Der peinliche Auftritt einer Ex-Grünen-Politikerin bei „Hart aber fair”

Diskutierten über die Spaltung der Gesellschaft (von links): Claus Strunz (Journalist / SAT1), Antje Hermenau (Politikberaterin), Dirk Rossmann (Unternehmer), Michel Abdollahi (Journalist / NDR), Annette Behnken (Pastorin) Foto: ARD
Diskutierten über die Spaltung der Gesellschaft (von links): Claus Strunz (Journalist / SAT1), Antje Hermenau (Politikberaterin), Dirk Rossmann (Unternehmer), Michel Abdollahi (Journalist / NDR), Annette Behnken (Pastorin) Foto: ARD

Die gute Nachricht zuerst: Es war eine lebendige Diskussion bei „Hart aber fair” am Montagabend im Ersten. Und das lag vor allem an zwei Diskussionsteilnehmern. „Wie gespalten ist Deutschland?”, hatte Moderator Frank Plasberg gefragt. Achtung Spoiler: Sehr gespalten. Zumindest wenn man die Gästeauswahl als repräsentativ für die Konfliktlinien hierzulande betrachtet. Die schlechte Nachricht: Das Streitniveau war zwischenzeitlich unterirdisch.

Drei Themen hatte Plasberg auf der Agenda. Arm gegen Reich, Fremdenangst gegen Multikulti und Ost gegen West. Während bei den ersten beiden Gegensätzen die üblichen Phrasen ausgetauscht wurden, führte der Ost-West-Disput zu einer hitzigen Auseinandersetzung. Zu verdanken war das Antje Hermenau.

Hermenau war früher mal Fraktionsvorsitzende der Grünen im Sächsischen Landtag. Jetzt firmiert sie als „Politikberaterin” und lässt sich von der AfD zu Buchlesungen einladen. Das bleibt ihr unbenommen, denn das ist ihr gutes Recht. Aber wie jede Person, die sich politisch in der Öffentlichkeit äußert, muss sich Hermenau auch kritisieren lassen. Doch Kritik mag man in diesem Milieu bekanntlich nicht. Zwar wird gegen jeden ausgeteilt, der das eigene Weltbild nicht teilt, doch schon bei der kleinsten Kritik am eigenen Kurs verfallen die besorgten Bürger in Selbstmitleid, stilisieren sich zu unterdrückten und verfolgten Verkündern der einzig gültigen Wahrheit. Frau Hermenau brachte es in dieser Disziplin zu Höchstleistungen.

Antje Hermenau war früher mal Fraktionsvorsitzende der Grünen im Sächsischen Landtag, heute ist sie Politikberaterin (Foto: ARD)
Antje Hermenau war früher mal Fraktionsvorsitzende der Grünen im Sächsischen Landtag, heute ist sie Politikberaterin (Foto: ARD)

Als Plasberg nach den Ausschreitungen von Chemnitz fragte, bei denen ein Mob Ausländer durch die Stadt jagte, barmte Hermenau: „Ein ganzer Volksstamm wird in Sippenhaft genommen.” Die Sachsen, so die Ex-Grüne, hätten doch nur „Sachfragen” gestellt. Sachfragen? Wer wissen will, wie manche Sachsen Sachfragen stellen, sollte sich die Videos aus Chemnitz anschauen. Sachfrage stellen hieß in Chemnitz unter anderem „Scheiß Kanaken, verpisst euch” zu brüllen.

Hermenau: „Hetzjagd? Das war doch wie beim Fußballspielen.”

Doch Hermenau, einmal in Fahrt, setzte noch eins drauf. Sie sagte: „Und dann diese eine Hetzjagd – das war doch wie beim Fußballspielen.” Soviel Verharmlosung hört man normalerweise von der AfD. Hermenau erklärte völlig ernst: „Es war auch keine Lynchjagd, es ist ja keiner aufgehängt wurden.” Anders ausgedrückt: Es müssen erst Menschen sterben, bevor Hermenau Kritik an Sachsen akzeptiert.

Apropos Sachsen: Hermenau sprach während der gesamten Sendung von „wir”, wenn sie die Ostdeutschen meinte. So als habe sie das Mandat, für alle Menschen aus Sachsen oder den fünf neuen Bundesländern zu sprechen. Schlimmer als Hermenaus Alleinvertretungsanspruch waren aber ihre Thesen. Von Plasberg auf eine repräsentative Studie angesprochen, nach der Ostdeutsche deutlich ausländerfeindlicher sind als Westdeutsche, sagte Hermenau: „Die Ausländerfeindlichkeit der Ostdeutschen ist präventiv, wir wollen nicht solche Viertel, wie im Westen.” Welche Viertel sie meinte, sagte sie nicht.

