Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt: "Wir wollten nicht Stephan und Harry sein"

Am 5. Oktober 1997 nahmen sie mit dem "Tatort: Willkommen in Köln" ihre Arbeit als Kommissare auf. Im Doppel-Interview blicken die Freunde Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt auf Höhepunkte und Erkenntnisse aus einem Vierteljahrhundert "Tatort"-Leben zurück.

Drei Institutionen, die seit langer Zeit Köln repräsentieren: die
Drei Institutionen, die seit langer Zeit Köln repräsentieren: die "Tatort"-Kommissare Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt und der Kölner Dom. (Bild: WDR)

Als sie vor über 25 Jahren ihren ersten Kölner "Tatort" drehten, waren sie bereits Freunde: Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär, zwei junge Schauspieler Mitte 30, brachten damals frischen Wind in das von Düsseldorf nach Köln umgezogene "Tatort"-Revier. Dabei gelten die beiden Ermittler-Recken heute längst als Aushängeschilder einer eher traditionellen "Tatort"-Variante, was aber nicht heißen soll, dass unter dem Dom keine guten Krimis gemacht werden. Anlässlich des Jubiläumsfalles "Tatort: Die Spur des Blutes" (Sonntag, 23. Oktober, 20.15 Uhr, Das Erste) sprechen Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt über ihr "modernes" Konzept von 1997, persönliche "Tatort"-Highlights aus 25 Jahren und den Grund, warum sie noch nicht übers Aufhören nachdenken.

teleschau: Herr Behrendt, viele wissen gar nicht, dass Sie sich 1997 ihren Partner Dietmar Bär ausgesucht haben. Wie war das genau?

Klaus J. Behrendt: Ich war vorher, auch schon als Max Ballauf, beim Düsseldorfer "Tatort" aktiv. Damals spielte Martin Lüttge den Chefkommissar. Er war der Meister, ich der Knecht. Dann ist der WDR auf die Idee gekommen, den "Tatort" nach Köln zu verlegen - mit einem neuen Team, aber mich wollten sie dabei haben.

teleschau: Und da sind Sie auf Ihren Freund Dietmar Bär gekommen. Woher kannten Sie sich?

Behrendt: Von der Miniserie "Leo und Charlotte", einer noch heute hochgeschätzten Ruhrgebiets-Serie der frühen 90-er. Dietmar war damals auch im Cast. Wir haben da lange zusammen gearbeitet und festgestellt, dass wir richtig gut zueinanderpassen. Ich wollte nicht noch mal "Der Meister und der Knecht" spielen, so wie in Düsseldorf. Ich wollte einen Partner auf Augenhöhe. Das habe ich dem WDR auch gesagt und Dietmar vorgeschlagen. In unserem neuen Kölner "Tatort" war ich dann der Jeans-Typ und Dietmar der mit dem dreiteiligen Anzug. Wir waren sehr verschieden und hatten trotzdem eine super Chemie. Manchmal kann man das nicht erklären, man muss es sehen und spüren.

25 Jahre sind sie nun im Dienst: Dietmar Bär (links) und Klaus J. Behrendt. (Bild: WDR)
25 Jahre sind sie nun im Dienst: Dietmar Bär (links) und Klaus J. Behrendt. (Bild: WDR)

"Wir bekamen die gleiche Kohle, hatten gleiche Positionen"

teleschau: Fühlten Sie sich geehrt von der Einladung, Herr Bär? "Tatort"-Kommissar war ja damals schon das Beste, was man im deutschen Fernsehen werden konnte ...

Dietmar Bär: Ich fand es vor allem super, dass Klaus, der ja zuerst im Boot war, wirklich eine komplette Gleichheit haben wollte. Das spiegelte sich auch in den Verträgen wider. Wir bekamen die gleiche Kohle, hatten gleiche Positionen. Es war ein demokratisches Kumpelding. Ich glaube, wir haben damals so eine Übergangszeit mitgestaltet. Man kannte noch das alte Prinzip: der Kommissar und der Assistent. Ermittler-Teams befanden sich damals selten auf Augenhöhe, sondern waren ziemlich hierarchisch angelegt. Einer war fast überall der Boss. Wir wollten nicht Stephan und Harry sein - die Typen vom anderen Sender (lacht).

teleschau: Sie spielen auf Stephan Derrick und seinen Assistenten Harry an, der "schon mal den Wagen holen" sollte. Bei den Figuren Max und Freddy hatte man eher das Gefühl, das sind die Schauspieler selbst. Ein Irrglaube?

Bär: Ihre Frage rührt in der Ursuppe der Schauspielerei. Ich habe schon auf der Schauspielschule gelernt, dass ich ein Instrument spiele, und dieses Instrument bin ich selbst. Man schöpft als Schauspieler immer aus sich selbst, deshalb befindet sich immer ein bisschen Dietmar Bär in Freddy Schenk. Es ist ein Neuordnen der Persönlichkeit, sage ich mal, wenn man jemanden spielt. Manchmal ist es tatsächlich schwer, das auseinanderzuhalten, gerade wenn man es intensiv und lange macht. Deshalb gibt es auch so viele tragische Fälle in unserem Beruf, in denen die Leute Rolle und wirkliches Leben bisweilen nicht mehr auseinander kriegen. Aber wir sind sicher nicht identisch mit unseren Rollen.

So sahen die beiden bei ihrem ersten gemeinsamen
So sahen die beiden bei ihrem ersten gemeinsamen "Tatort" im Jahr 1997 aus. (Bild: WDR)

 

25 Jahre Kölner "Tatort": Die Lieblingsfilme der Kommissare

teleschau: Wenn Sie beiden die besten Kölner "Tatorte" aus 25 Jahren nennen müssten, kämen Sie dann auf eine ähnliche oder sehr unterschiedliche Liste?

