Diese neuen Autos aus China sollten Sie kennen
München (dpa/tmn)- Viele Messegäste tragen am Revers die Fahnen beider Länder und in den Biergärten wird munter angestoßen - doch viele Analysten und Journalisten sehen in der IAA in München (bis 10. September) in diesem Jahr den großen Show-down zwischen der alten, bei uns natürlich vor allem von deutschen Herstellern geprägten Autowelt, und der neuen, mehrheitlich elektrischen aus China.
Während sich VDA-Chefin und Gastgeberin Hildegard Müller über doppelt so viele Anmeldungen aus dem Reich der Mitte freut, unken andere wie Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer deshalb schon von der «IAA der Chinesen» und fürchten den großen Verdrängungswettkampf.
Die neue Autowelt - welche Rolle werden die Chinesen spielen?
Wenn er da mal nicht die Rechnung ohne den Verbraucher gemacht hat, sagt Jan Burgard vom Strategieberater Berylls. Der malt das Bild in nicht ganz so düsteren Farben.
Ja, die Autos aus China seien mit den westlichen Modellen technisch mittlerweile auf Augenhöhe und bei Digitalisierung und Vernetzung teilweise auch weit voraus, räumt er ein.
«Doch oft mangelt es an der Bekanntheit und an einem vernünftigen Vertrieb, vom Vertrauen in Aftersales und Ersatzteilversorgung ganz zu schweigen», urteilt der Experte und vermisst oft ein gutes Händlernetz, das die Bindung zum Kunden aufbaut und hält.
«Gerade bei neuen Marken sind die Verbraucher oft verunsichert und wollen einen persönlichen Kontakt», ist Jan Burgard überzeugt und sieht darin die große Chance der Stammspieler.
Jürgen Reers vom Beratungs- und Technologieunternehmen Accenture glaubt nicht zuletzt angesichts der vergleichsweise bunt zusammengewürfelten IAA, dass sich der Wettbewerb neu ordnen und dabei vielfältiger wird als bisher. Doch gleichzeitig werde es eine weitere Konsolidierung geben, der einige Marken zum Opfer fallen dürfte: «Und das trifft die Chinesen genauso wie die Europäer.»
Welche neuen China-Autos jedenfalls auf der IAA und in ihrem Umfeld interessant sind und warum, das haben wir hier in elf Beispielen zusammengefasst:
1. MG Cyberster: In aller Offenheit
Zwar hat die elektrische Revolution vor rund 15 Jahren mit dem Tesla Roadster begonnen. Doch das Angebot an offenen Autos für die Generation E ist mehr als überschaubar. Denn aktuell ist der Fiat 500 das einzige Open-Air-Modell an der Ladesäule. Und der hat streng genommen nur ein großes Faltdach.
MG will das ändern und bringt im nächsten Jahr zu Startpreisen unter 60 000 Euro einen elektrischen Roadster an den Start. Es gibt den Zweisitzer dem Hersteller zufolge mit einem oder zwei Motoren und bis zu 400 kW/544 PS und im besten Fall 580 Kilometern Reichweite.
2. BYD Seal U: Der elektrische Tiguan aus China
Was der VW Tiguan für die alte Welt, das will der BYD Seal U für das Elektrozeitalter werden: Das universale SUV für Firmen und Familien und ein globaler Bestseller. Dafür hat der chinesische Marktführer ein gefälliges Crossover von 4,79 Metern Länge gestellt. Das soll Anfang 2024 in den Handel kommen.
Für Preise, die knapp unter 50 000 Euro beginnen dürften, gibt es fünf Sitze, viel Platz und ein riesiges Tablet im Cockpit, das sich um 90 Grad drehen lässt. Den Antrieb übernimmt ein Frontmotor mit 160 kW/218 PS und die Energie liefern Akkus mit 72 oder 87 kWh, mit denen sich bis zu 500 Kilometer abspulen lassen sollen.
