Wie fährt sich ein E-Trekkingrad?

Das Victoria eTouring 7.7 kostet laut Hersteller 2.999 Euro. Das ist angesichts der Vollausstattung nicht überteuert.
Das Victoria eTouring 7.7 kostet laut Hersteller 2.999 Euro. Das ist angesichts der Vollausstattung nicht überteuert.

Die eierlegende Wollmilchsau ist auch unter den Fahrrädern ein Mythos. Aber es gibt Trekkingbikes, die vielen Einsatzzwecken dienen sollen - zumal, wenn sie elektrifiziert ihre Reichweite erhöhen.

Berlin (dpa/tmn) - Trekkingräder zählen seit Jahren zu den beliebtesten Fahrrädern in Deutschland. Auch bei den E-Bikes haben sie sich an die Spitze der Verkaufscharts gesetzt. Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) lag ihr Marktanteil 2019 bei gut einem Drittel (36 Prozent), gefolgt von den E-Citybikes.

E-Trekkingräder bieten viele Hersteller - von Winora und Kalkhoff über Stevens und Cube bis zu Trek oder Flyer. Kaum eine größere Marke bedient das volumenstarke Segment nicht. Um herauszufinden, wie sich ein E-Trekkingrad fährt, haben wird das Modell eTouring 7.7 der deutschen Traditionsmarke Victoria ausgewählt.

- Der Einsatzzweck: Victoria sortiert das Bike als sportives Alltags-E-Bike ein. «Es ist ein vollausgestattetes Rad mit dynamischen Zügen», sagt Produktmanager Thomas Göbel. Aufgrund der leicht gestreckten Rahmengeometrie sitze der Fahrer etwas gebeugter als auf einem Cityrad. So könne er mehr Druck in die Pedale geben. Zum Brötchenholen eigne sich das Rad ebenso wie für längere Pendlerstrecken. Federgabel und eine gefederte Sattelstütze bieten ein Mindestmaß an Komfort, auch Wochenendtrips mit etwas Gepäck sind möglich. «Damit fährt es auch in den Bereich eines Trekkingrades.»

- Die Technik: Göbel bezeichnet das Rad in Anspielung auf Bedienkomfort und Wartungsarmut als «Problemlöser». Das ist zwar übertrieben, weil diese Eigenschaft etwa mit einem wartungsarmen Riemenantrieb noch gesteigert werden könnte. Das Rad muss sich aber mit einer bauartbedingt verschleißanfälligen Kette begnügen. Dafür ist mit der Nexus Inter-5E Shimanos erste, speziell für Pedelecs entwickelte Nabenschaltung an Bord. «Die Nexus kann mehr Drehmoment verkraften», sagt Göbel. Am eTouring kann sie sogar noch mehr, denn es ist die elektronisch und automatisch schaltende Di2-Version montiert.

Bislang waren an Victoria-E-Bikes meist Mittelmotoren von Bosch zu finden, das eTouring treibt aber der Steps E6100 vom Konkurrenten Shimano an - weil dieser mit der Schaltung harmoniert. Auf der Grundlage von Trittfrequenz und Geschwindigkeit übermittele die Di2-Nabenschaltung automatisch, in welchen Gang jetzt geschaltet wird, heißt es bei Shimano. Über das Cockpitdisplay lässt sich nicht nur überwachen, welche Tretunterstützungsstufe aktiv ist, sondern auch, in welchem Gang man gerade fährt. Im «Manual»-Modus kann man die Gänge der Di2 auch selbst schalten.

Wie bei Pedelecs üblich liegt die Dauernennleistung des neuen Motors bei 250 Watt. Aussagekräftiger aber ist das Drehmoment, das mit bis zu 60 Nm fast an die kräftige Unterstützung bei E-Mountainbikes heranreicht. Die Reichweite in Verbindung mit einem 504-Wh-Akku wird mit bis zu 185 Kilometer im «Eco»-Modus, der schwächsten Unterstutzungsstufe, angegeben. Beim Test zeigte das Display - bei allerdings vier Grad Außentemperatur - bis zu 102 Kilometer an.

- Der Fahreindruck: Ist der Motor inaktiv, rollt das Bike nahezu geräusch- und gefühlt widerstandslos über den Asphalt. Das Fahrgefühl ist satt, wozu das hohe Eigengewicht 26,5 Kilo beiträgt. Der Motor agiert leise, der maschinelle Kraftzuwachs für den Antrieb ist gut dosiert und dem Einsatzzweck gewachsen. Gleiches gilt für die Scheibenbremsen.

