„Einer muss sein Wort brechen“: Christian Lindner bei „Markus Lanz“ über den Abbruch der Jamaika-Verhandlungen

Zu Gast bei Markus Lanz (v.l.): Christian Lindner, Hans-Werner Sinn, Erling Kagge und Kristina Dunz. (Bild: Screenshot ZDF)
Zu Gast bei Markus Lanz (v.l.): Christian Lindner, Hans-Werner Sinn, Erling Kagge und Kristina Dunz. (Bild: Screenshot ZDF)

Für den Abbruch der Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition wurde er heftig kritisiert, am Donnerstag erklärte FDP-Chef bei „Markus Lanz“ seine Sicht der Dinge.

Für viele ist FDP-Chef Christian Lindner der Hauptverantwortliche für das Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU, FDP und den Grünen – schließlich war es Lindner, der am 19. November 2017 die Koalitionsverhandlungen mit den Worten „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ abgebrochen hatte. Bei Markus Lanz erklärte er, dass er diese Entscheidung keineswegs bereue und reagierte gelassen auf die Kritik an seiner Person und seiner Partei.

„Die Entscheidung, die wir zu treffen haben, haben wir ja nicht leichtfertig getroffen, sondern nach vier Wochen intensiver Verhandlungen. Und am Ende war eins klar: Einer muss sein Wort brechen und sein Gesicht verlieren – entweder die Grünen oder die FDP“, so Lindner. „[…] Wir hatten keine Freude daran, das zu tun. Deshalb war es Ausdruck von Prinzipientreue zu sagen, okay, dann muss man eben in Opposition gehen.“

Man habe die FDP-Wähler nicht vor den Kopf gestoßen

Dass die FDP-Wähler vor den Kopf gestoßen worden seien, glaubt Lindner keineswegs: „Die Anhänger von CDU, die Anhänger der Grünen und die Anhänger der SPD sind sauer. Weil diese Parteien jeweils in Verlegenheit gebracht wurden durch unsere Entscheidung. Aber die Leute, die uns gewählt haben wegen unseres Programms – die wollten ja etwas von unserem Programm sehen. Und die haben ja in Schleswig-Holstein Wolfgang Kubicki erlebt und in Nordrhein-Westfalen mich – dass wir mit Parteien auch in schwierigen Konstellationen Regierungen bilden, wenn zumindest auch ein Stück von unseren Ideen umgesetzt wird. In Berlin war das einfach nicht möglich.“

„Das, was mich an Ihrem Vorgehen gewundert hat, ist, dass vier Wochen verhandelt wurde. Sie waren ja sehr früh sehr kritisch“, entgegnete die Journalistin Kristina Dunz. Die Anhänger der FDP hätten die Partei nicht deshalb gewählt, „dass Sie am Ende eine Regierung verweigern, sondern dass die Menschen wollten, dass Sie in diese Regierung eintreten.“

Trotz des Wahlergebnisses sieht Lindner ohnehin keinen klaren Auftrag an eine Koalition aus grundverschiedenen Kräften: „Es ist unpolitisch zu glauben, ‚Wir bilden mal irgendeine Regierung’. Es gab nicht den Wählerauftrag bei der letzten Bundestagswahl, dass die Grünen, die nach links wollen, und die FDP, die ein liberales Land wollen, gemeinsam eine Regierung bilden. Das war einfach nicht der Fall.“

Eingeständnisse vs. Parteilinie

Die FDP hätte grundlegende Eingeständnisse machen müssen, die nicht mit der Parteilinie (und den Wahlversprechen) vereinbar gewesen seien: „Bei Europa sollten wir gezwungen werden, die finanzpolitische Eigenverantwortung Deutschlands und der anderen Staaten aufzugeben. Wir haben das Gegenteil versprochen. Wir wollten den Bildungsföderalismus reformieren, dass diese Konkurrenz zwischen den sechzehn Ländern mal aufhört. Das hat der Grüne Kretschmann mit seinem Veto verhindern wollen. Wir wollten den Solidaritätszuschlag abschaffen – von 90 Milliarden Euro sollten dann 10 Milliarden Euro zurückgegeben werden.“ Auf die Kritik der Journalistin und Moderatorin Elke Heidenreich bei Lanz’ Sendung am Mittwoch anspielend, resümierte Lindner: „Dann muss ich am Ende sagen: Lieber ertrage ich Vorwürfe wie von Elke Heidenreich, als dass ewig gesagt wird: Ich habe die FDP gewählt und denen waren am Ende die Posten wichtiger als die Positionen in der Sache.“

