Der wissenschaftliche Grund, warum wir jetzt zu Aretha Franklins Musik greifen

Aretha Franklin bei einem Auftritt im Nokia Theatre L.A. Live (jetzt Microsoft Theater) am 25. Juli 2012 in Los Angeles. (Foto: Kevin Winter/Getty Images)
Aretha Franklin bei einem Auftritt im Nokia Theatre L.A. Live (jetzt Microsoft Theater) am 25. Juli 2012 in Los Angeles. (Foto: Kevin Winter/Getty Images)

Stellen Sie sich darauf ein, in den nächsten Tagen viel „Respect“ zu hören.

Nach dem Tod der produktiven, unvergleichlichen Aretha Franklin (76) wenden sich Fans zweifellos ihrem klassischen Hitkatalog zu, der unter anderem den Song enthält, der zu einer Hymne für sowohl für die Bürger- als auch die Frauenrechtsbewegungen in den Vereinigten Staaten wurde. Aber auch Titel wie „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“, „Think“ und viele andere gehören zu den Franklin-Klassikern.

Der Tod eines Künstlers haucht dessen Werk oft neues Leben ein. Der Absatz von Tom Pettys Musik stieg nach dessen Tod im Oktober 2017 um 6.000 Prozent. Als Prince im April 2016 starb, erhöhte sich der Absatz seiner Alben laut Nielsen Music um 42.000 Prozent. Die Fans rissen sich sowohl die Singles als auch die Alben aus den Händen, einschließlich „Purple Rain“ und der Best-of-Kompilation „The Very Best of Prince“.

Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für Werke von Künstlern, die nach ihrem Tod an Popularität gewannen – manchmal noch Jahre und sogar Jahrzehnte später. Lang verstorbene Musiker wie Michael Jackson (starb 2009), Elvis Presley (verstarb 1977) und Bob Marley (starb 1981) schafften es 2017 in die Top Fünf der Liste mit den meistverdienenden toten Stars des „Forbes“ Magazins. Bis Ende Oktober 2017 hatten diese Künstler teilweise bis zu 65 Millionen Euro gemacht.

Genau wie bei Prince und den anderen Künstlern war Franklins Musik genreübergreifend und kulturell relevant. Die Queen of Soul schaffte es in mehr als fünf Jahrzehnten mit unglaublichen 73 Songs in die „Billboard’s Hot-100-Charts. Zu ihren zahlreichen anderen Leistungen gehört außerdem, dass sie als erste Frau in die Rock & Roll Hall of Fame aufgenommen wurde. Ihre Musik ist nun dazu bestimmt, die Radiosender und Hitparaden noch einmal zu erobern.

Laut Verhaltensexperte Patrick Wanis gibt es einen einfachen Grund, warum wir uns dem Werk eines Künstlers nach dessen Tod wieder vermehrt zuwenden.

„Wir wollen der Person so nah wie möglich kommen“, erklärt Wanis gegenüber Yahoo Entertainment. „Und weil wir sicherstellen möchten, dass wir einen Teil von ihnen so nah wie möglich bei uns haben.“

Natürlich bedeutet uns diese Person etwas, aber es hat auch mit den Erinnerungen zu tun, die wir mit diesem Star verbinden. Es geht eigentlich mehr um uns selbst.

„Der Grund, warum [der Tod eines Stars] uns berührt, ist, dass dieser Star in vieler Hinsicht ein Teil unserer Identität ist – egal, ob das nun gut oder schlecht ist“, sagt Wanis. „Wir identifizieren uns mit ihm, wir sind involviert, mit haben eine Art Beziehung oder Verbindung, selbst wenn diese einseitig ist. Und dann denken wir uns: Jetzt, wo die Person fort ist, was passiert mit diesen Erinnerungen? Normalerweise ist es so, dass wir etwas umso mehr festhalten, desto mehr wir uns verloren fühlen. Und wenn ein Star stirbt, dann halten wir fest, indem wir uns seine Musik, seine Kunst holen.“

Samita Nandy, Direktorin des „Centre for Media and Celebrity Studies“ in Toronto, erklärt außerdem: „Es ist auch ein Weg, um mit Trauer umzugehen.“

Laut ihr kann es „teilweise tröstlich“ sein, wenn wir sofort nach dem Tod einer Person zu deren Kunstwerk greifen. Denn lebt ein Musiker oder Schauspieler nicht in seiner Kunst weiter?

„Die meisten Fans haben den Tod eines Stars betrauert, indem sie dessen bisherige Werke als einen Ausdruck von Unsterblichkeit betrachteten“, sagt Nandy. „Der Unterschied heute besteht darin, dass wir digitale Werkzeuge haben, um Kunstwerke neu abzumischen und zu produzieren und dadurch eine virtuelle Intimität mit dem Star herstellen können.“

Mit anderen Worten, das Internet und besonders die sozialen Netzwerke tragen dazu bei, dass wir uns den Stars näher fühlen als je zuvor. Es gab Zeiten, zu denen man monatelang warten musste, bis ein berühmter Künstler wieder neue Musik, einen Film oder eine neue Folge einer TV-Serie veröffentlichte. Heute haben wir ständigen Zugang: die Familienfotos der Stars, die Backstage-Selfies bei Preisverleihungen, ihr Abendessen. Manchmal interagieren die Stars sogar direkt mit einem Fan. Als Ergebnis sind viele Menschen vom Tod eines Promis fast so betroffen, als ob es sich um eine nahestehende Person handeln würde.

„Denn wenn wir in uns einbilden, dass wir ein enges Verhältnis zu einem Star haben, dann betrifft uns dessen Tod“, sagt Wanis. „Und das hängt besonders davon ab, was dieser Promi für uns bedeutet oder bedeutet hat. Es geht nicht nur um die Musik. Es geht um die emotionale Bindung und die emotionale Assoziation, die wir zu diesem Star aufgebaut haben.“

Aretha Franklin hält im Atlantic Records Studio in New York am 9. Januar 1969 ihr Album „Soul ’69“ in den Händen. (Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images)
Aretha Franklin hält im Atlantic Records Studio in New York am 9. Januar 1969 ihr Album „Soul ’69“ in den Händen. (Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images)

Das Trauern schadet auch nicht.

„Ich sage meinen Klienten immer: Machen Sie, was notwendig ist, um die Trauer zu bewältigen und achten Sie nur darauf, dass Ihre Handlungen nicht obsessiv oder süchtig werden oder beginnen, Ihr Leben zu kontrollieren oder zu beschädigen“, sagt Wanis.

Also grölen Sie beim nächsten Hören von „Respect“ ruhig laut mit. Sie werden sich danach besser fühlen.

Raechal Leone Shewfelt