroralarm. Nach zwei Wochen wilden Gestikulierens und weitläufigen Mimikmanövern bis hin zum Gesichtsmuskelkater findet die Staatsregierung bei ihren Marathonsitzungen eine Lösung: Jedes Dirndl und jede Lederhose wird in einer anderen Neonfarbe angesprüht und namentlich gescannt. Für die über der Wies’n fliegenden Drohnen ist die Erkennbarkeit nun kein Problem mehr.

Bayern kommt wieder zur Ruhe. Und da es leidlich geklappt hat mit einem Gesetz extra für fünf, sechs Hansel, nimmt die CSU richtig Fahrt auf. Nun hagelt es Initiativen und Erlässe.

In Nürnberg zum Beispiel meldet sich eine Selbsthilfegruppe für Farbblinde. Sie können schwarz nicht von weiß unterscheiden und finden kaum die Zebrastreifen auf den Straßen. Die Stadt übertüncht sie nun in Pink. Und in Spitzingsee formiert sich ein Stammtisch und schwört, beim letzten Gebirgsgang einen Wolpertinger gesichtet zu haben, neben einer eierlegenden Wollmichsau. Flugs erklärt das Heimatministerium das Areal um den See bis hoch zum Roßkopf zur tourismusfreien Zone; auf die bayerischen Nationaltiere soll sich kein Ungemach legen.

Nur ein Problem kriegt die Staatsregierung nicht in den Griff. Die Burka im Internet, die anonymen Nörgler, Stänkerer und Empörer – gegen die wächst selbst in Bayern kein Kraut.