Die AfD normalisiert sich – und den Rassismus

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Auf dem Parteitag in Stuttgart gibt sich die AfD ein Programm, vermeidet Endlosstreit und formuliert Willen zur Macht. Schon jetzt verändert sie das Land wie kaum eine andere Partei.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Für eine junge Partei zeigte sich die AfD bemerkenswert diszipliniert. Dem Vorstand war jede Minute auf dem Stuttgarter Parteitag anzumerken, dass er ein Programm wollte. Dass er Verzettelungen und Diskussionen ins Nirgendwo vermeiden wollte. Und dass die AfD sich als Macht inszenieren sollte.

Das ist der AfD gelungen. Bisher setzt die Partei nur auf Anti-Themen. Gegen den Euro, gegen flüchtende Menschen, gegen „den“ Islam. Doch mit dem Stuttgarter Parteitag schält sich das Bewusstsein heraus: Die AfD will Deutschland nachhaltig verändern. Dies ist eine Herausforderung für alle, die es gut mit diesem Land meinen. Die AfD nämlich ist nur auf dem Papier eine Versammlung von Vaterlandsliebenden. Letztlich ist sie ein Klub jener, die von Anfang bis Ende an eines denken: ihr eigenes Wohl.

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Von Beginn an war die AfD für eine bestimmte Gruppe von Aktivisten ein Projekt zur Bündelung nationalkonservativen Denkens in Deutschland. Der Konservatismus war immer eine gewichtige politische Strömung in Deutschland, Parteien versuchten ihn zu besetzen. In seinem Kern rückwärtsgewandt – also kaisertreu, demokratiefeindlich, dünkelhaft, rassistisch –, war der Konservatismus Wegbereiter des Nationalsozialismus wie keine andere Strömung.

Deutschland wird wie seine Nachbarn

Seit 1945 war er heimatlos geworden. Das Trauma der Naziherrschaft und ihrer Folgen für die Menschheit führten dazu, dass konservatives Denken unter das Dach der Unionsparteien gepresst wurde; das ging über die Jahrzehnte nur mit Magengrimmen für beide Seiten gut.

Die Etablierung der AfD ist also ein Prozess der Normalisierung. Was Front National für Frankreich oder die FPÖ für Österreich ist, bildet nun die AfD für Deutschland ab. Offenbar benötigt eine Gesellschaft ein Sammelbecken für all die schlechten Gefühle und Ressentiments, die sich bei den Menschen aufstauen.

So gesehen ist nicht zu befürchten, dass sich die AfD weiter radikalisiert, eine „extreme“ Partei wird. Das hat sie nicht nötig. Sie surft schon jetzt auf den rassistischen Einstellungen, die aus der Mitte unseres Landes kommen. Sie macht Rassismus normal. Extreme wie Bernd Höcke werden immer integriert sein, solange sie es nicht übertreiben und allzu völkisch daherkommen. Den Kurs werden sie nicht bestimmen.

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Das brauchen die Aktiven vom rechten Rand der AfD auch nicht. Derzeit braucht die AfD nur „Islam“ sagen, oder „Flüchtlinge“ – und jeder weiß, dass sie einfach dagegen sind. Irgendwie.

Wo die Chancen liegen

Die AfD ist nun etabliert, nicht wegzudenken aus der Parteienlandschaft. Daher wurde über ihren Parteitag in den Medien berichtet wie über jede andere größere Partei. Das ist gut so, weil für die Demokratie wichtig. Und es entkräftet den von der AfD konstruierten Vorwurf der „Lügenpresse“.

Überhaupt ist die AfD eine Herausforderung für die anderen Parteien. Vornehm schweigen, wie es die CDU lange betrieb, hilft nicht. Auch das Nachplappern der AfD-Parolen erweist sich als nicht recht dienlich – wie Horst Seehofers CSU irgendwann einmal kapieren sollte.

Stattdessen ist das Ankommen der AfD auch eine Chance für die anderen Parteien. Sie müssen sich fragen, wo sie stehen. Wohin sie wollen. Woraus das Wertegerüst besteht, welches ihre Parteien zusammenhält. Der Erfolg ist eine Chance für mehr inhaltliche Programmatik und Ehrlichkeit. Denn mit reiner Empörung kommt man in der Auseinandersetzung mit der AfD nicht weiter. Die Forderungen und Argumente der AfD gehören auf den Prüfstein, darüber muss auf Augenhöhe diskutiert werden. Dann mal sehen, was vom Angstschweiß noch übrigbleibt, den die Nationalkonservativen versprühen.

Fotos: dpa

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