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Der politische Weltfrauentag: Wie steht es um die Repräsentation in den Parlamenten?

In Sachen Repräsentation ist in der Politik immer noch viel Luft nach oben (Symbolbild: Getty Images)
In Sachen Repräsentation ist in der Politik immer noch viel Luft nach oben (Symbolbild: Getty Images)

Weltfrauentag. Das binäre Aufmerksammachen auf die Ungerechtigkeiten zwischen Mann und Frau, bezogen auf das Berufsleben, Gender Pay Gap oder Care- und Hausarbeit. Dieser vor über 100 Jahren gegründete Feiertag ist ein Symbol dafür, dass wir in diesem Bereich durchaus viel erreicht haben, nur bisher meist selbstverständliche Dinge: Das Wahlrecht (1919), autonome Entscheidungen über das eigene Arbeitsleben oder die aktive Einbindung aller Geschlechter in politische Entscheidungen. Also viel Luft nach oben.

Einerseits ist der Frauentag gut, um genau darauf aufmerksam zu machen, andererseits zeigt er, wie viel noch zu tun ist: Dass man immer noch diskutieren muss, wieso beide Eltern in Elternzeit müssen, dass Frauen kein Shaming für das Nichtbekommen von Kindern ertragen müssen und wieso die Lücke zwischen männlichen und weiblichen Gehältern mit einem Abstand von 22% in Westdeutschland, und 7% im Osten viel zu groß ist. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, diese Probleme aus der Welt zu schaffen.

Die Politik schaut auf ähnliche Probleme. Der aktuelle Bundestag hat einen Frauenanteil von 31%. Und dies sicherlich nicht nur, weil nur so viele Kandidatinnen da waren. In deutschen Landtagen sieht es teils noch drastischer aus, in Sachsen kommt man auf satte 21,8%. Nur Hamburg erreicht mit 38% den seichten Anspruch, gen Parität zu gehen.

Kommentar: Normalisiert die politische Frau!

Es gibt aber einen weiteren tragischen Prozentteil in der Politik, und das sind Menschen mit Migrationsgeschichte. Es sitzen rund 8% Parlamentarier mit Migrationshintergrund im Bundestag, in den Landtagen schaut dies nicht anders aus. Vor allem Frauen mit Migrationshintergrund lassen sich selten finden, schon gar nicht in Führungspositionen. Dabei muss die Politik rein ethnisch das repräsentieren, was sie ist, nämlich einen Staat mit fast 20% Menschen mit Migrationsgeschichte.

Frauenbild der Klatschblätter: Für 88 Cent zurück an den Herd

Werden Frauen im Generellen oft “Frauenthemen” zugeschoben, wie Familien- und Sozialpolitik, existiert die Erwartung bei Women of Color, dauernd über ihre Marginalisierung zu sprechen. Aber auch das Framing von Außen, nicht nur als Frau, sondern als “Migrant” in der Politik zu stehen, existiert. Wie aktive Politikerinnen darauf schauen und was dies im Kontext des Frauentages für sie bedeutet, darüber haben wir mit drei jungen Frauen aus der Politik gesprochen.

Aminata Touré (Die Grünen)

Aminata Touré ist in Schleswig-Holstein Shooting Star und Hoffnungsträgerin der Grünen. Sie zog 2017 - als Nachrückerin für Monika Heinold - als eine der jüngsten Kandidatinnen in den Landtag ein und wurde bereits zwei Jahre später als Vizepräsidentin vereidigt.

Aminata Touré ist die jüngste Vizepräsidentin eines deutschen Landtags (Bild: Fenja Hardel)
Aminata Touré ist die jüngste Vizepräsidentin eines deutschen Landtags (Bild: Fenja Hardel)

Ich finde den Internationalen Frauentag sinnvoll. Tausende Menschen gehen an diesem Tag auf die Straße oder machen Veranstaltungen, um auf die Situation von Frauen aufmerksam zu machen. Das schafft Sichtbarkeit und ist wichtig. Gleichzeitig macht dieser Tag aber auch sehr deutlich, welche Kämpfe innerhalb der feministischen Bewegung geführt werden. Das fängt schon beim Titel an: Frauentag, internationaler Frauen*tag, Frauenkampftag, Feministischer Kampftag. Wen schließen wir eigentlich aus, wenn wir von "Frauentag" sprechen? Werden dir Bedürfnisse von Inter- und Transpersonen hier mitgedacht?

