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Der Sommer der Populisten ist bald vorbei

Ob Warschau, Ankara oder Berlin: Poltern mausert sich zum politischen Ton. Doch alles hat einmal ein Ende – und das könnte schneller kommen als erwartet.

Ein Kommentar von Jan Rübel

In der Politik ist man zunehmend ungeniert. Gute Sitten, Respekt und Argument gegen Argument – das gehört für immer mehr Volksvertreter zur alten Schule; besonders sich konservativ Nennende, die ja Vergangenes eigentlich mögen, geben sich da ganz dem neuen Trend hin. Verrückte Zeiten. Aber keine, die in Stein gemeißelt sind.

In Polen fälscht das Fernsehen glatt eine Rede von US-Präsident Barack Obama und biegt seine kritischen Worte zur geplanten Verfassungsreform hin zu einer Lobeshymne. Den Redakteuren wird klar gewesen sein, dass der Bluff auffliegen wird – werden aber kühl kalkuliert haben, dass dieser Imageschaden leichter wiegen würde als die Gehirnwäsche bei den Zuschauern wirkt. Wer auch immer diesen Griff zur Schere zu verantworten hat: Er wird gedacht haben, dass er es kann. Dass es sich lohnt.

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Ähnlich wird die türkische Regierung gedacht haben, die deutschen Bundestagsabgeordneten die Einreise in die Türkei verwehrt – diese wollen Bundeswehrstützpunkte im Südosten des Landes besuchen. Abgesehen davon, dass solche Abgeordnetenreisen in der Regel keinen Erkenntnisgewinn bringen und nur die Staatsschatulle schröpfen; immer wieder verkommen diese Trips zu reinem Tourismus, bei denen die politischen Gespräche einen intellektuellen Tiefpunkt nach dem anderen erreichen, und zwar wegen der Ignoranz und der Arroganz unserer Abgeordneten. Dennoch ist die Haltung von Präsident Recep Tayyip Erdogan skandalös, wenn er für die Einreise von Abgeordneten eine Reaktion von Angela Merkel (CDU) fordert: Er will, dass die Kanzlerin sich von einem Beschluss des Parlaments distanziert, nämlich von der Resolution über den Völkermord an den Armeniern. Herr Erdogan, Abgeordnete gehören der Legislative an, Frau Merkel macht auf Exekutive; beides ordentlich zu trennen wäre in jedem Land eine gute Sache.

In Berlin schließlich zerhackt sich AfD-Führungsspitze in Machtkämpfen, die nicht wirklich inhaltliche Gründe haben. Rechts gegen Rechts, Rechts gegen fast Rechts in einem Bündnis mit noch mehr Rechts – wer will das noch durchschauen? Die vermeintliche Vermittlungstour von AfD-Chefin Frauke Petry nach Stuttgart diente wohl nur dem Zweck, ihren Co-Chef Jörg Meuthen zu schwächen. Der antwortet mit Sandkastenspielen wie Hausverboten. Die AfD-Spitze agiert so ungeniert, oder besser UNVERSCHÄMT, weil sie gegenüber dem Wähler ja auch alles Mögliche verspricht ohne rot zu werden. Das färbt nach innen ab. Und noch können die Parteigranden davon ausgehen, dass der Wähler sich nur mäßig für die Kabbale interessiert.

Hochmut kommt vor dem Fall

Doch alles hat einmal ein Ende. Man kann sein Blatt überreizen, und dies ist die große Herausforderung für Populisten: Ständig testen sie die Hemmschwellen der Öffentlichkeit, schauen, wie weit sie gehen können in ihrem Verrohungskurs. Doch fühlen sie sich zu sicher, machen sie Fehler.

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Es gibt in der Politik einen magischen Punkt ohne Umkehr. Der zeichnet sich ab, wenn ein Gipfel erreicht wird und es nur noch bergab geht – wenn nicht schleunigst ein anderer Kurs gefahren wird. Polens Regierung, Erdogan und die AfD, alle drei agieren aus einer Position der Stärke und Selbstsicherheit heraus. Sie manipulieren unverfälscht. Das wird auffallen, es ist nur eine Frage der Zeit. Der Wähler ist nicht so dumm, wie man gemeinhin annimmt.

Vielleicht ist die Prognose zu gewagt, dass in diesem Sommer der Gipfel der Populisten erreicht ist. Jedenfalls fällt deren Unverfrorenheit auf; so mächtig und erdverbunden sind sie nämlich – noch – nicht. Die Talfahrt der Rechtspopulisten könnte gerade beginnen.

(Bilder: APA/Herbert Neubauer und Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

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