Hitlergrüße als Diskussionsangebot

Lieber erklärte sie wie „der” Chemnitzer tickt: „Der Chemnitzer geht morgens zur Arbeit und macht abends Feierabend.” Wer hätte das gedacht? Nach dem Tod eines Deutsch-Kubaners in der Innenstadt, so Hermenau, wollten sich die Chemnitzer in der Innenstadt „über den Mord austauschen”. Warum dabei Hitlergrüße gezeigt werden mussten, bleibt Hermenaus Geheimnis.

Man kann solchen offensichtlichen Unsinn belächeln. Wer aber wie der Autor dieser Zeilen in neunziger Jahren in Chemnitz gelebt hat, weiß, dass man schon damals bestimmte Viertel – etwa das Fritz-Heckert-Gebiet – meiden wusste, wenn man ausländisch oder alternativ aussah und nicht von Neonazis attackiert werden wollte. Es war kein Zufall, dass das Trio des „Nationalsozialistischen Untergrunds” ausgerechnet in Chemnitz untergetaucht ist. Dort gab es eine große, gut organisierte rechtsradikale Szene und Behörden, die den Feind auf der linken Seite des politischen Spektrums sahen.

Hermenau will davon nichts wissen. Sie lamentiert, dass ständig mit den Finger auf Sachsen gezeigt werde und die Menschen das Gefühl hätten „gegen eine Mauer zu reden”. Das ist Unsinn. Als tausende Chemnitzer ein friedliches Konzert gegen rechte Gewalt besuchten, berichteten Medien auch darüber – und das äußerst wohlwollend. Kein Politiker, kein Medium hat in Zusammenhang mit den Ausschreitungen über „die” Sachsen oder “die” Chemnitzer geurteilt. Kritisiert wurde, dass in Chemnitz Neonazis, Hooligans, AfD-Politiker und ganz normale Bürger zusammen demonstrierten und am Rande dieser Veranstaltung Menschen bedroht wurden. Man kann das alles nachlesen. Hermenau halluzinierte dennoch ständig von „Sippenhaft”.

Michel Abdollahi, NDR-Journalist und Autor, erklärte: „Sippenhaft? Das erleben Migranten jeden Tag.” Damit hat er leider recht. Nach jeder Straftat eines Muslims, fordern Hermenaus neue Freunde die Abschiebung aller Muslime. Genausogut könnte man nach jedem, der zahlreichen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche die Abschiebung aller Katholiken fordern. Doch Differenzierung ist nicht Hermenaus Stärke.

Hassmails an NDR-Journalisten

Dafür zuständig war Dirk Rossmann, Gründer und Geschäftsführer der gleichnamigen Drogeriemarktkette. Rossmanns Auftritt bei „Hart aber fair”war der wohltuenden Gegenpol zu Hermenau. Er sagte: „Wir haben mit Teilen der jungen Muslime Probleme und das muss angesprochen werden.” Immer mehr Muslime würden sich von der deutschen Kultur entfernen und einer Kultur folgen, die intolerant gegenüber Homosexuellen und Frauen sei, so Rossmann. Gleichzeitig erklärte der Milliardär: „Wir beschäftigen Mitarbeiter aus 97 Nationen und der Anteil der herzlichen Menschen darunter, ist genauso so gross wie unter den ursprünglichen Deutschen.” Millionen Migranten seien heute Teil diese Gesellschaft, machten ihre Arbeit, seien Freunde, sagte Rossmann.

Eindrücklich waren die Schilderungen des Journalisten Abdollahi. Er berichtete von Hassmails, die von „Fahr nach Hause” bis hin zu Todesdrohungen reichten. Abdollahi: „Keiner von denen spricht über die Steuern, die ich für dieses Land zahle, und mit denen die Infrastruktur aufgebaut wird, durch die mir diese Leute ihre Nachrichten erst schicken können.”

Die übrigen Gäste blieben dagegen blaß. Annette Behnken, evangelische Pastorin, sagte, was Kirchenleute in solchen Diskussionen immer sagen: „Wir müssen Gesprächsräume schaffen, wir brauchen Austausch.” Claus Strunz, Journalist und TV-Moderator, sagt, das, was er immer sagt: Er habe mehr Angst „vor radikalisierten Moslems als vor Naziidioten.”

Der stärkste Satz des Abends kam ausgerechnet von einem bekennenden Neonazi aus dem mecklenburgischen Dorf Jamel. Dorthin war Journalist Abdollahi für einige Wochen gezogen, um mit den Rechten ins Gespräch zu kommen. Der Neonazi sagte in einem von Plasberg präsentierten Einspieler über Flüchtlinge: „Das Problem ist, wenn man die Menschen kennenlernt, dann kann man sie nicht mehr hassen.”