Und wer ist an der Organisation von Veranstaltungen/Demos rund um den 8. März beteiligt? Wer spricht auf den Demos? Welche Themenschwerpunkte werden gesetzt? Stichwort Intersektionalität!

Der feministische Kampftag muss, wie jede gewachsene Struktur, kritisch hinterfragt und stetig unter Einbezug von verschiedenen Perspektiven weiter entwickelt werden. Ich halte ihn jedoch für eine wichtige Chance, jedes Jahr am 8. März auf Ungleichheitsstrukturen wie Sexismus, Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit uvm. aufmerksam zu machen.

Ich habe mich bewusst dafür entschieden, Antirassismus-, Migrations- und Gleichstellungspolitik zu machen und bin Sprecherin für diese Themen. Deshalb würde es mich wundern, wenn ich zu Finanzpolitik gefragt werde, für die ich nicht zuständig bin. Mich hat es wahnsinnig gemacht, den Fernseher einzuschalten und nie jemanden zu sehen, der über Migration spricht, der weiß, was es bedeutet, davon betroffen zu sein. Immer über uns, nie mit uns. Ich wäre sonst nicht in die Politik gegangen. Mir ging es nie darum “einfach Politikerin zu sein” und danach zu schauen, welches Thema ich mache. Ich wollte genau wegen dieser Themen in die Politik. Jede Woman of Color sollte in dem politischen Feld arbeiten können, für das sie sich interessiert. Egal, was Women of Color tun, ihnen wird angeraten, das Gegenteil zu tun. Wenn man Finanzpolitik macht, werden sie gefragt: “Wieso machst du nicht Antirassismus?” Wenn du Antirassismus machst, wirst du gefragt: “Warum machst du nicht Finanzpolitik?”

Ich will, dass wir tun können, was wir für richtig halten.

Serap Güler (CDU)

Serap Güler ist Staatssekretärin für Integration im Familienministerium von Nordrhein-Westfalen. Sie ist Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und stellvertretende Vorsitzende der Kölner CDU.

Serap Güler ist Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration von Nordrhein-Westfalen (Bild: Michael Gottschalk/Photothek via Getty Images)
Serap Güler ist Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration von Nordrhein-Westfalen (Bild: Michael Gottschalk/Photothek via Getty Images)

Der Internationale Frauentag ist für mich eine Bestätigung, weiterzumachen: Wir Frauen müssen weiterhin aktiv einfordern, dass veraltete Rollenbilder über Bord geworfen werden. Denn zu der Wahrheit gehört, dass auch im 21. Jahrhundert die Unterdrückung der Frau immer noch “Alltagsgeschäft” ist. Business als usual sozusagen - so bitter das auch klingen mag. Jeden Tag werden Frauen weltweit immer wieder aufs Neue aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. Und zwar ganz unabhängig von Religion oder Kultur – auch in Deutschland.

Hier sind Frauen nach dem Gesetz bekanntermaßen gleichberechtigt. Richtig ist aber auch, dass Frauen bei gleicher Qualifikation und Arbeit im Schnitt immer noch weniger als Männer verdienen, in Führungspositionen weiter unterrepräsentiert sind und aufgrund von Familienplanung beruflich häufiger zurückstecken.

