DFB-Team: Das sind die Jungs für den Generationenwechsel

Deutschland verliert gegen Frankreich, zeigt mit vielen jungen Spielern aber endlich wieder guten Fußball. Joachim Löw muss den Blutaustausch ohne Rücksicht auf alte Verdienste weiter vorantreiben. Die nächste Generation wartet schon zu lange.

Julian Brandt und Leroy Sane in Diensten der DFB-Elf. Bild: Getty Images
Julian Brandt und Leroy Sane in Diensten der DFB-Elf. Bild: Getty Images

Die Reaktionen waren befremdlich. Und fühlten sich doch angemessen an.

Deutschland hatte verloren, am Dienstagabend in Paris, mit 1:2 gegen Weltmeister Frankreich. Es war die sechste Niederlage in diesem Jahr, in elf Spielen, das hat es noch nie gegeben. Der nächste historische Tiefpunkt nach dem beschämenden Vorrundenaus bei der WM in Russland. In der Nations League droht nun der Abstieg, und auf dem Papier, da zeigt es sich brutal, dass der deutsche Fußball am Boden liegt.

Dennoch umweht diese tief gefallene Mannschaft seit Dienstagabend schon fast so etwas wie eine Aufbruchsstimmung. Zu tun hat das in erster Linie mit der aufgebotenen Mannschaft, die dem Überteam aus Frankreich frech die Stirn bot und nur durch einen unberechtigten Elfmeter spät verlor. Eine Mannschaft, die jung war, mit neuen Gesichtern, die den Fans vor Augen führte, dass die Spielkultur des DFB bei der WM nicht vollends zu Grabe getragen wurde. Und mit einem Joachim Löw, der für seine Verhältnisse personell wie taktisch drastisch auf das 0:3 von Amsterdam reagierte.

Die deutsche Nationalmannschaft sah in Paris das erste Mal so aus, wie es sich die meisten Fans direkt nach dem Fiasko von Russland gewünscht hätten. Nicht besetzt mit den satten Helden von 2014, sondern voller Spieler, die die sportliche Zukunft des DFB prägen und gestalten sollen. Spieler auch, die neben dem sportlichen Erfolg eine zweite essenzielle Mission haben: die Fans wieder zu gewinnen.

Viel kaputt zu machen gibt es gerade eh nicht

Dabei muss diskutiert werden, ob Löws Korrekturen zu spät kamen. Der Bundestrainer hielt viel zu lange an seiner vielbeschworenen Achse fest, an Spielern, die auch im Verein seit geraumer Zeit für ihre Leistungen in der Kritik stehen. Allen voran sind das die Bayern – Thomas Müller, Jerome Boateng, mit Abstrichen auch Manuel Neuer und Mats Hummels. Dass diese viel Kredit haben ist klar. Das krampfhafte Festklammern an ihnen aber nicht, so hat Deutschland das Spielerpotenzial für einen Generationenwechsel. Und seit Dienstagabend ist das eben nicht mehr nur ein theoretisches Blöken von Fans und Kritikern.

Für diese Erkenntnis brauchte es einen Löw, der mit seinen Gewohnheiten bricht. Der bedenklich lange nichts an seinem Kurs geändert hatte. „Wir hatten einen Spielplan“, sagte Mexikos Trainer Carlos Osorio im Sommer nach dem 1:0-Sieg in Russland über Deutschland, „den wir bereits vor sechs Monaten aufgestellt haben.“ Und es brauchte einen Löw, der diese Mannschaft, die es in dieser Form nach der WM in Russland so nicht mehr hätte geben dürfen, umkrempelte.

Dieser Umbruch, dieser Blutaustausch muss jetzt weitergehen, ohne Rücksicht auf gewonnene Pokale und große Lebensläufe. Die Spiele gegen Oranje und Equipe Tricolore haben wertvolle Erkenntnisse geliefert. Zum Beispiel, dass Spieler wie Leroy Sane, Serge Gnabry, Timo Werner, Thilo Kehrer oder Nico Schulz fest zum Kader gehören müssen. Dass man diese Spieler fördern muss.

Viel kaputt zu machen gibt es gerade eh nicht. Es gibt keine Erfolge, keine Serien, keine Automatismen, die man zunichte machen könnte. Vielmehr kann es nur besser werden (neun Tore schoss das DFB-Team in den elf Spielen des Kalenderjahres, davon waren zwei Elfmeter, ein direkter Freistoß und ein Eigentor). Fast alle Spieler der jungen Generation spielen bei Topklubs, bei Bayern München, Manchester City oder Paris Saint-Germain, fast alle haben Champions-League-Erfahrung, fast alle gehören mindestens zum erweiterten Stammpersonal in ihren Vereinen. Worauf also warten? Es gibt keinen Grund, den Umbruch weiter hinauszuzögern.

DFB-Kandidaten: Philipp, Max, Wolf, Stindl?

Zumal es, abgesehen vom Kader der aktuellen Nations-League-Partien und den verletzten Spielern, in der Liga noch weitere Kicker gibt, die in Zukunft eine Option für Löw sein können. Eine Auswahl.

  • Maximilian Philipp (Dortmund): Hat in der laufenden Saison zwar noch mit Ladehemmungen zu kämpfen, ist beim aktuell besten deutschen Verein aber Stammkraft. Der 24-Jährige ist kein reiner Goalgetter, dafür flexibel einsetzbar und ein technisch hochveranlagter Spielertyp, der perfekt zur Generation Tempofußball passt.

  • Philipp Max (Augsburg): Einer der herausragenden Akteure der vergangenen Saison. Mit 13 Assists, und das als Linksverteidiger. Spielte 2016 für Deutschland bei den Olympischen Spielen, Ertrag nach drei Jokereinsätzen: ein Tor, ein Assist. Auf der nicht gerade luxuriös besetzten linken Seite definitiv eine Alternative.

  • Marius Wolf (Dortmund): Einer der Hauptgründe für die starke Frankfurter Saison 2017/18. Auch nach seinem Wechsel zum BVB bis zu seiner Verletzung gefragt. Nicht der größte Techniker, in seinem Tempo aber zielstrebig und effizient.

  • Lars Stindl (Mönchengladbach): Passt mit seinen 30 Jahren nicht unbedingt in die Verjüngungskur, hat aber im DFB-Dress meist überzeugt – und ist der letzte taugliche Knipser mit Routine, der als Verwerter in mitten der wirbelnden Angriffsreihe von Nutzen sein könnte.

Löw: “Mit bester Mannschaft der Welt auf Augenhöhe”

“Es stimmt das Ergebnis nicht, aber die Mannschaft hat großartig gespielt”, hatte Löw nach dem Spiel gegen Frankreich gesagt. Im Gegensatz zum Abend in Amsterdam, als er sich laut fragte, wie es sein könne, dass eine Mannschaft derart auseinander fällt. “Wir haben das Herz in die Hand genommen und mutig nach vorne gespielt. Wir waren mit der besten Mannschaft der Welt auf Augenhöhe.”

Zwei Spiele sind noch zu bestreiten 2018, in denen nicht nur entschieden wird, wie schlimm das schlechteste Fußballjahr der deutschen Geschichte am Ende ausfallen wird. Sondern zwei Spiele, in denen sich zeigen wird, zu viel Umbruch Löw in der Lage ist. Und deswegen in letzter Konsequenz auch zwei Spiele, die über die Zukunft des Bundestrainers entscheiden könnten.