Wie die AfD sich als klassische Altpartei outet

Die nationalkonservative AfD sieht sich gern als junge Rebellin gegen ein verstaubtes System. Probleme aber delegiert die Partei ungeniert – wie heute bei den Antisemitismus-Vorwürfen in Baden-Württemberg.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Mal wieder hat die AfD eine Chance vertan, sich als Partei mit tatsächlich frischem und menschlichem Antlitz zu zeigen. Es ist ja auch schwer: Einerseits propagiert man ein konservatives Weltbild, das Vergangenes anhimmelt, und andererseits soll die AfD anders sein als die anderen „Altparteien“ – die im „System“ drinstecken und sich verfangen haben im Stakkato aus Wertelosigkeit, Kompromisslerei und anderem Brimborium. Also jungalt zugleich, das erinnert an die Quadratur des Kreises.

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Heute aber hat die AfD gezeigt, dass sie eher alt als jung daherkommt. Krisen schiebt sie auf die lange Bank mit Hilfe von Gutachten – würde eine „Altpartei“ nach solchem Drehbuch ein Problem angehen, der Protest der AfD schwänge bis zum Nordpol.

Was ist passiert? Der faule Kompromiss des Tages geht an die baden-württembergische Landtagsfraktion der AfD. Die hatte heute über den Verbleib eines ihrer Mitglieder in den Fraktionsreihen zu entscheiden: über den Abgeordneten Wolfgang Gedeon, dessen Bücher ein Fall für den Verfassungsschutz sind. Damit meine ich nicht seine „Einführung in die Naturheilkunde“, sondern „Christlich-europäische Leitkultur. Die Herausforderung Europas durch Säkularismus, Zionismus und Islam“ und „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten: Eine Kritik des westlichen Zeitgeists“.

Zugegeben, ich habe diese Bücher nicht gelesen. Aber seit langer Zeit wird aus ihnen unwidersprochen zitiert, und die transportierten Inhalte sprechen eine eindeutig judenfeindliche Sprache. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet allein heute, Gedeon bezeichne darin den Holocaust als „Zivilreligion des Westens“. Das Judentum sei der innere, der Islam der äußere Feind des christlichen Abendlandes. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin diene der Erinnerung an „gewisse Schandtaten“.

Eine Prise Verschwörung, bitte

Und die „Welt“ zitiert ihn mit den Worten über das Machwerk „Die Protokolle der Weisen von Zion“: „Bei objektivem Vergleich der widerstreitenden Ansichten über diese ,Protokolle’ sieht es eher nicht nach Fälschung aus.“ Oha. Jeder halbwegs beim Überqueren einer Straße nach links und nach rechts schauende Zeitgenosse weiß, dass es sich bei diesen „Protokollen“ um Fälschungsschund handelt, immer wieder abgeschrieben und voneinander abgeschrieben. Die Legende der Fälscher besagt, dass die Schrift angeblich bei einer streng geheimen Versammlung der „jüdischen Weltregierung“ 1897 abgefasst worden sei.

Bei Gedeons eigener Website finde ich dazu: „Es wird aber nirgendwo ersichtlich, dass die Urheber der Protokolle, die auch auf dem Basler Zionistenkongress von 1897 nicht offen, sondern nur in einer geheimen Parallelveranstaltung aufgetreten sind, in irgendeiner Weise repräsentativ für das jüdische Weltkollektiv wären. Bei den Urhebern der Protokolle geht es also um zionistische Cliquen, von denen einige sicher nach diesem Konzept arbeiten dürften. Dass sie dabei im 20. Jahrhundert sehr erfolgreich waren, wird deutlich, wenn man sich gewisse Analogien zwischen der in den Protokollen propagierten politischen Strategie und Taktik und zum Beispiel den politischen Methoden der Brüsseler EU vor Augen hält.“

Tja. Man mag Gedeon für einen Spinner halten. Jedenfalls hat er schlechte Gefühle gegenüber Juden, die er mit „antizionistischer“ Kritik tarnt. Da wird eine Gruppe konstruiert, ihr Größe angedichtet – und natürlich geheime Herrschaftslust; so funktioniert Meuteverhalten auf der Suche nach Opfern für alles und jedes.

Die lange Bank der AfD

Aber zurück zur AfD-Landtagsfraktion in Stuttgart. Die schmiss ihn heute nicht hochkant raus, sondern einigte sich auf einen Kompromiss: Gedeon wird seine Mitgliedschaft in der Fraktion ruhen lassen. Zumindest vorerst. Bis zum September soll eine Kommission prüfen, ob die Vorwürfe berechtigt sind. Danach soll der Fall erneut beraten werden.

Was gibt es da noch zu beraten? Wollen sich die AfDler bei einem Glas Trollinger über die „Protokolle der Weisen von Zion“ beugen? Wollen sie sich befragen, wen sie für den inneren und wen für den äußeren Feind des „christlichen Abendlandes“ halten?

Die AfD hätte klare Kante zeigen können. Sie aber zeigt sich feige und bürokratisch und als gefährlicher Haufen, der bösen Gedanken Raum lässt.

Aber so ist das, wenn man eine Vorsitzende hat, welche die deutsche „Willkommenskultur“ gegenüber Flüchtenden als Folge von Schuld- und Minderwertigkeitskomplexen ansieht. „Ich glaube, dass die Willkommenskultur der Ausdruck eines tiefer gehenden Problems mit der eigenen Identität ist“, sagte Hobbypsychologin Frauke Petry heute der „dpa“. Viele deutsche Politiker seien der Meinung, „dass die beste Sühne für das, was Deutschland an Verbrechen in der Vergangenheit begangen hat, darin liegt, die eigene Kultur ja nicht zu überhöhen, sondern eher zu relativieren“. Aha. Daran sind die Juden also auch schuld. Ist ja praktisch. Eigentlich passt der Gedeon ganz gut zur AfD.

Bilder: dpa

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