Christian Lindner erkennt die Fehler im Verlauf der Jamaika-Verhandlungen. (Bild: Screenshot ZDF)
Christian Lindner erkennt die Fehler im Verlauf der Jamaika-Verhandlungen. (Bild: Screenshot ZDF)

„Vier Wochen wurde immer genauer aufgeschrieben was uns trennt“, erklärt Lindner den Verlauf der langwierigen Jamaika-Verhandlungen. Dies sei viel zu lange und uneffektiv gewesen: „Innerhalb von zehn Tagen hätte man Klarheit gewinnen müssen. Ich kann für mein politisches Leben sagen: Ein solches Verfahren, fünfzig Verhandler, die nur immer Papiere aufschreiben, das mache in meinem politischen Leben kein zweites Mal.“ „Es war ein Fehler?“, fragt Lanz. „Absolut ein Fehler, mache ich kein zweites Mal. Nach zehn Tagen muss klar sein, ob eine Grundlage da ist. Vier Wochen das hinauszuzögern macht keinen Sinn.“

Eigentlich habe sich die FDP bereits früher aus den Verhandlungen zurückziehen wollen. „Da sind wir gebeten worden an diesem Tag noch zu sprechen. Das haben wir gemacht. Haben gesagt: ‚Okay wir sind dazu bereit, aber unter der Bedingung, jetzt wird nicht mehr kleinteilig gesprochen und aufgeschrieben, was uns trennt, sondern wird verhandelt. Jeder sagt seine entscheidenden Punkte’“. Anfangs habe es durchaus so ausgesehen, als käme man doch noch zu einer Übereinstimmung, erklärt der FDP-Chef: „Dann wurde der Tag genutzt dafür, ich habe gegen 18 Uhr gedacht: ‚Vielleicht wird das doch noch was’. Weil in dieser letzten Phase, in der jeder sagt, was ihm wichtig ist, gab es plötzlich Kopfnicken: Dann kamen wir um viertel vor Acht nochmal zusammen, ich durchaus mit dem Optimismus, vielleicht ist da ja doch noch ein gordischer Knoten durchschlagen worden. Aber da gab’s dann eben null entgegenkommen. Und dann haben wir uns gegen 22 Uhr, 21:45 noch mal getrennt, jeder ist in seine Verhandlungsdelegation gegangen und dort haben wir – ich glaube, wir waren fünfzehn Leute – unisono entschieden: Für uns ist das kein gemeinsamer Status.“

„Wenn Sie sich den Koalitionsvertrag der Großen Koalition ansehen, wo wir nicht beteiligt sind. In diesem Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist eigentlich nahezu nichts, was schlechter ist, als bei Jamaika. Jamaika wäre genauso gut oder schlecht gewesen. Es gibt sogar zwei Bereiche, wo ich sagen muss, dass die Große Koalition näher am FDP-Wahlprogramm ist, als Jamaika es gewesen ist.“ „Dann haben sie schlecht verhandelt, Herr Lindner“, warf Kristina Dunz ein.

Dem widersprach Lindner mit einem klaren „Nein“ und machte noch einmal auf das Hauptproblem aus der Sicht der FDP aufmerksam: Es habe einfach nicht die Bereitschaft der anderen gegeben, vor allem seitens der Grünen und des „Vetospielers Kretschmann“. Lindners Fazit: „Wir können nur sagen: Wir hätten gerne regiert – wie in drei Bundesländern. Wir wollen nicht auf Dauer in der Opposition sein. Jetzt hätten wir unseren Wählerinnen und Wählern zu wenig von dem zeigen können, was wir vor der Wahl gesagt haben. Dann sage ich, dann ist es besser, in der Opposition eine klare Alternative aus Mitte des Parlaments zu zeigen, als in der Regierung konturlos zu werden.“