Das Ende der Waschsalons

Ich gehöre noch zu den Glücklichen, die eine Waschgelegenheit im Haus haben. Das fast 100-Jahre alte Apartmenthaus im Herzen von San Francisco, in dem ich wohne, hat drei betagte Waschmaschinen im Keller, dazu vier Trockner. Auch wenn der Andrang vor allem am Wochenende groß ist, es ist ein Stück Luxus in einer sich rapide wandelnden anonymen Stadt und obendrein eine exzellente Gelegenheit, seine Nachbarn kennenzulernen. Sonst ist man im historischen Kern der Stadt an der Bucht schnell auf die Münzwaschsalons angewiesen. Sie sind ebenfalls ein exzellenter Single-Treff und die Chance, während der zwei Stunden Wartezeit neue Bekanntschaften zu schließen. Waschsalons erfüllen in den USA immer noch in vielen Bereichen eine bedeutende soziale und unersetzbare lokale Funktion. Doch diese Zeiten neigen sich dem Ende zu. Die Waschsalons sterben aus.

Mission, SoMa, Tenderloin, Nob Hill, Chinatown, Russian Hill – Namen, die in San Francisco einen besonderen Klang haben. Sie repräsentieren das alte, historisch gewachsene San Francisco. Der Hausbestand ist oft um die hundert Jahre alt, gebaut als verputzte Holzskelette mit drei bis sechs Stockwerken, reich verzierten Fassaden und schmiedeeisernen Gittern vor den schweren hölzernen Eingangstüren, die zu opulenten Lobbys führen. Bis in die 50er-Jahre saß hier der Doorman, begrüßte die ankommenden Mieter, reichte die Post und war immer für ein Schwätzchen zu haben.

Es war der Höhepunkt des gutbürgerlichen Lebens im wiederaufgebauten San Francisco nach dem verheerenden Erdbeben von 1906. Dünne Wasserleitungen und fehlende Belüftungen verboten seinerzeit oft die Installation von Waschräumen und später Waschmaschinen. Es war die hohe Zeit der Waschsalons und Waschfrauen, die die Wäsche bei den Kunden abholten und bis heute auf eine funktionierende Infrastruktur von Waschsalons und chemischen Reinigungen angewiesen sind. Das gilt sogar für die App-gesteuerten Waschfrauen und -männer des 21. Jahrhunderts von On-Demand-Waschdiensten wie „Washio“ oder „Rinse“. Doch das wird immer schwieriger.

Die lokale Webseite Hoodline.com hat sich einmal ein paar Tage in der öffentlichen Bücherei der Stadt verschanzt und alle Branchentelefonbücher seit 1966 durchgewälzt. Das Ergebnis ist ein Rückgang der gemeldeten Münzwaschsalons und chemischen Reinigungen um 82 Prozent von gut 500 auf weniger als 100.

Das ist an sich erst mal ein gutes Zeichen. Es gibt nur wenig romantisch Verklärendes daran, jede Woche seinen Wäschesack durch die Straßen zu schleppen und zwei Stunden vor der Maschine zu sitzen, damit niemand die Wäsche aus dem Trockner stiehlt. So wie es Marla Singer, gespielt von Helena Bonham Carter, im Oscar-nominierten Film „Fight Club“ von 1998 machte, um mit dem Verkauf fremder Klamotten ein paar Dollar zu verdienen. Es war zwar der Anfang einer Liebesbeziehung, aber für den Bestohlenen deshalb trotzdem zunächst kaum weniger ärgerlich.

Doch es gibt auch eine dunkle Seite. Der Bedarf sinkt, weil die Mieten raketenartig gestiegen sind und ganze Häuser jetzt kernsaniert werden, um sie noch teurer vermieten zu können. Dann wird, wenn irgend möglich, auch ein Waschkeller eingebaut. Etagenwaschmaschinen sind in den hölzernen Altbauten noch immer verpönt, richtet ein Wasseraustritt doch massive Schäden an.

Zurück bleiben die Mieter in den unrenovierten, sprich: noch bezahlbaren Wohnungen, oft mit Mietkontrolle. Sie laufen jedes Jahr einem Block weiter, um einen Waschsalon zu finden. Vor allem ältere Mieter und Familien stehen vor wachsenden Problemen.

Nur eine Ecke entfernt von meiner Wohnung, auf der geschäftigen Geary Street, wartete vor zwei Jahren in Michael’s Dry Cleaner noch eine freundliche ältere Dame auf zu bügelnde Hemden und zerknitterte Anzüge. Heute hämmern und schrauben Arbeiter mit Hochdruck am Innenausbau eines koreanischen Oberklasse-Restaurants, das in den kommenden Wochen öffnen soll.

Restaurants sind die gängigsten Nachmieter eines geschlossenen Waschsalons. Das liegt an den vorhandenen großzügig dimensionierten Wasseranschlüssen und Ventilationsanlagen der Trockner, die prädestiniert sind für eine große Küche. Die Umwandlung in einen Restaurantbetrieb ist einfach erheblich billiger.

