Europawahlen: Mitte-Links-Bündnis und Rechte Partei in den Niederlanden vorn
Die letzten Nachwahlbefragungen in den Niederlanden deuten darauf hin, dass die rechtspopulistische, nationalistische Partei von Geert Wilders stark an Zustimmung gewonnen hat und sich bei den Wahlen zum EU-Parlament ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einem Mitte-Links-Bündnis liefert.
Die letzte von Ipsos durchgeführte Nachwahlbefragung zeigt, dass das Bündnis aus Grünen, Linken und Sozialdemokraten voraussichtlich acht Sitze im Parlament gewinnen wird, während Wilders' "Partei für die Freiheit" (PVV) voraussichtlich sieben Sitze erringen wird.
Sarah de Lange, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Amsterdam erklärt die Gewinne für das Mitte-Links-Bündnis: "Wähler, die weniger gebildet sind oder der Politik misstrauen, gehen bei dieser Art von Wahlen seltener zur Wahl als gut gebildete Wähler, die politisches Vertrauen haben."
In diesem Sinne spiegeln die Ergebnisse diese Dynamik wider, "denn wir sehen in den derzeit verfügbaren Daten, dass die Wahlbeteiligung in der Wählerschaft der Partei GreenLeft/Labour einfach viel höher war als bei der PVV. Und das hat das Ergebnis eindeutig beeinflusst", erklärt de Lange.
Der Sieg der PVV wird als Zeichen für mögliche Wahlgewinne der rechter und rechtspopulistischer Parteien in der gesamten Europäischen Union gesehen.
Gemischte Meinungen in den niederländischen Wahllokalen
In den Wahllokalen herrschten jedoch gemischte Gefühle gegenüber Wilders und seiner rechtsgerichteten Politik.
"Diese Wahlen bzw. schon die vergangenen Wahlen haben gezeigt, dass die Menschen das derzeitige System satt haben, also müssen die Dinge geändert werden, aber ich glaube nicht, dass die Vision von Herrn Wilders die richtige Vision ist", sagte Wähler Darpan van Kuik im Wahllokal in Den Haag.
Im Gegensatz dazu sagte Sradhanand Sital: "In diesem Moment ist es für mich die beste Option, ihn (Wilders) zu unterstützen. Sehen Sie, auch er ist an die nationale Verfassung gebunden, er kann nicht mehr tun als das."
PVV-Parteichef Wilders selbst jubelte in einem Beitrag auf X und bezeichnete seine PVV-Partei als "den größten Gewinner".
PVV-Gewinn war Schock für Europa
Die europaskeptische PVV hat vor sechs Monaten die EU erschüttert als sie als stärkste Partei in das niederländische Parlament einzog. Wilders will nun auf dieser Popularität aufbauen und den Ton für einen Großteil der EU angeben. Er fordert, die Macht in die nationalen Hauptstädte und weg von Brüssel zu bringen, damit die Mitgliedsstaaten in Fragen wie der Migration mehr Autonomie haben.
Doch wie viele rechtspopulistische Parteien in der gesamten Europäischen Union will Wilders mehr Macht im Europäischen Parlament erlangen, um die EU-Institutionen von innen heraus zu schwächen.
Wilders hat in der Vergangenheit den Austritt der Niederlande aus der EU nach dem Vorbild Großbritanniens gefordert. Im Wahlprogramm seiner Partei für die Europawahlen wird ein sogenannter Nexit nicht erwähnt. Stattdessen fordert er die Wähler auf, die PVV zu unterstützen, damit sie die EU von innen heraus verändern kann.
"Man muss auch eine starke Präsenz im Europäischen Parlament haben und sicherstellen, dass wir, wenn nötig, in der Lage sein werden, die europäischen Richtlinien zu ändern, um unsere eigene Einwanderungs- und Asylpolitik zu bestimmen", sagte Wilders nach seiner Abstimmung in Den Haag.
Wilders will breiteres, rechtes Bündnis im EU-Parlament
Er rief zu einem breiten Bündnis rechtsgerichteter Parteien auf, um die traditionelle Koalition aus Christdemokraten, Sozialisten, wirtschaftsfreundlichen Liberalen und Grünen aufzubrechen.
"Eine größere Gruppe im Europäischen Parlament zu bilden", sagte Wilders, "das gibt uns die Macht, all diese europäischen Verordnungen zu ändern, um sie hier in den nationalen Parlamenten selbst in die Hand zu nehmen."
Wilders, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und die französische Oppositionsführerin Marine Le Pen stehen in krassem Gegensatz zu einem Großteil der Linken und vielen Parteien der Mitte. Die zentralen und linken Parteien fordern ein geschlosseneres europäisches Vorgehen in allen Bereichen – von Maßnahmen zum Klimawandel bis hin zur Verteidigung. Sie argumentieren, dass einzelne Nationen auf der globalen Bühne nur eine schwache Stimme haben.
"Es ist wichtig, dass die Europäische Union ein guter und starker Partner ist", sagte Gerard Kroon, ein 66-Jähriger, der für die Gemeinde Den Haag arbeitet und im Rathaus für die pro-europäische Partei Volt gestimmt hat.
"Wir müssen die Dinge gemeinsam anpacken. Nicht nur in Europa, sondern auch in den Niederlanden."
Seit der vergangenen EU-Wahl im Jahr 2019 stehen populistische, rechte und extremistische Parteien in drei EU-Ländern an der Spitze der Regierungen und sind in mehreren anderen Ländern Teil von Regierungskoalitionen. Rechte Parteien scheinen auf dem gesamten Kontinent immer mehr Unterstützung in der Bevölkerung zu finden.
Hackerangriff auf drei Parteien-Websites
Unterdessen hat sich eine kremlnahe Hackergruppe zu einem offenbar koordinierten Angriff auf die Websites niederländischer politischer Parteien und EU-Institutionen am Donnerstag bekannt.
Mindestens drei niederländische politische Parteien – der Christlich-Demokratische Appell (CDA), die Partei für die Freiheit (PVV) und das Forum für Demokratie (FvD) – erklärten, ihre Websites seien am Donnerstag Ziel von Cyberangriffen gewesen.
Die niederländische Mitte-Rechts-Partei Christlich-Demokratischer Appell meldete, dass ihre Website am Donnerstag aufgrund eines verteilten Denial-of-Service-Angriffs "vorübergehend weniger zugänglich" war.
"Am Wahltag betrachten wir dies als einen Angriff auf freie, demokratische Wahlen", schrieb die Partei auf X.
Der niederländische Rundfunksender NOS berichtete, dass auch die Website von Wilders' PVV-Partei und des rechtspopulistischen Forums für Demokratie kurzzeitig nicht erreichbar waren.
In den Niederlanden werden 31 der 720 Mitglieder des Europäischen Parlaments für eine fünfjährige Amtszeit gewählt. Endgültige EU-weite Hochrechnungen werden am Sonntagabend nach Schließung der Wahllokale bekannt gegeben.