Der Anti-Madridismo: Jubeln macht unsympathisch

Real Madrid trifft im Halbfinale der Champions League auf den FC Bayern München. Im Vorfeld sind die Sympathien auch auf internationaler Ebene klar verteilt. Woher kommt der Anti-Madridismo?

Cristiano Ronaldo schoss Real Madrid ins Halbfinale. (Bild: Getty Images)
Cristiano Ronaldo schoss Real Madrid ins Halbfinale. (Bild: Getty Images)

Als Gianluigi Buffon auf Michael Oliver zustürmte, nickte der TV-Zuschauer auf der heimischen Couch zustimmend mit dem Kopf. Nur recht so, wie sich der italienische Gentleman über die Entscheidung des Engländers echauffierte.

Ein Elfmeter? Niemals. Medhi Benatia traf Lucas Vazquez zwar klar und brachte ihn im Strafraum zu Fall, aber einen Elfmeter wollte niemand erkannt haben. Außer Michael Oliver. Und allen, die es gut meinen mit Real Madrid.

Im Laufe der nächsten Tage veränderte sich die Meinung leicht. Ein Elfmeter? Ja, vielleicht. Aber doch nicht in dieser Situation. 0:3, kurz vor der Verlängerung, da kann man doch so einen Elfmeter nicht geben.

Neutrale Fans freuten sich auf Scheitern von Real Madrid

Nun ist ein Foul aber ein Foul und der Strafraum bleibt der Strafraum. Völlig unabhängig davon, welche Spielminute der Schiedsrichter auf seiner Uhr stehen hat. Wahrnehmen wollte das niemand.

Jeder hatte sich diebisch gefreut, dass Real in die Verlängerung muss, dass der Titelverteidiger vor dem Aus steht. Dann kam Michael Oliver und machte all die Träume, die das Rückspiel geweckt hatte zunichte. Und das mit einer richtigen Entscheidung, die noch Tage später als falsch tituliert wurde.

Nun stehen aber die Madrilenen im Halbfinale der Champions League und treffen dort am Mittwochabend (20.45 Uhr) auf den FC Bayern München. Im Vorfeld wird in Spanien viel gesprochen vom Anti Madridismo – frei übersetzt als grundlegende Abneigung gegen Real.

Wie #UEFAdrid enstand

Doch woher kommt diese Ablehnung gegen Real Madrid? Szenen wie die um Michael Oliver im Viertelfinale tragen dazu bei. Schnell wurden in den sozialen Netzwerken weitere Verdachtsfälle für eine Bevorzugung der Königlichen durch Schiedsrichter gesammelt.

Als Fan der Bundesliga kennt man den Begriff des Bayern-Dusels, gleiches vermutet der Anti-Madridista im Falle von Real. Der Hashtag #UEFAdrid machte schon im Viertelfinale die Runde, im Halbfinale wird er sicherlich wieder aktuell.

Schon jetzt wird die Ansetzung von Björn Kuipers heiß diskutiert. Er stellte schon Jerome Boateng und Holger Badstuber vom Platz. Er pfiff auch den 4:1-Sieg Reals über Atletico im Finale der Königsklasse im Mai 2014.

Bayern erinnern sich an Kassai

Werden die Bayern auch dieses Jahr wieder “beschissen” (Karl-Heinz Rummenigge)? Es scheint sich in den Augen der Fans schon anzubahnen. FCB-Präsident Uli Hoeneß weckte kürzlich die Erinnerungen an Viktor Kassi, der 2017 schwer in der Kritik stand.

Dazu kommt, dass Real am Wochenende ohne Ansetzung war und so mit sieben Tagen Pause in das Spiel mit den Bayern geht, die ihrerseits nur drei Tage zur Vorbereitung hatten. Es scheint alles angerichtet für eine weitere Sternstunde von #UEFAdrid.

Doch woher kommt dieses Denken? Neid ist nach den letzten zwei Triumphen von Real Madrid in der Champions League sicherlich einer der möglichen Gründe für das negative Denken gegenüber der Mannschaft von Zinedine Zidane. Jubeln macht unsympathisch.

#UEFAlona ist nicht lange her

Die Bayern müssen sich in der Bundesliga immer wieder Vorwürfe der Bevorzugung anhören, gleiches galt lange Zeit für den FC Barcelona auf internationaler Ebene. #UEFAlona ist noch gar nicht so lange her.

Viele Anhänger scheinen das Gefühl zu haben, dass Real schlicht nicht scheitern kann, kommt doch jedes Mal in Bedrängnis übernatürliche Hilfe zum Einsatz: Elfmeter, Abseitstore, ausbleibende Platzverweise.

Ist es so undenkbar, dass fortwährendes Glück schlicht Können bedeutet? Es scheint zumindest wahrscheinlicher als eine weitreichende Verschwörung innerhalb des europäischen Fußball-Verbands.

Zidane verweigert sich der Diskussion

Eine Offensive mit derartig großen Stars, mit derart viel Potenzial kreiert schlichtweg mehr Gefahr und dementsprechend auch mehr strittige Situationen im und um den gegnerischen Strafraum. Das hat wenig mit Glück oder Bevorzugung durch den Schiedsrichter zu tun als vielmehr mit spielerischer Qualität.

“Der Anti-Madridismo hat schon immer existiert”, meinte Zidane kürzlich. Weil Real eben schon immer eine gute und erfolgreiche Mannschaft stellte, die für Neid und Zweifel sorgte und am Ende doch den Sieg entführte.

Der Franzose ist nur vernünftig, wenn er sagt: “Wir werden unsere Arbeit machen und der Schiedsrichter macht seine. Ich werde das nicht kommentieren.“ Alles andere wäre auch Zeitverschwendung.