Dicke Luft nach Jamaika-Abbruch – Uneinigkeit und Vorwürfe bei „Hart aber Fair“

Die Anspannung der Parteien nach den abgebrochenen Koalitionsverhandlungen war deutlich spürbar. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
Die Anspannung der Parteien nach den abgebrochenen Koalitionsverhandlungen war deutlich spürbar. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

„Die Gescheiterten – Wer kann uns jetzt regieren?“ – diese Frage stellte Frank Plasberg bei „Hart aber Fair“. Vielmehr widmete sich die Talkrunde aber Schuldzuweisungen.

Jamaika ist gescheitert – und wie „Hart Aber Fair“ Montagabend deutlich zeigte, sehen die anderen Parteien in erster Linie die FDP dafür verantwortlich. So musste sich FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gleich zu Beginn der Sendung Vorwürfe von allen Seiten anhören. „Ein Trick! Eine Spielerei! Ein Taschenspielertrick!“ unterstellte etwa Grünen-Chefin Simone Peter dem Ausstieg Christian Lindners aus den Koalitionsverhandlungen. „Ich bin enttäuscht von Christian Lindner und der FDP“, so CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär. Der Vorsitzende der Jungen Union Paul Ziemiak ist indes überzeugt, dass eine Koalition möglich gewesen wäre: „Es hätte fast geklappt“.

„Ich erwarte keine Antwort auf die Frage, aber ich stelle sie trotzdem: Wie enttäuscht waren Sie eigentlich, dass Grüne und CSU nicht vorher die Brocken hingeworfen haben?“, fragte Moderator Frank Plasberg. Beer konterte: „Sie unterstellen die ganze Zeit parteitaktische Beweggründe. Das ist aber nicht der Fall.“ Die Verhandlungspartner seien im Inhaltlichen nicht zusammengekommen, dennoch habe sich die FDP auf eine Verlängerung eingelassen. Die Vorwürfe wies sie zurück: „Am Ende wird Politikern immer vorgeworfen, dass sie für Posten ihre Position über Bord werfen. Genau das wollen wir nicht machen. Wir haben diese Glaubwürdigkeit zu hart in den letzten vier Jahren zurückerarbeitet“, so Beer.

„Die Frage ist doch: Ist das, was er [Lindner] sagt, konsistent oder nicht?“, attestierte „Welt“-Journalist Robin Alexander. „Und da sagt er, dass das Dokument, diese legendären 60 Seiten, die sind Mist. Das sagen eigentlich alle Politiker in Berlin. Die waren aber auch schon vor einer Woche Mist. Dann sagt er, die Grünen sind bei der Migration nicht weit genug entgegengekommen. Die Grünen sind aber wahnsinnig weit bei der Migration entgegengekommen. Auch beim Soli ist das fast im Ziel. Wenn die Gründe, die Christian Lindner anführt, gelten, dann hätten sie auch vor zwei oder drei Wochen schon gegolten“. Grünen-Chefin Peter dazu: „Wir haben das humanitäre Grundrecht auf Asyl verteidigt, das kann Frau Beer bestimmt bestätigen.”

FDP-Chefin Nicola Beer musste sich zahlreichen Vorwürfen stellen. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
FDP-Chefin Nicola Beer musste sich zahlreichen Vorwürfen stellen. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

Die Enttäuschung über den Ausgang der Verhandlungen war omnipräsent, die Stimmung aufgeheizt. Immer wieder unterbrachen sich die Kandidaten gegenseitig, die Vorwürfe wollten nicht abreißen. Auch Spott und Häme war unüberhörbar, etwa als der SPD-Vorsitzende Ralf Stegner auf die Ansage von Beer, ihre Partei sei stets geschlossen aufgetreten, mit der Ansage quittierte: „Es ist eine geschlossene Abteilung“.
Schließlich fiel das Thema auf die durchaus realistische Option von Neuwahlen. Ob die SPD bei einem ähnlichen Wahlausgang bereit wäre, ihre Oppositionsentscheidung aufzugeben, wollte Stegner nicht beantworten. Man sei hier nicht vor Gericht, so der SPD-Chef. Ziemiak wirft der SPD ihre Reaktion auf den Wahlverlust vor: „Martin Schulz sagt drei Minuten nach der Wahl: Für die SPD ist es das Beste, wenn wir in die Opposition gehen. Die SPD sollte nicht an die Partei denken, sondern an das Land!“

Einen unaufgeregten Blickwinkel über die kommende politische Phase lieferte Politologe Werner Patzelt: „Ich würde raten, den deutschen Volkssport, über alles und jedes besorgt zu sein, an dieser Stelle zu unterlassen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass unser Land auch eine Minderheitsregierung aushält!“

Eins steht jedenfalls für die Diskutanten fest: Das Thema Asyl wird auch einen potenziellen erneuten Wahlkampf maßgeblich mitbestimmen.

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