„Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt der SPD“ – Appell für eine Große Koalition bei „Markus Lanz“

Zu Gast im Studio waren (v.l.n.r.) Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir, der Erste Bürgermeister von Hamburg Olaf Scholz (SPD), Bill und Tom Kaulitz von der Band Tokio Hotel und Journalist Wolfram Weimer. (Bild: Screenshot ZDF)
Zu Gast im Studio waren (v.l.n.r.) Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir, der Erste Bürgermeister von Hamburg Olaf Scholz (SPD), Bill und Tom Kaulitz von der Band Tokio Hotel und Journalist Wolfram Weimer. (Bild: Screenshot ZDF)

Bei „Markus Lanz“ am Mittwoch konzentrierte sich nahezu alles darauf, SPD-Politiker Olaf Scholz davon zu überzeugen, doch noch in eine Große Koalition mit CDU/CSU zu gehen – und das als Parteichef.

Gleich zu Beginn der Sendung wollte Moderator Markus Lanz mehrmals aus Scholz herauskitzeln, ob er sich nicht vorstellen könne, SPD-Spitzenkandidat zu werden. Scholz konnte natürlich schon aus diplomatischem Geschick heraus keine allzu konkreten Antworten geben – und nahm Martin Schulz’ Entscheidung, in keine Große Koalition gehen zu wollen, in Schutz: „Wir haben drei Mal in Deutschland eine Große Koalition gehabt […] Man kann nicht sagen, so was kommt gar nicht vor in Deutschland. Trotzdem muss man gleichzeitig auch sagen: Da der eigentliche politische Wettbewerb zwischen den beiden großen Parteien links und rechts der Mitte stattfindet, zwischen SPD und CDU, ist es natürlich nicht so gut, wenn der so wie […] in Österreich irgendwann ausgeschaltet ist und dieser Wettbewerb, wer wird Kanzler, eigentlich nur noch sehr verdeckt stattfindet.“

„Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt der SPD“, befand Lanz – und attestierte Scholz, nachdem dieser keine konkrete Antwort auf die Frage, ob er für Neuwahlen sei, geben wollte: „Sie sprechen heute ein bisschen wie vom diplomatischen Dienst. Ich verstehe das ja auch, dass Sie wahnsinnig vorsichtig sein müssen.“

Grüne geben sich flexibel

Dazu erklärte Grünen-Chef Cem Özdemir: „Ich finde schon, dass man sehr verantwortungsvoll damit umgehen muss. Neuwahlen muss man schon gut rechtfertigen. Das macht bei vielen Leuten […] den Eindruck, die lassen da so oft wählen, bis ihnen das Ergebnis gefällt.“ Wofür er denn sei? „Ich war dafür, dass das Land eine stabile Regierung bekommt. Damit habe ich mich jetzt vier Jahre beschäftigt“, so Özdemir, der sich lachend korrigierte: „Vier Wochen beschäftigt. Gefühlt waren es vierzig Jahre eigentlich.“

Die Grünen, so ihr Vorsitzender, zeigten sich in den zähen Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition jedenfalls flexibel: „Wir waren bereit zum Kompromiss, wir sind bei manchen Themen hart über die Schmerzgrenze gegangen, bei einigen Themen kann ich sogar sagen, ein bisschen darüber hinaus. Wenn das alle so gemacht hätten, hätten wir eine stabile Regierung hinbekommen.“ Jetzt gelte es, die Möglichkeiten auszuloten, ob man in anderen Konstellationen eine Regierung realisieren kann – erst dann wäre eine Neuwahl denkbar und der Bundespräsident am Zug.

Nach Lachen ist Grünen-Chef Cem Özdemir derzeit nicht wirklich zumute. (Bild: ddp images/BUG)
Nach Lachen ist Grünen-Chef Cem Özdemir derzeit nicht wirklich zumute. (Bild: ddp images/BUG)

Journalist Wolfram Weimer sieht ganz klar die Sozialdemokraten in der Verantwortung: „Der Blickpunkt liegt auf der SPD, der Ball ist bei der SPD im Feld. Die SPD kann sich nicht einfach zu einer Nicht-Regierungsorganisation erklären, sie ist keine NGO. Es gelte zu beachten, was die Menschen wollen.“

Weimer kritisierte die sofortige Ankündigung der SPD nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses der Bundestagswahl, in Opposition gehen zu wollen. „Neuneinhalb Millionen Deutsche haben am 24. September SPD gewählt. Das waren nicht genug aus Ihrer Sicht, aber das waren doch sehr viele. Und die haben alle SPD gewählt, weil sie wollten, dass ihre Inhalte, ihre Überzeugung, ihre Position irgendwie Politik werden. Dass die SPD danach erklärt, das interessiert uns nicht, wir wollen nicht in die Regierung, das halte ich für einen großen Fehler. Und das ist verbunden mit dem Namen Martin Schulz“, erklärte Weimer. Er appellierte an Scholz: „Sie sind aber der Mann, der die SPD wieder aus dem Koma erwecken lassen könnte. Und sie müssten es eigentlich auch tun […] Deswegen würde ich an Ihrer Stelle nicht reden wie ein Anästhesist, sondern wie ein Notarzt.“

Martin Schulz ein “Totengräber”?

Wenn Schulz noch länger im Amt bliebe, werde er zum Totengräber der Partei. Trotzdem rechne Weimer fest damit, dass sich in wenigen Tagen ein Pro-Regierungskurs durchsetzen werde.

Nachdem Scholz ausführlich über seine politischen Grundsätze sprach, gab es auch von Lanz einen eindeutigen Appell: „Jeder einzelne Punkt und jeder hier im Raum würde das genauso unterschreiben. Aber bitte, gehen Sie jetzt doch rein in die Große Koalition und diktieren Sie genau solche Bedingungen. Sie werden nie wieder so eine Chance kriegen, das so zu machen“. Scholz konterte, man solle nicht „als Zocker in die Politik gehen“. Auch Lanz’ weiteres Nachbohren schien Scholz wenig zu beeindrucken: „Vielleicht sammeln wir noch weitere Vorschläge“, so der SPD-Politiker grinsend. Weimer darauf: „Sie wollen wirklich auf Neuwahlen hinaus. Nur glaube ich, das wird der SPD nicht gut bekommen.“

Bill Kaulitz outet sich als Merkel-Wähler

Enttäuscht und – wie der Moderator feststellte – wütend zeigte sich Özdemir von der FDP: „Dieses Denunzieren des Kompromisses: Das geht mir ziemlich auf den Zeiger. Politik funktioniert nur, wenn alle bereit sind, sich von Maximalpositionen zu verabschieden. Ich weiß, dass das weh tut, das wäre nicht einfach gewesen.“ Man hätte auch Prügel bekommen – „aber vielleicht ist das auch Teil der Jobbeschreibung der Politik: Dass man das, was die FDP mit dem ‚German Mut’ plakatiert, auch durchsetzt“.

Am Ende gab es mit den Tokio-Hotel-Zwillingen Bill und Tom Kaulitz zwei Nicht-Politiker als Gäste – dennoch war auch bei den ehemaligen Teenie-Stars Politik kurz Thema. Bill Kaulitz bekannte sich vor einiger Zeit dazu, Merkel-Wähler zu sein. „Das ist ja so ein deutsches Phänomen, dass die Deutschen nicht sagen wollen, wen sie wählen.“ In seiner Wahlheimat USA sei das anders. Sein Bruder Tom scheint etwas andere politische Präferenzen zu haben: „Ich fand das ja mega-interessant, das Gespräch – aber ich muss sagen, die Grünen haben bei mir heute ganz gut gewonnen.“

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