Der Bundespräsident hatte bei seiner Türkei-Reise zu viel Döner im Gepäck

Frank-Walter Steinmeier reist in die Türkei – Döner aus Deutschland sorgt für Kopfschütteln

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) mit einem ehemaligen Fabrikarbeiter, der ihm ein gemeinsames Foto aus früheren Tagen zeigt (Bild: REUTERS/Dilara Senkaya)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) mit einem ehemaligen Fabrikarbeiter, der ihm ein gemeinsames Foto aus früheren Tagen zeigt (Bild: REUTERS/Dilara Senkaya)

Vielleicht ist es ein Medien-Hype. Die Aufmerksamkeit aber, welche die Art der kulinarischen Verköstigung an der Residenz des deutschen Botschafters in der Türkei erhielt, sprengte gewisse Grenzen. Vielleicht war es vom Bundespräsidialamt nicht so gewollt. Aber dann hätte man besser planen können.

Steinmeier ließ also Döner im Fladenbrot servieren, und zwar den auf Berliner Art, mit weißer Knoblauchsauce oder rosafarbenem Kräuterdings. Schließlich wurde er so in Berlin erfunden, eine echte deutsch-türkische Originalproduktion. Steinmeiers Motiv war, damit die Lebensleistungen von Türken zu würdigen, die als "Gastarbeiter" kamen und Deutschland zu einem besseren Land machten – und dies nicht nur kulinarisch, aber auch. Immerhin ist der Döner als Fastfood extrem erfolgreich und auch gesünder als Currywurst mit Pommes. Der deutschtürkische Döner steht für wirtschaftlichen Erfolg, für die Lebendigkeit kultureller Entwicklung und gegen Bratwursttümelei.

Ich erinnere mich noch gut an eine Pressekonferenz vor 20 Jahren, als der damalige Vorsitzende der rechtsextremen NPD darüber klagte, dass er beim Reisen durchs Land kaum mehr eine anständige Wurscht finde, bei all den Dönerbuden. Das war natürlich Quatsch, denn Bratwurst gab und gibt es genügend in Deutschland, und das ist auch gut so. Clevere Dönerbuden haben übrigens längst auch die Wurst im Programm.

In der Türkei wurde der "Döner im Fladenbrot" eben nicht so gegessen wie in Deutschland. Es gab zwar immer die Drehspieße mit Lammfleisch, aber dazu gab es nur ein Stückchen dünnes Brot, das war's. Plus eventuell ein bisschen Zwiebel.

Der deutschtürkische Döner wurde also ein Exportschlager, auch zurück in die Türkei. Und das ist durchaus zu feiern. Aber im Zentrum stehen, das braucht es nicht. Da hätte Steinmeier mehr Feingefühl zeigen können.

Denn der Döner war in Deutschland auch ein Ausdruck wirtschaftlicher Not. Viele Türken und Kurden entschieden sich für das Unternehmertum in Deutschland, indem sie sich die weiße Kochschürze umbanden, weil sie in den Krisen der auslaufenden Siebziger im vorigen Jahrhundert ihre Jobs verloren hatten. Der Staat hatte sie geholt und sich in seiner Ignoranz nicht dafür interessiert, wie es ihnen ging. Als dann der Bedarf an Arbeit sank, waren es die "Gastarbeiter" in den vorderen Reihen, die man entließ. Und so sattelten sie um. Das ist echtes Unternehmertum und zu ehren. Aber es transportierte Klischeebilder, weil Deutsche sich gern daran gewöhnten, sich als besser und höher zu empfinden. Wir können es auch Rassismus nennen.

Denn die Lebensleistungen der türkischen und kurdischen Communities lassen sich nicht auf den Döner reduzieren. Er gehört zweifellos dazu. Aber da gibt es noch die Finanzbeamten, die Lehrer, die technischen Zeichner – und natürlich Stars wie Fußballer oder Forscher. Der Döner-Imbiss hat das ungerechtfertigte Image eines Billigladens, nach dem Motto: Essen dürfen sie uns servieren, aber ansonsten reicht's.

Nicht wenige Deutsche sehen sich in der gesellschaftlichen Hierarchie kraft Abstammung oben und alle mit einer Einwanderungsgeschichte aus der Türkei allein wegen jener unten. Sie wollen klarmachen, wer Koch ist und wer Kellner. Wer sich bedienen lässt. Und wer bedient.

Da wird dem Döner natürlich viel auf den Teller gelegt, das hat er alles nicht verdient. Aber das Döneressen in der Botschaftsresidenz war von einer bewussten und einer unbewussten Symbolik begleitet. Bewusst war die Würdigung deutschtürkischer Lebensleistung und der Ausdruck dessen, was an Gemeinsamem entstanden ist. Unbewusst aber schwingt da auch eine Herablassung mit, die Rechte und Leistung ignoriert. Oder nimmt Steinmeier auf seiner nächsten Romreise eine Pizza Hawaii mit? Welches andere türkische Essen kennen wir übrigens? Und was ist mit dem Wirtschaftsschub, den Deutschland dem Schaffen der "Gastarbeiter" verdankte? Was mit dem demonstrativen Desinteresse an ihrem Dasein? Und was mit dem ewigen Fordern nach "Integration", ohne sich selbst nur einen Millimeter zu bewegen?

Gegen den Döner im Handgepäck sprach eigentlich nichts, es war sogar sehr sympathisch. Nur das Gewese darum war zu groß. Es verdrängte die Lebensrealitäten im Miteinander.