Etwas Besseres als den Tod finden die Syrer überall

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Im Bürgerkriegsland hält eine brüchige Waffenruhe. Vorerst. Ein Ende der Kämpfe ist aber nicht in Sicht – und Diktator Assad ist der Sieger dieses Abkommens. Das macht die Sache nicht leichter.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Einmal aufatmen, hinausgehen ohne Angst vor Kugeln, Fassbomben oder Giftgas – zum islamischen Opferfest ist für die Zivilbevölkerung in Syrien diese aktuelle Waffenruhe gar nicht wichtig genug einzuschätzen. Aber sie hat einen bitteren Nachgeschmack, der sich einfach nicht wegspülen lässt.

Nach fünfeinhalb Jahren Krieg könnten sich die Zivilisten fragen: Was bleibt uns übrig? Anfangs demonstrierten sie friedlich gegen das Regime, Diktator Baschar al-Assad antwortete sofort mit Gewalt gegen die eigene Bevölkerung und verfolgt diese Strategie bis heute. Sie hält ihn an der Macht. Schon vor Jahren war klar, dass mit diesem Präsidenten in Syrien kein Staat zu machen ist. Nun ist er immer noch da, und fester im Sattel als vor ein, zwei und drei Jahren. Seine Grausamkeiten haben sich für ihn gelohnt.

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Das jetzige Abkommen sieht vor, dass eine Flugverbotszone dafür sorgen soll, dass Assad nicht mehr bomben kann. Hilfe für die belagerten Gebiete soll anlaufen und die ehemalige Nusra-Front nun gemeinsam von Russland und den USA bekämpft werden – koordiniert. Wie gegen den IS.

Rosarot ist das Auswärtige Amt

„Die Russen wollen die Zusammenarbeit, um auf Augenhöhe mit den Amerikanern zu kommen“, sagt Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Das klingt zu schön, um wahr zu sein. In Syrien stimmt eher das Gegenteil: Russland hat längst Fakten geschaffen, und die USA hecheln hinterher. Präsident Wladimir Putin überblickt von Moskau aus weite Teile Syriens, während die Syrien-Politik des Weißen Hauses bisher eine Kaskade aus Halbherzigkeiten und Widersprüchen war. Russische Soldaten und Kampfflugzeuge haben das Regime stabilisiert und weiteres Elend übers Land gebracht.

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Von Assad ist im Abkommen keine Rede mehr. Wichtiger für die USA ist der Kampf gegen Dschihadisten, und die Türkei sieht nicht mehr in der Ablösung Assads, sondern in der Verhinderung einer kurdischen Autonomie im Nordosten des Landes das primäre Ziel.

Und dies macht jene Bitterkeit aus, die nicht nur eine Pille ist. All jene Rebellen, die religiös nicht allzu vernagelt sind, sollen sich nun von der ehemaligen Nusra-Front (heute „Jabhat Fatah asch-Scham“, Front zur Eroberung der Levante) lossagen – nur hat man jahrelang gemeinsam mit ihr gegen Assad Stand gehalten. Wichtige Stellungen sind von den Islamisten dominiert.

Praktisch gesehen ist dieses Abkommen auch eine Existenzbedrohung für alle säkularen und gemäßigten Rebellen. Sagen sie sich von den Radikalislamischen los, stehen sie allein – und sind immer noch in den Augen Assads „Terroristen“, der Wege finden wird um sie zu bekämpfen. Was hält das Abkommen für sie bereit?

Grausamkeit lohnt sich

Und überhaupt: Die Ränge der islamistischen Milizen, die jetzt von Moskau und Washington gemeinsam bekämpft werden sollen, sind voll von Männern, die früher bei den „politisch-korrekten“ Rebellen waren. Doch die wurden von den USA nur scheinbar und mit warmen Worten unterstützt und letztendlich durch diese Politik in die Arme der islamistischen Gruppen getrieben; deren Geldgeber sind weniger zimperlich und machten diese Milizen effektiv.

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Assads Plan ist aufgegangen. Sein Kampf gegen das Volk hat zu diesem Abkommen geführt. Die Folgen des russischen Engagements haben zu diesem Abkommen geführt. Die Untaten der islamistischen Milizen eher weniger.

Die USA und Europa müssen sich nun überlegen, wie sie reagieren sollen – wenn Russland sie mit dem Abkommen wieder über den Tisch gezogen haben sollte und die Kämpfe anderswo und anderswie weitergehen. Wenn die Türkei Krieg im Nordosten auf eigene Faust führt. Wenn Assad mit den „gemäßigten“ Rebellen „aufzuräumen“ gedenkt.

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Dann müsste eine Flugverbotszone mit militärischer Macht erzwungen werden. Und wegen einer Reduzierung des islamistischen Einflusses unter den Rebellen könnte man ja mal in Riad anrufen. Von unseren Freunden dort werden die nämlich finanziert.

Bilder: dpa

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