3. Seres 5: Der große Unbekannte
Seres ist zwar eine der vielen unbekannten Marken aus dem Reich der Mitte, hat aber zumindest einen bekannten Kopf in der Führungsmannschaft. Denn niemand geringerer als Tesla-Mitbegründer Martin Eberhard ist bei dem mit chinesischem Geld im amerikanischen Silicon Valley gegründeten Unternehmen an Bord.
In München geben die Newcomer ihren Einstand mit gleich drei, simpel durchnummerieren SUV-Modellen für die Kompakt- (3er), die Mittel- (5er) und die Oberklasse (7er). Und die ersten Exemplare des 5ers haben die Chinesen sogar in Europa schon ausgeliefert: mit knapp 441 kW/600 PS, über 500 Kilometer Reichweite und weniger als 75 000 Euro.
4. Voyah Free: Der noch größere Unbekannte
Eine klasse über dem Seres 5 fährt der Voyah Free, der auf Oberklasse-Modelle wie den Audi Q8, den BMW iX und das SUV des Mercedes EQS zielt. Die Marke gehört zu Dongfeng, neben SAIC und FAW einer der ältestem chinesischen Autohersteller und einer mit großen Ambitionen. Denn drei weitere Voyah sind bereits startklar und eine etwas günstigere Marke soll folgen.
Los geht es aber mit dem Free, der seinen Vorbildern nicht nur mit bis zu 360 kW/489 PS und 500 Kilometern Normreichweite nacheifert, sondern zum Beispiel auch mit reichlich Ausstattung und einem cockpitbreiten Bildschirm, der sich erst beim Anlassen unter die Frontscheibe schiebt.
5. Xpeng G9: Edler Entwicklungshelfer
In Skandinavien sind sie schon seit ein paar Monaten auf dem Markt und jetzt drängt Xpeng auch zu uns - mit einer Mittelklasse-Limousine namens P7 und einem Oberklasse-SUV, bei dem G9 am Heck steht. Das fährt mit gut 404 kW/550 PS knapp 600 Kilometer weit und gehört mit einer Ladeleistung von 300 kW zu den Sprintern an der Steckdose.
Konkurrenten wie dem Mercedes EQS oder dem Audi Q8 stehlen die Chinesen aber auch im Innenraum die Schau: Wie sonst nur bei Mercedes Maybach & Co bauen sie im Fond des SUV elektrische Liegesessel ein. In die Schlagzeilen hat es die Marke zuletzt aber aus einem anderem Grund geschafft: Als Entwicklungspartner des VW-Konzerns. Denn mit Plattformen von Xpeng wollen Audi und VW in China ihren Rückstand gegenüber den lokalen Konkurrenten wettmachen.
6. Mini Cooper: With a little help from my new friends
Von wegen englisches Original: Der neue Mini Cooper spricht chinesisch - zumindest in der Elektroversion. Denn um die Kosten zu drücken und das Tempo zu erhöhen, hat sich BMW bei Entwicklung und Produktion mit Great Wall Motors zusammengetan und eine sogenannte Skateboard-Plattform mit der gesamten Technik im Wagenboden konstruiert.
In der stecken bei dem etwas glatter gezeichneten, mit knapp 3,90 Metern kaum gewachsenen Mini zu Preisen ab 32 900 Euro Motoren mit 135 kW/184 PS oder 160 kW/218 PS und Batterien von 41 oder 54 kWh. Diese sollen laut Mini Reichweiten von bis zu gut 400 Kilometern ermöglichen sollen. Aber keine Sorge: Seinen britischen Pass hat der Mini nicht abgegeben. Wenn in ein paar Monaten die Benziner kommen, nutzen die bei identischem Design eine klassische Bodengruppe aus dem Königreich und laufen in Oxford vom Band.
7. Smart #3: Lebenslustiger Gernegroß
Als sich Mercedes vor ein paar Jahren mit Geely zusammengetan hat, musste der Smart Chinesisch lernen. Das erste Ergebnis der Kooperation war ein kompaktes SUV namens #1, dem jetzt das obligatorische Coupé folgt. Etwas länger und etwas windschnittiger als der aufrechte #1 beschleunigt der Viertürer ein wenig besser und fährt weiter.