Frauenrechte sind Menschenrechte. Und solange diese Maxime im gesellschaftlichen Miteinander nicht vollends verinnerlicht ist, ist es richtig und wichtig, den Weltfrauentag als Anlass zu nehmen, sich Gehör zu verschaffen. Ich mag den Begriff “weiße/nicht-weiße Personen” nicht. In Nordrhein-Westfalen sagen wir dazu Menschen mit Migrationsgeschichte, die natürlich bunt sein können, aber nicht müssen. Selbstverständlich müssen Menschen mit Migrationsgeschichte überall vertreten sein. Wenn ich aber an Themen wie Rassismus, Diskriminierung oder an Chancenungerechtigkeit denke, dann sind es vor allem die Stimmen der Menschen mit Migrationsgeschichte, die hier auf Missstände aufmerksam machen - ganz einfach, weil sie leider eher solche Erfahrungen machen, als andere. Denken Sie nur einmal an die schrecklichen Vorkommnisse in Hanau. Hier wurden gezielt Menschen hingerichtet, weil sie anders aussahen. Mit Ende der zentralen Trauerfeier in dieser Woche ist die Tat aus den Köpfen vieler Menschen bereits verschwunden. Viele sprechen gar nicht mehr darüber, während Menschen mit Migrationsgeschichte - genauso wie nach Solingen oder dem NSU – die Bilder ins kollektive Gedächtnis gespeichert haben. Wir wissen sofort, was gemeint ist, wenn von Solingen, Mölln oder Rostock-Hoyerswerda die Rede ist. Diese Taten machen nicht nur fassungslos, sondern erschüttern bis ins Mark. Sie stellen alles in Frage, wofür wir als offene Gesellschaft stehen.

Serpil Midyatli (SPD)

Serpil Midyatli ist Landtagsabgeordnete der SPD in Schleswig-Holstein, wo sie ebenfalls Fraktionsvorsitzende ist. Sie ist Landesvorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein und stellvertretende Parteivorsitzende auf Bundesebene.

Serpil Midyatli ist die Landesvorsitzende der SPD Schleswig-Holstein (Bild: Thomas Eisenkrätzer)
Serpil Midyatli ist die Landesvorsitzende der SPD Schleswig-Holstein (Bild: Thomas Eisenkrätzer)

Die Thematik hat für mich zwei Seiten. Ich befasse mich teils sehr bewusst genau mit dem Thema Migration und Integration. Dann kommt oft das Statement “Müsst ihr das denn immer machen” und ja, denn sonst ist die Gefahr hoch, dass das Thema komplett untergeht. Ich sehe mich aber nicht dazu gezwungen. Ich kenne aber auch einige Kollegen, die sagen, “Nein ich bin Jurist oder ich habe VWL studiert, und das ist mein Fokus”, und ich glaube, dass das Feld da auch ziemlich weit geht. Es gibt jene, die sich damit befassen und die, die es gar nicht tun, und eben jene, die beides machen. Da zähle ich mich dazu. Meine Ämter tragen auch dazu bei, dass ich mich thematisch mit allem befasse.

Generell ist es definitiv so, dass man oft unterschätzt worden ist, oder auch gegenwärtig unterschätzt wird, aber genau das macht ja auch den Reiz aus. Dieses “Huch, was hat sie denn dazu zu sagen”, aber der Überraschungseffekt war dann viel viel größer und erfreulicher, dann wird man auch ernster genommen. Letztendlich bin ich nicht nur jemand mit Migrationsgeschichte, ich bin auch Frau, Mutter, war Unternehmerin, dementsprechend gibt es viele Felder, in denen ich nicht nur eine Meinung, sondern eine Haltung habe. Auch wenn es nicht allen gefällt, stehe ich dafür, standhaft und wehrhaft ein. Aber als Frau kommt es auch generell oft vor, dass man in eine Nische gepackt wird, oder dass einem die Kompetenz abgesprochen wird. In nahezu allen Bereichen.

Den Frauentag gibt es über 100 Jahre, und was ich sehr gut finde ist, dass die Aktualität nie verloren gegangen ist, denn Frauen haben es geschafft, übergreifend zu agieren, ob in Gewerkschaften, Parteien oder NGOs. Gesetze und Gesellschaften haben sich verändert, gerade auch durch die Proteste, die es auf der Straße gegeben hat, siehe Thema Abtreibung. Es bleibt wichtig, fortwährend solidarisch zu sein, und die Aktualität immer wieder auf neue Themen zu setzen. Die Kompetenz des Weiterentwickelns ist da ganz zentral, ich sehe das als Stärke des internationale Frauentages, die akute Lebensrealität der Frauen auffassen zu können und keine Gedenk- und Erinnerungsveranstaltung zu feiern. Es begeistert mich, weil ich auch schon etwas länger Politik mache, sehe, wie gerade junge Frauen beim Thema Feminismus wieder aufblühen und dass diese dafür gewonnen werden.

Video: Weltfrauentag 2020 steht unter dem Motto “Generation Gleichberechtigung”