So sehen die Pläne für die bereits geschlossene „Little Hollywood Launderette“ an der Laguna Street die Eröffnung eines skandinavischen Restaurants vor, obwohl sich im Stadtteil eine starke Protestbewegung etabliert hat.

Die „Rising Star”-Münzwäscherei an der Duboce Avenue und Fillmore Street soll nach dem Willen der Eigentümer in eine großzügige Vierzimmer-Wohnung mit drei Badezimmern umgewandelt werden. Solche Einheiten, noch dazu neu, sind heute problemlos für 7.000 bis 10.000 Dollar pro Monat zu vermieten. Die Umwandlung der Nutzungsgenehmigung läuft noch.

Andere, wie das 2014 eröffnete „TL Cafe and Laundromat“ auf der O’Farrell Street, einen Block von meinem Haus entfernt, machen aus der Not eine Tugend. Sie werden selbst zur Restauration.


Als nächstes sind die Parkhäuser an der Reihe

Der vordere Bereich beherbergt einen großzügigen Café- und Sandwich-Shop, durch den man in die eigentliche Münzwäscherei gelangt. Urige Holzbänke und Tische machen die Wartezeit wesentlich angenehmer. Man darf sein Fahrrad mit reinbringen, was draußen doch nur gestohlen würde, Schloss hin, Schloss her. Die Eigner wollen den Urgedanken des sozialen Treffpunkts wiederbeleben. Was die Einkaufsmalls in den Vorstädten waren, die heute vom Online-Handel eliminiert werden, waren die Waschsalons in den Innenstädten. Bis die Reichen kamen.

Der „Lavenderia“ im Mission District droht ebenfalls das Aus. Der Eigentümer, ein Tech-Unternehmer, plant eine Umwandlung des mit 110 Maschinen wohl größten Waschsalons in der Stadt in ein Apartmenthaus mit 75-Wohneinheiten, berichtet das Magazin „The Atlantic“. Früher habe der Standort mehr als 1.000 Dollar pro Tag eingespielt, heute nur noch einen Bruchteil. Immer mehr Häuser in der Mission bekommen Waschkeller, was die Mieter eben verlangen, wenn sie 2.000 oder 3.000 Dollar pro Monat für eine 30-Quadratmeter-Wohnung bezahlen. Weniger Kunden, weniger Umsatz.

Der Niedergang der Waschsalons ist die nächste Welle von Tante-Emma-Läden, die ausradiert werden, so wie zuvor Buchhändler vom Internet oder die Läden an der Ecke, die „Convenient Stores“, von Amazon Fresh oder Whole Foods. Denn die Wäschereien und Automaten-Geschäfte sind oft Familienbetriebe. Laufen die Pachtverträge aus, steht ein Restaurantbetreiber vor der Tür und bietet dem Vermieter das Doppelte.

Die amerikanische Coin Laundry Association schätzt den Umsatz der Branche immer noch auf rund fünf Milliarden Dollar jährlich. Doch gegen die Explosion der Grundstücks- und Mietpreise in Ballungsräumen wie Los Angeles oder San Francisco ist das ein Klacks. Und das Geschäft droht noch unrentabler zu werden. In vielen Bundesstaaten soll bald Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Münz-Wäschereien erhoben werden. Das müsste auf die Preise umgelegt werden. Dazu kommen die Kosten für Strom und besonders Wasser, die in Kalifornien seit der großen Dürre 2013 dramatisch angestiegen sind. Mit dem Sterben der Waschsalons werden auch die Waschkeller zu Profitcentern. Fünf Dollar kostet mittlerweile eine Ladung Buntwäsche, dazu fünf Dollar für den Trockner, ärgert sich eine gute Bekannte und räumt verschämt ein, jetzt werde das ein oder andere Kleidungsstück auch mal ein paar Tage länger getragen. Wo soll sie denn auch sonst waschen gehen?

Es ist ein Spiel, dass sich auf verschiedene Arten immer wieder wiederholt in der Bay Area. Die Menschen mit schlecht bezahlten Jobs wie Kellner, Sachbearbeiter, Kindergärtnerinnen oder Krankenpfleger pendeln bis zu 100 Kilometer pro Tag, weil sie sich Wohnungen in der City nicht mehr leisten können. Bald werden die Mieter in nicht kernsanierten Altbauten, die noch immer die Masse der Immobilien in San Francisco ausmachen, mit dem Taxi zum Waschsalon fahren müssen.

Der nächste Trend ist auch schon in der Mache. Die beiden größten öffentlichen Parkhäuser in meinem Bezirk nehmen nur noch kurzfristige Kunden an, das Büro des Autovermieters ist geschlossen, der Mietvertrag gekündigt. Ein Stellplatz kostet um die 400 Dollar pro Monat, Kündigung jederzeit möglich. Die Eigentümer warten nur auf eine Änderung der Nutzungserlaubnis, um sie abreißen und in Luxuswohnungen umwandeln zu können.

Die Preise fürs Parken haben schon entsprechend angezogen. Zwei Dollar pro 15 Minuten sind schon ein Schnäppchen. Wenn man denn einen der wenigen Parkplätze erhaschen kann, um einen der wenigen Waschsalons aufzusuchen.