Die Sitzposition fühlt sich nicht so sportlich an, wie vom Hersteller behauptet. Vorherrschend ist der Eindruck, auf einem auf Komfort ausgelegten Fahrrad unterwegs zu sein. Die Griffenden des Lenkers sind ergonomisch abgewinkelt, der Vorbau zeigt nach oben. Der Lenker ist damit ein gutes Stück höher als der Sattel, man sitzt im Vergleich zu Sporträdern immer noch aufrecht. Die Federelemente machen auch Wald- und Feldwege zu einem meist gut passierbaren Terrain. Allerdings ist die Gabel für heftige Stöße mit einem Federweg von 63 Millimetern nicht ausgelegt, und sie spricht etwas hölzern an. Die 47 Millimeter breiten Reifen bieten gute Dämpfung.

Ausgerechnet mit dem Kernfeature, der Automatikschaltung, hapert es jedoch. Die Gangwechsel fühlen sich geschmeidig und gut abgestimmt an - solang es nicht bergauf geht. Wenn man dann kräftig in die Pedale tritt und die Di2 runter schaltet, kracht es heftig im Getriebe. Die Sorge, die Schaltung könne dadurch schnell kaputt gehen, entkräftet Göbel mit dem Hinweis auf eine eingebaute Schutzfunktion: Die Nexus reduziere für einen Sekundenbruchteil die Zugkraft und agiere erst dann. An Steigungen in den Wiegetritt zu gehen, fühlt sich trotzdem nicht gut an, wenn dabei die Übersetzung gewechselt wird.

Dafür kann man das Schaltverhalten den eigenen Vorlieben anpassen. Wer leichteres oder schwereres Treten bevorzugt, kann in den Tiefen des Display-Menüs die Schaltfolge verändern. Der fünfte Gang ist jedoch stets sehr hoch übersetzt und taugt nur für rasante Bergabfahrten jenseits der Tretunterstützung.

- Ausstattung, Zubehör, Peripherie: Es ist alles dran, was dem Bike in Deutschland die Straßenzulassung beschert - also sämtliche Reflektoren, Bremsen, eine Klingel, eine Beleuchtung. Hinzu kommen Schutzbleche, ein verstellbarer Ständer sowie ein Axa-Rahmenschloss an den Sitzstreben. Das Frontlicht ist mit 80 Lux hell und leuchtet die Fahrbahn angemessen aus, das Rücklicht bietet ein Sicherheitsplus in Form einer Stopplichtfunktion: Über einen Bewegungssensor wird abruptes Bremsen registriert, und es leuchtet heller auf.

Der Gepäckträger über dem Hinterrad ist dank kräftigem Federbügel sofort einsatzbereit; man benötigt nicht erst passende Taschen. Ausgelegt ist er auf maximal 25 Kilo. Über eine Adapterplatte lassen sich Körbe und Taschen des Klick-Systems MIK befestigt.

Das zulässige Gesamtgewicht samt Fahrer und Gepäck liegt bei 140 Kilo. Mehr als knapp 90 Kilo dürfte der Fahrer damit, wenn voll beladen unterwegs, demnach also nicht wiegen. Das Modell gibt es alternativ zum gefahrenen Herrenrad auch mit Trapez- oder Wave-Rahmen. Die Rahmenhöhen gehen von 45 bis 60 Zentimeter und sind damit für viele Körpergrößen passend.

- Der Preis: Victoria hat das eTouring 7.7 mit 2999 Euro gelistet. Das ist angesichts der Vollausstattung nicht überteuert - zumal grundsätzlich qualitativ gute Komponenten verbaut sind. Allerdings sollte man sich an der lautstarken Schaltung nicht stoßen.

- Das Fazit: Wer ein E-Bike für viele alltägliche Einsatzzwecke sucht, findet hier einen verlässlichen Begleiter, der konzeptbedingt natürlich an Grenzen stößt. Pendeln, touren und shoppen - kein Problem. Ein Rad für Stadt und Land also. Wer aber Sport treiben oder lange Radreisen unternehmen möchte, sollte zu einem anderen Konzept greifen.