Angeboten mit 200 kW/272 PS oder 315 kW/428 PS schafft er den Sprint von 0 auf 100 km/h deshalb nun in bestenfalls 3,7 Sekunden, erreicht bis zu 180 km/h und kommt im besten Fall 455 Kilometer weit. Der Aufpreis für Eleganz und Effizienz ist bescheiden: Mit einem Grundpreis von 43 490 Euro liegt der #3 nur etwa 1 000 Euro über dem #1, teilt der Hersteller mit.
8. XEV Yoyo: Smarter Lückenfüller
Während der originale Smart Fortwo bald endgültig ausläuft und der kleine Mercedes-Ableger im Joint Venture mit Geely immer weiter in die Kompaktklasse aufsteigt, will das chinisch-italienische Unternehmen XEV die Lücke füllen. Gemeinsam haben die beiden den winzigen Zweisitzer Yoyo entwickelt, der 2024 als Leichtkraftfahrzeug für knapp 17 000 Euro nach Deutschland kommen soll.
Der Antrieb ist mit 15 kW/20 PS und 80 km/h Spitzentempo eher mager, aber das Akkukonzept ist clever: Wenn die Batterien des 2,53 Meter kurzen Leichtgewichts nach 150 Kilometern leer sind, können die drei Kartuschen von Hand an speziellen Stationen gegen volle Akkus getauscht werden, stellt der Hersteller in Aussicht.
9. Denza D9: Wenn Raum der wahre Luxus ist
In den asiatischen Großstädten sind sie längst die wahren Luxuslimousinen und jetzt machen die Vans auch bei uns so langsam S-Klasse & Co Konkurrenz. Ein Vorreiter dieses Trends ist der Denza D9, den BYD in München gezeigt hat.
Dort angesiedelt, wo Modelle wie die Mercedes EQV oder der VW ID. Buzz aufhören, fährt der Raumgleiter mit luxuriösen Captain-Chairs in der zweiten Reihe, aufwendigem Infotainment-Programm und einem potenten E-Antrieb. Die beiden Motoren haben 275 kW/374 PS und der Akku eine Kapazität von 100 kWh. Preise und genauer Markteinführungstermin sind noch unbekannt.
10. Nio ET5 Touring: Flirt mit den Firmenkunden
Mercedes hat bislang gar keinen und auch bei Audi und BMW gibt es nur Ankündigungen: Während die deutschen Nobelmarken ihre Kunden beim elektrischen Kombi in die Warteschleife zwingen, schließt Nio jetzt schon mal die Lücke. Speziell für die Europäer haben die Chinesen ihr Mittelklasse-Modell ET5 zum Touring weiterentwickelt - mit einer Länge von 4,79 Metern, mit großer Heckklappe und bis zu 1300 Litern Ladevolumen.
Wahlweise für 59 500 Euro zu kaufen oder ab 1119 Euro pro Monat zu mieten, gibt es ihn mit 360 kW/490 PS, bis zu 560 Kilometern Reichweite und Akkus mit 75 oder 100 kWh, die statt zu laden auch an Stationen gewechselt werden können.
11. Avatr 12: Angriff von Oben
Während viele Chinesen über den Preis ins Land drängen, fährt Avatr auf Premium-Kurs und zeigt mit dem Modell 12 eine Mischung aus Porsche Taycan und Audi A7 Sportback. Neben Motoren mit fast 441 kW/600 PS und bis zu 700 Kilometern Reichweite will der mehr als fünf Meter lange Gran Turismo mit einer empathischen Elektronik punkten.
Dem Hersteller zufolge schmeichelt sich die Künstliche Intelligenz so lange beim Fahrer ein, dass der sein Auto eher als Freund und Reisebegleiter wahrnimmt, denn als schnödes Transport-Mittel.