Das Problem mit der Deutschlandfahne

image

Heute sieht man wieder Schwarz, Rot und Gold in den Straßen. Ein schlechter, weil nationalistisch gefärbter Tag? Er könnte ruhig lässiger angegangen werden – von allen Seiten.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Grüne Jugend in Rheinland-Pfalz hat im Aufmerksamkeitslotto das große Los gezogen. Wie bei jedem üppigeren Nationenturnier geistert eine immer gleiche Debatte durchs Land: Wie hältst du es mit der Fahne? Neu ist lediglich stets, wer sie anstößt. Der Jackpot geht dieses Jahr nach Mainz.

Es ist eine blöde Debatte. Wir wären besser dran, wenn wir nicht alle Jahre wieder unsere Befindlichkeit mit Schwarz-Rot-Gold durchdeklinierten. Nicht, dass wir keine anderen Themen hätten.

Den Anstoß diesmal formulierte die Grüne Jugend wenig überraschend. „Patriotismus=Nationalismus. Fußballfans Fahnen runter!“, twittertern sie. In einem Interview spielte Bundessprecherin Jamila Schäfer direkt vors Tor. „Brauchen wir das alles? Man könnte die Mannschaft ja auch mit einer DFB-Fahne unterstützen.“ Und der Abschluss: „Mit der Begeisterung für Deutschland ist nun mal häufig nicht nur die Begeisterung für das Team gemeint, sondern auch für das Vaterland. Wir halten aber nationale Gemeinschaftsgefühle grundsätzlich für gefährlich.“ Der Ball zieht am Tor vorbei.

Fähnlein im Wind

Arme Farben. Sie werden haftbar gemacht, wofür sie nichts können. Jedes Land hat eine Fahne. Zwar gibt es auch in jedem Land Nationalismus, und an dem ist überhaupt gar nichts Positives zu entdecken. Auch hat die Grüne Jugend Recht, dass selbst Patriotismus zuweilen komisch daherkommt und mit Nationalismus eher in einem Boot sitzt als dass er den Bus nimmt. Natürlich ist das alles immer einen Schritt von der Ausgrenzung anderer entfernt. Aber die Farben grenzen nicht aus. Auch nicht jene, die sie schwenken. Sondern die, die ihren Mund aufmachen und ihr Überheblichkeitsdenken herauslassen. Andere in Schubladen stecken und mit einer Gruppe gleichsetzen, sie daran erinnern, welchen Pass sie in der Tasche haben. Die, die denken auf ein Land stolz sein zu können – was immer erbärmlich daherkommt, weil man dann Stolz reklamiert, den man sich nicht verdient hat.

Durch Schwarz, Rot und Gold allein wird kein „Nicht-Deutscher“ ausgegrenzt. Dafür gibt es andere Mittel. Deshalb ist diese allturnierliche Debatte ein Scheingefecht, ihre Apologeten ziehen immer an die falsche Front.

image

Zuallererst geht es um ein Spiel, welches am Ende Gewinner und Verlierer kennt. Man will gern gewinnen, da feuert man seine Mannschaft an. Die Farben sind ein Code dieser Unterstützung. Mehr nicht. So mancher radikale linke „Anti-Deutsche“ ist glühender Fan von, sagen wir Rot-Weiß Essen und hat kein Problem einen Schal in diesen Farben zu tragen. Wo ist der Unterschied? Dass jeder Mensch in eine Gesellschaft hineingeboren wird, in ein Land, ist halt so und kein verdammenswerter Akt der Schöpfung. Und wo ist das Problem, wenn etwa ein Deutschtürke die Deutschlandfahne schwenkt und von Einigkeit und Recht und Freiheit singt – ist das auch nicht in Ordnung?

Wer singen will, möge singen. Wer Fahnen schwingen will, möge schwingen. Und wer dazu keine Veranlassung spürt, sollte auch damit kein Problem haben.

Eine Portion Coolness, bitte

Uns fehlt eine gewisse Lässigkeit, ein entspannter Umgang. Das gilt auch für die erwartbaren Reaktionen auf den Aufruf der Grünen Jugend. Abgesehen von den vielen strafrechtlich relevanten Kommentaren im Netz, die tatsächlich etwas über unser Land gerade aussagen – auch in vielen anderen Reaktionen wird zu viel in die Farben hineingedichtet. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU): „#GrüneJugend kapiert’s nicht: Fahnen der Fans sind das Gegenteil der Fahnen von einst: Symbol für weltoffenes, sympathisches Deutschland!“ Das mag für Altmaier sein, für andere nicht. Nationalfarben sind ein leeres Buch; Füllen tut es jeder selbst. Und gewohnt schneidig übers Ziel hinaus geschossen der Scheuer Andi vom Generalsekretariat der CSU: „Besser Patriot als ein Idiot.“ Hoffentlich stellt er sich solche Entweder-Oder-Fragen nicht wirklich. Im Zweifel will der Scheuer also kein Idiot sein und kriegt die Kurve in Richtung Volksdichtung.

Letztlich vergessen die Streiter bei diesem Für und Wider von Nationalfarben: Alle Farben haben eines gemeinsam: Zusammen sind sie bunt.

Bilder: dpa

Sehen Sie auch: Fahnen-Streit - Altmaier attackiert Grüne Jugend