Behrendt: Ich glaube ... eher unterschiedlich.

Bär: Tatsächlich kann ich mich an Gespräche nach Filmen erinnern, wo Klaus meinte: "Oh, das war jetzt aber nicht so das Dollste." Und ich dann: "Oh nein, ich fand diese Arbeit sehr gut." Manchmal vermischt sich die Qualität eines Films mit außergewöhnlichen Geschichten, die man bei diesem Dreh erlebt hat. Oder es kommen tolle Erinnerungen an besondere Kollegen hoch, mit denen man in dieser Folge gearbeitet hat. Wir sind sicher nicht ganz objektiv, wenn es um die Beurteilung unserer Filme geht. Im Jubiläumsfilm hatten wir jetzt Josef Hader dabei. Es ist ein Fest, mit ihm zu arbeiten. Danach kannst du eigentlich kein richtig schlechtes Urteil mehr über diese Folge fällen ...

Behrendt: Ich habe manchmal auch zwei Bilder unserer "Tatorte" im Kopf. Das eine Bild entstand im Kopf, wenn man das Drehbuch las. Wenn beim Lesen schon Bilder entstehen, ist das immer erst mal ein gutes Zeichen. Es kann aber sein, dass der fertige Film dann ganz andere Bilder produziert. Die können dann schlechter, besser - oder eben schlicht ganz anders sein. Das ist immer ein sehr spannender Prozess.

teleschau: An welche persönlichen "Lieblingstatorte" denken Sie?

Behrendt: Fangen wir mal vorne an. "Bildersturm" von 1998, in dem es um alte Kriegsverbrechen geht, an den erinnere ich mich gern zurück. Auch "Ohnmacht" mag ich sehr. Das war 2014, da werde ich zusammengeprügelt und darf nicht selbst ermitteln. Es geht um diese Fälle, wo man einfach mal jemanden grundlos vor die U-Bahn schubst. Auch "Der Fall Reinhardt" (2014, die Red.) oder "Minenspiel" (2005, die Red.) sind Favoriten von mir. Ich finde es aber ungeheuer schwer, von 88 Produktionen an dieser Stelle die besten zu adeln.

teleschau: Und Sie, Herr Bär - gehen Sie mit der Auswahl mit?

Bär: Wir hatten auch ein paar - ich nenne sie immer die Rock'n'Roll-Filme - ästhetisch besondere Folgen, die du noch nicht erwähnt hast. "Bestien" zum Beispiel mit Armin Rohde als Rocker. Da wurde 2001 eine sehr spannende Geschichte über Selbstjustiz erzählt, die stark polarisierte. Oder auch "Pechmarie" (2006, d. Red.) mit Nicolette Krebitz in einer Doppelrolle, für die der leider verstorbene Kameramann Peter Przybylski unfassbar tolle Bilder von Köln gefunden hat.

Behrendt: Wir haben den Obdachlosen-"Tatort: Platt gemacht" von 2009 vergessen. Der war auch sehr besonders.

Bär: Stimmt. Und "Niemals ohne mich" (2020, d. Red.), wo es um Unterhaltszahlungen und zerbrochene Beziehungen geht. Ein super Thema, auf das ich selbst niemals gekommen wäre ...

"Horst Tappert ist bis 1998 durch Grünwald gestapft"

teleschau: Sie sind jetzt 61 und 62 Jahre alt. Gilt für Sie die Rente mit 67, also wird in fünf oder sechs Jahren Schluss sein?

Behrendt: Man muss es mit dem Realismus nicht übertreiben und den Schauspieler mit der Rolle berenten (lacht). Sicher haben auch wir eine Altersgrenze, aber darüber denken wir momentan noch nicht nach.

Bär: Es macht uns einfach noch zu viel Spaß. Solange man uns haben will, wollen wir noch ein bisschen weitermachen. Wir kriegen auch viel positives Feedback aus dem Umfeld. Da sagen mir die Leute dann: "Hey, danke, ihr macht diese normalen Filme." Was immer unnormale Filme sein mögen ... (lacht).

teleschau: Wie lange könnten Sie als Kölner "Tatort"-Ermittler also noch weitermachen?

Bär: Ach, ich weiß es nicht. Als Schauspieler hat man immer so einen gewissen Merit-Bonus, man bekommt eine Leistungszulage oder Fristverlängerung. Horst Tappert ist bis 1998 durch Grünwald gestapft. Da war er, glaube ich, Mitte 70.

Behrendt. Letztendlich sind wir Geschichtenerzähler. Wir schauen mal, wie lange die Leute unsere Geschichten noch hören und sehen wollen.

Auch nach 25 Jahren immer noch stets alles im Griff. (Bild: WDR)
Auch nach 25 Jahren immer noch stets alles im Griff. (Bild: WDR)

teleschau: Glauben Sie denn, dass Sie sich oder den Kölner "Tatort" verändern müssten, wenn sie in fünf oder zehn Jahren noch erfolgreich sein wollen?

Bär: Das Format "Tatort" häutet sich sowieso immer wieder und erfindet sich neu. Deshalb gibt es die Reihe auch schon so unfassbar lange. Ob sich der "Tatort" nun mit uns häutet oder ohne uns, wird man sehen. Die Reihe ist ja bekanntlich ein Zusammenspiel verschiedener Teams mit unterschiedlichem Ansatz. Und selbst, wenn viele "Tatorte" in fünf oder zehn Jahren anders sein werden als unsere Filme heute: Vielleicht freut man sich dann trotzdem über uns Silberrücken, die für den altmodischen "Tatort" stehen.