"Wenn etwas Einschneidendes geschieht, bringen die Menschen den 'Tagesthemen' viel Vertrauen entgegen"

Welche Bedeutung hat kritischer Journalismus in der Corona-Krise? In einem Interview mit dem "Spiegel" bezieht "Tagesthemen"-Moderatorin Caren Miosga Stellung.

Seit mehr als zehn Jahren moderiert Caren Miosga die "Tagesthemen" im Ersten. Das Vertrauen ihrer Zuschauer weiß die 51-Jährige dabei sehr zu schätzen, wie sie nun in einem Interview mit dem "Spiegel" sagte. Zwar können man angesichts des Misstrauens, dass den öffentlich-rechtlichen Nachrichten in den sozialen Medien entgegenschlage, vermuten, dass das Gegenteil der Fall sei. Aber, so Miosga: "Wenn - wie in der Corona-Zeit - wirklich etwas Einschneidendes geschieht, bringen die Menschen der 'Tagesschau' und den 'Tagesthemen' immens viel Vertrauen entgegen und schalten vermehrt ein."

Für sie und ihre Kollegen seien gerade die ersten Wochen der Krise hektisch gewesen: "Zu Beginn konnten wir nur hinterherrennen; die Eilmeldungen kamen im Minutentakt." Erst als klar wurde, dass das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zum Erliegen käme, hätten sie die Möglichkeit bekommen, zu sortieren und zu reflektieren. Am Anfang sei es schwierig gewesen, auf kritisches Hinterfragen zu verzichten. "Einige Zuschauer empfanden es als deplatziert, jeden Schritt zu hinterfragen. Aber mit der Zeit veränderte sich das, und selbstverständlich mussten wir die sehr weitgehenden Einschnitte in Grundrechte und Alltagsleben kritisch diskutieren. Und zwar auch und gerade in politischen Interviews."

"Immer wieder auf- und erklären"

Es sei toll gewesen, zu sehen, wie auch in dieser Zeit großartige journalistische Stücke entstanden seien, die den Zuschauern die nötige Orientierung gaben. Dennoch bedauert Miosga eine Entwicklung: "Vor Corona haben wir uns auch für Idlib oder für die katastrophalen Verhältnisse in den Flüchtlingslagern in Griechenland interessiert. Nun finden diese Themen leider zu wenig Platz."

Vor Kritik sind auch die seriösen "Tagesthemen" nicht gefeit: Immer wieder würden sie Vorwürfe erreichen, wonach die Sendung nur Fake News verbreiten würde. Auch dass die Regierung ihnen verbieten würde, die Wahrheit zu sagen, bekomme die Redaktion oft zu hören. Auf die Frage, was dagegen helfe, hat Miosga eine klare Antwort: "Immer wieder auf- und erklären, auf die Motivation von Verschwörungstheorien hinweisen. Und Wissenschaftler zu Wort kommen lassen, Menschen, die wirklich fundiertes Wissen haben."